Schlangengift hilft nicht bei Schlaganfall:
Neues Medikament offenbar wirkungslos

Internationale Studie mit österreichischer Beteiligung 24.000 Schlaganfälle in Österreich pro Jahr

Rund 24.000 Menschen erleiden in Österreich jedes Jahr einen Schlaganfall. Die Thrombolyse - also die Auflösung des in einer Arterie entstandenen Gerinnsels per Medikament - ist die einzige Möglichkeit, Spätschäden zu vermeiden. Doch viele Patienten kommen dafür viel zu spät ins Spital. Ein neues Medikament, hergestellt aus dem Gift einer malaysischen Viper, sollte hier eine Verbesserung bringen. Doch Ancrod hilft offenbar nicht wirklich, hat jetzt eine europäische Forschergruppe unter Beteiligung österreichischer Neurologen im Rahmen einer großen Studie gezeigt.

"Die intravenöse Gabe von rtPA (gentechnisch hergestellter Plasminogen-Aktivator, Anm.) ist die einzige zugelassene spezifische Behandlung für einen akuten Schlaganfall", schreiben die Wissenschafter, unter ihnen Univ.-Prof. Dr. Ulf Baumhackl (LKH St. Pölten), Univ.-Prof. Dr. Franz Fazekas (Uni-Klinik Graz), Univ.-Prof. Dr. Michael Brainin (Landesnervenklinik Gugging) und Univ.-Prof. Dr. Erik Rumpl (LKH Klagenfurt) in der britischen Medizin-Fachzeitschrift "The Lancet".

Dazu ist aber die rasche Erkennung der Gefahr und die sofortige Aufnahme des Patienten in eine Spezialabteilung notwendig. Die Behandlung mit dem Gerinnsel-Auflöser muss aber am besten binnen drei Stunden nach dem Auftreten der Symptome erfolgen. In Österreich landen zwar schon über 40 Prozent der Kranken binnen 90 Minuten im Spital, doch es wäre wichtig Arzneimittel zu haben, die auch später in solchen Fällen einsetzbar wären. Prinzipiell ließe sich nämlich bei 60 bis 70 Prozent damit die Ursache des Schlaganfalls wieder beheben.

Mit Ancrod, einem Gerinnselauflöser, der aus dem Gift einer malaysischen Viper gewonnen wird, hofften die Neurologen ein solches Mittel zu bekommen. Der potenzielle Vorteil: Es sollte noch bis zu einem Zeitpunkt von sechs Stunden nach den ersten Symptomen eingesetzt werden können.

In Europa, Australien und Israel wurden deshalb 1.222 Schlaganfallpatienten in eine wissenschaftliche Studie aufgenommen. 604 von ihnen erhielten dann bis zu sechs Stunden nach dem Auftreten der ersten Schlaganfallzeichen die aus dem Schlangengift abgeleitete Substanz oder ein Scheinmedikament. Als Maßzahlen wurden die Überlebensrate, die Vermeidung bleibender Behinderungen und die Wiederherstellung der Patienten genommen. Der Beobachtungszeitraum betrug drei Monate.

Leider kam bei der Studie aber kein positiver Effekt von Ancrod heraus. Ob die Patienten nun das Scheinmedikament oder das echte Arzneimittel erhalten hatten, nach drei Monaten hatten 42 Prozent überlebt, waren fast ohne bleibende Behinderungen geblieben oder wiesen einen Zustand auf, der jenem vor dem Schlaganfall entsprach. Andererseits, die Wissenschafter hatten sich erhofft, mit dem Medikament bei mehr Patienten das Gerinnsel wieder auflösen zu können und damit im Vergleich zu einer Nichtbehandlung die Überlebensrate erhöhen zu können. Gleichzeitig sollte die Häufigkeit bleibender Behinderungen gesenkt werden.

Da sich im Rahmen der Studie kein Unterschied zwischen Scheinmedikament und echtem Arzneimittel ergab, stellt Ancrod offenbar keine Möglichkeit dar, das Zeitfenster für eine Thrombolyse-Therapie von derzeit drei Stunden auf sechs Stunden nach den ersten Symptomen zu erhöhen und damit mehr Behinderungen bzw. Todesfälle durch Schlaganfall zu verhindern.

(apa/red)