Rote Wiener Bezirkschefin tritt aus SPÖ aus

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"Lügen, Verleumdungen" - Rote Wiener Bezirkschefin tritt aus SPÖ aus

"Ich verlasse mit sofortiger Wirkung die sozialdemokratische Fraktion", sagte Schaefer-Wiery, die seit 2013 am Chefsessel in Margareten sitzt. Ein entsprechendes Schreiben sei bereits an die Partei unterwegs, die Bewohnerinnen und Bewohnern Margaretens würden zeitgleich per Offenem Brief von der Entscheidung informiert. Der Schritt erfolge aus "freien Stücken", diesbezüglichen Druck der Genossen habe es nicht gegeben.

Die verbleibenden Monate bis zur Wahl im Herbst will sie aber noch Vorsteherin bleiben. "Zurücktreten werde ich nicht", betonte sie. Einen Wechsel zu einer anderen Partei oder einen Antritt mit einer eigenen Liste schloss Schaefer-Wiery allerdings aus.

Schaefer-Wiery spricht von "offenem Konflikt"

Im Vorjahr habe die "Entfremdung" zwischen der Bezirkspartei und ihr begonnen, berichtete sie von einem "offenen Konflikt", der teilweise "weit unter der Gürtellinie" gegen sie geführt worden sei: "Da wurden rote Linien überschritten." Nun, da wichtige Projekte wie die Neugestaltung der Reinprechtsdorfer Straße, das Grätzlzentrum "Gretl" und der Klimarat, der sich im März konstituiert, auf Schiene seien, lasse sie sich diese "verbreiteten Lügen und Verleumdungen" nicht mehr länger gefallen.

»Da wurden rote Linien überschritten«

Schaefer-Wiery, davor Geschäftsführerin des Filmcasinos, übernahm den Vorsteherposten im Jahr 2013 von Kurt Wimmer. Dass das Verhältnis zwischen ihr und der Bezirks-SPÖ im Lauf der Jahre immer schlechter wurde, zeigte sich bereits im März 2019. Damals wurde Stephan Auer-Stüger zum neuen Vorsitzenden gewählt, der Vorstand wurde ebenfalls neu gewählt. Und dort erhielt Schaefer-Wiery nur 47 Prozent Zustimmung. "Soziale Defizite" wurden hinter vorgehaltener Hand von Parteikollegen als Erklärung genannt. "Die Menschen im Bezirk haben das Auftreten der Partei - dass man sagt, die Bezirksvorsteherin ist asozial - überhaupt nicht verstanden", sagte die Vorsteherin nun im Rückblick.

" Sozialdemokratie wird rückwärtsgewandter"

Programmatisch geht Schaefer-Wiery aber auch hart ins Gericht mit den Roten. "Die Sozialdemokratie verengt sich, sie wird rückwärtsgewandter", beklagte sie. Bürgerbeteiligung habe keine Relevanz, die Verkehrspolitik kritisierte sie ebenfalls: "Bei Parkplatzfragen unterscheiden wir uns dramatisch." Auch über jede zusätzliche Radabstellanlage wolle sie nicht mehr debattieren müssen: "Jedes Mal, wenn Abstellplätze von anderen Fraktionen beantragt wurden, hat die SPÖ abgelehnt." Ob diese von ihr bekrittelte Entwicklung auch mit dem Vorsitzwechsel der Landespartei - Michael Ludwig hat Anfang 2018 die Wiener SPÖ-Führung von Michael Häupl übernommen - liegt? "Es hängt alles zusammen", meint die 59-Jährige.

Die SPÖ brauche jedenfalls Modernisierung: "Es ist Zeit, dass junge Menschen das Ruder in die Hand nehmen und mit den Menschen reden, ein offenes Ohr für sie haben." Ob sie im Herbst Rot wähle? "Ich weiß es noch nicht."

Grüne sehen nach SPÖ-Turbulenzen Chancen auf Platz 1

Die Grünen rechnen offenbar damit, dass ihnen die Turbulenzen in der SPÖ-Margareten bei der Wien-Wahl im Herbst in die Hände spielen könnten. "Wir haben die Chance auf Platz eins", sagte die stellvertretende grüne Vorsteherin Nikola Furtenbach.

"Bei der Nationalratswahl waren wir klar vorne. Der Trend geht dorthin, dass die Menschen grün wählen", meinte Furtenbach. Die jüngsten Vorkommnisse bei der SPÖ könnte das Wählerpotenzial noch einmal heben, mutmaßte sie. Bei der NR-Wahl 2019 lagen die Grünen im Bezirk Margareten bei 30,1 Prozent. Die SPÖ belegte mit 26,7 Prozent den zweiten Platz. Bei der vergangenen Bezirksvertretungswahl 2015 sah die Lage freilich anders aus: Damals gewannen die Roten klar mit 38,8 Prozent - ganze 16 Prozentpunkte vor den Grünen (22,8 Prozent).

»Bei der Nationalratswahl waren wir klar vorne«

Furtenbach betonte, dass die Zusammenarbeit mit Schaefer-Wiery bisher gut gelaufen sei. Was ihre Fraktion angeht, werde diese auch bis zum Ende der Legislaturperiode weitergeführt. Die Zusammenarbeit zwischen Rot und Grün laufe im Bezirk großteils gut, in verkehrspolitischen Angelegenheiten gebe es aber große Unterschiede. Auch Schaefer-Wiery hatte neben persönlichen Verwerfungen u.a. inhaltliche Divergenzen zwischen ihr und der SPÖ etwa in Sachen Verkehrspolitik für ihren Parteiaustritt ins Treffen geführt.

Die Grünen sind derzeit in drei Wiener Bezirken stimmenstärkste Partei. Sie stellen demnach in der Leopoldstadt, in Neubau und in Währing den Bezirksvorsteher bzw. die Bezirksvorsteherin.