"Schiff aus Stein": Neues Buch von Karl-Markus Gauß

von "Schiff aus Stein": Neues Buch von Karl-Markus Gauß © Bild: APA/APA/BARBARA GINDL/BARBARA GINDL

Karl-Markus Gauß in seinem Refugium, umgeben von Büchern und Bildern

"Schiff aus Stein" heißt das neue Buch von Karl-Markus Gauß, das kommende Woche erscheint, und in dem es laut Untertitel um "Orte und Träume" geht. Heute, Freitag, Abend (19.30 Uhr) liest er im Literaturhaus Salzburg erstmalig daraus. Zwischen Traum und Albtraum gestaltete sich jüngst die Gemeinderatswahl in Salzburg. "Auffallend ist, dass der Absturz der ÖVP nicht zum neuerlichen Triumph der FPÖ geführt hat", kommentiert Gauß gegenüber der APA das überraschende Ergebnis.

Die FPÖ sei mittlerweile "auf die fünfte Stelle der Parteien heruntergekommen. Das heißt aber auch, dass man selbst sogenannte Protestwähler nicht unbedingt mit der Kickl'schen Barbarei gewinnen kann. Ausgerechnet Dankl ist von allen Spitzenkandidaten derjenige gewesen, der am sachlichsten argumentiert, am höflichsten bei politischen Diskussionen aufgetreten ist und - was für einen Oppositionellen, noch dazu einen kommunistischen, schon bemerkenswert ist - ohne Aggression und sprachliche Barbarisierung argumentiert hat." Das sei "womöglich eine Lehre, die über den Parteierfolg seiner KP plus hinausreicht", so Gauß, der auch darauf hinweist, dass es Kay-Michael Dankl schon vor der Wahl geschafft habe, dass sich nunmehr alle Parteien "endlich fürs Wohnen, für die Wohnungspreise, die kommunalen Wohnbaufirmen und Wohnbaupolitik interessieren".

Gauß' eigene Wohnung am Fuße des Mönchsbergs ist spätestens seit seiner 2019 unternommenen "Abenteuerlichen Reise durch mein Zimmer" ein geradezu mythischer Literaturort. Doch ein Besuch bei dem vielfach ausgezeichneten Schriftsteller und Publizisten, der am 14. Mai seinen 70. Geburtstag feiert, muss privat und profan beginnen - mit der Erkundigung nach der werten Gesundheit. Schließlich erzählt er im neuen Buch auch von seinen zwei Herzanfällen, mit denen er buchstäblich sein Gleichgewicht verloren und "die Angst, einmal auf dem Podium einer Literaturveranstaltung oder am Tisch eines Restaurants vom Blitz getroffen zu werden", seither nicht mehr abgelegt hat.

Es gehe ihm wieder gut, sagt der Dichter, der kürzlich das erste Mal Großvater geworden ist. "Ich fühle mich nicht vom Tod gezeichnet. Ich glaube, dass ich als pubertierender junger Mann öfter an den Tod gedacht habe als jetzt." Weder gesundheitliche Krisen noch das fortschreitende Lebensalter hätten ihn zu einem anderen Menschen gemacht: "Generell hat sich mein Bild weder vom Leben noch vom Tod geändert. Es gibt keine Notwendigkeit, meine Lebenshaltung umzustellen." Wie diese aussieht, verdeutlicht auch sein neues Buch.

"Diesmal wollte ich fern von aufklärender Volksbildung auch so etwas wie Glücksmomente sammeln und mir vergegenwärtigen, was ich auf meinen Reisen und auch in meiner eigenen Lebensreise an dichten Momenten der Welterfahrung gehabt habe." Es sei quasi eine motivische Replik auf Emil Ciorans Buch "Vom Nachteil, geboren zu werden": "Ich möchte zeigen, dass es kein Nachteil ist, geboren zu werden, und dass es auch kein Nachteil ist, sich in der Welt etwas umzuschauen und sich dabei was zu denken."

"Schiff aus Stein" ist kein Reisebuch, zeigt aber den Autor immer wieder als Reisenden. In Albanien findet er etwa die titelgebende schiffsförmige Hotelruine oder begegnet Menschen, mit denen er unmittelbar ins Gespräch kommt. "Ich glaube, dass ich vom Charakter her Menschen zugewandt bin. Wenn ich auf Reisen gehe, ist diese Zugewandtheit aber auch eine professionelle Eigenschaft. Dann versuche ich, mich zu öffnen und mein Sensorium auf freundliche Offenheit zu schalten." Er schätze aber auch die Ruhe, die es ihm ermögliche, zu denken und zu schreiben. Auf seinem Grabstein soll das einmal mit folgender Inschrift zusammengefasst werden: "Er liebte die einsamen und die geselligen Stunden."

In "Schiff aus Stein" findet sich Erlebtes und Geträumtes gleichermaßen. In seine Journale trage er jeden Tag ein, zwei Seiten ein, sagt Gauß. "Das sind politische Notizen, Lektüreerfahrungen, Begegnungen, aber auch traumartige Sequenzen. Teilweise sind das auch Tagträume oder halluzinierte Fantasien, traumähnliche Gebilde im Halbschlaf. Im Dämmerzustand kommen mir oft die besten Ideen. Es gehört zum größten Luxus meines Lebens, dass ich so gut wie nie mit einem Wecker aufstehen musste." Dass er seit seiner Matura auch keine Armbanduhr mehr trägt, macht Gauß vielleicht nicht gerade zu einem zeitlosen, jedenfalls aber zu einem von der Zeit nicht getriebenen Menschen. "Ich habe sicher vieles im Leben vergeudet - aber das Vergeuden war das Schönste am Leben."

Er habe es als Salzburger des Jahrgangs 1954 weder zeitlich noch geografisch schlecht erwischt - dessen sei er sich sehr bewusst, versichert der Autor, der die Bilanz seiner Generation ambivalent sieht: "Natürlich hinterlassen wir die Welt nicht in einem idealen Zustand, aber wir hinterlassen sie auch nicht in allem in einem schlechteren Zustand, als wir sie vorgefunden haben. Es ist weder Hochmut noch Zerknirschung angebracht. Was ich nicht aushalte, ist die dauernde Beschwörung der Apokalypse. Das halte ich auch für gefährlich: Wenn ich überzeugt bin, dass fast alles kaputt wird ohne radikalen Wandel, ist auch fast alles erlaubt."

Sein neues Buch habe er wie eine Suite komponiert, sagt Gauß. "Damit meine ich, dass es einen inneren musikalischen Zusammenhang gibt. Das ist keine Geschichten- oder Reflexionensammlung, sondern etwas Zusammengehörendes. Ich komme vom Hundertsten ins Tausendste, aber hoffentlich auch wieder zum Hundertsten zurück." Er wolle seine Leserinnen und Leser nicht entmutigen, sondern ermutigen - nämlich "beim Anspruch auf ein gutes Leben auch in schlechten Zeiten. Ich finde, dass das nichts Egoistisches oder Asoziales ist: Die Zivilisation muss man auch im alltäglichen Verhalten finden, bewahren und ausbauen. Jemand, der schreibt, sagt schon im Prinzip ja. Wenn ich nein sagen würde, würde ich ja gar nicht erst etwas schreiben."

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Karl-Markus Gauß: "Schiff aus Stein", Zsolnay Verlag, 144 Seiten, 23,70 Euro, Lesungen: Heute, Freitag, 15.3., 19:30 Uhr, im Literaturhaus Salzburg, Strubergasse 23, am 19.3. im Adalbert-Stifter-Institut, Linz, Adalbert-Stifter-Platz 1, am 2.4., 19 Uhr, in der Alten Schmiede, Wien 1, Schönlaterngasse 9, am 4.4. im Literaturhaus Graz, Elisabethstraße 30)