Radikalisierung im Gefängnis - Brandstetter setzt auf NGO

Justizminister: "Vergleichsweise hohe Zahl an Foreign Fighters" in Österreich

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Brandstetter sprach von einer "vergleichsweise hohen Zahl von Foreign Fighters und radikalisierten Personen" in Österreich, zugleich betonte er: "Das ist ein gesamteuropäisches Problem." Der Justizminister setzt bei der Deradikalisierung einschlägig verurteilter Jugendlicher und bei der Vorbeugung gegen Radikalisierung in den Haftanstalten vor allem auf die Zusammenarbeit mit der NGO DERAD. Für das Problem seien "ganz spezielle Experten" gefragt, so Brandstetter.

Die Mitarbeiter von DERAD klären einerseits das Justizwachepersonal über islamischen Extremismus auf und sensibilisieren die Beamten für die Merkmale von Radikalisierung, anderseits versuchen sie Gefängnisinsassen vom Extremismus abzubringen. Ziel sei es, die jungen Häftlinge dazu zu bringen, eine demokratische, pluralistische Gesellschaft zu akzeptieren. "Du kannst du selbst sein, aber du musst die anderen Leute akzeptieren", sei die Botschaft, sagte ein DERAD-Mitarbeiter, der anonym bleiben wollte.

Zur Radikalisierung komme es, wenn ein junger Muslim das Gefühl habe, gesellschaftlich an den Rand gedrängt zu werden, und er als Form der Auflehnung dagegen eine entsprechende Ideologie übernehme. Dabei gehe die Radikalisierung von einem relativ engen Kreis an islamistischen Ideologen aus der muslimischen Welt aus, strich der Sozialarbeiter hervor. Probleme gebe es vor allem, wenn sich Jugendliche in der Haft nicht änderten und nach der Freilassung weitere Menschen radikalisierten, oder wenn sich deradikalisierte Ex-Häftlinge zurück in ihrem früheren Umfeld erneut radikalisierten.

Die Problematik der Radikalisierung in Haftanstalten kam insbesondere in den vergangenen Jahren wegen einschlägiger Rekrutierungsstrategien der Terrormiliz "Islamischer Staat" für den Jihad in Syrien oder im Irak sowie für Anschläge in Europa auf. So hatte sich der Tunesier Anis Amri, der im Vorjahr beim bisher schwersten islamistischen Terroranschlag in Deutschland mit einem Lkw zwölf Menschen auf einem Weihnachtsmarkt in Berlin tötete, in der Haft in Italien radikalisiert.

Jourova sagte, Radikalisierung finde in Europa am häufigsten im Internet statt, bereits am zweithäufigsten aber in Gefängnissen. Von rund 20.000 Foreign Fighters beim IS in Syrien und dem Irak, würden 5.000 bis 6.000 aus Europa stammen. Viele von ihnen seien zurückgekehrt oder könnten noch zurückkehren. "Die Radikalisierung und der Extremismus in Europa sind im Steigen begriffen", warnte die aus Tschechien stammende Politikerin. Dagen müssten alle rechtlichen und sonstigen Maßnahmen ergriffen werden.

Die Justizkommissarin trat vor allem als Geldgeberin für Projekte für Deradikalisierung und gegen Radikalisierung in Haftanstalten in der EU auf. In einem breiteren Rahmen will sie in der Terrorismusbekämpfung die Gesetzgebung in den EU-Staaten vereinheitlichen, damit die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch von Ermittlern, Staatsanwälten und Richtern enger wird. Jourova beklagte, dass die Strafverfolgungsbehörden vielfach auf den guten Willen von IT-Anbietern "abhängig" sind, um an elektronisches Beweismaterial zu kommen: "So können wir nicht weitermachen."

Brandstetter und Jourova besprachen auch Schwerpunkte der EU-Ratspräsidentschaft Österreich im zweiten Halbjahr 2018. Neben der Digitalisierung im Justizbereich will Brandstetter vor allem die Rechtsstaatlichkeit, die "sozusagen zu den Genen der EU gehört", zum Thema machen. "Das ist etwas, auf das man täglich achten muss", sagte der Vizekanzler. Wenn es Anzeichen gebe, dass in einem EU-Mitgliedstaat rechtsstaatliche Prinzipien in Gefahr geraten könnten, müsse man entsprechend reagieren. Alle EU-Mitgliedstaaten müssten alle rechtsstaatlichen Prinzipien der Union erfüllen, meinte Brandstetter. Wegen umstrittener Reformen in diesem Bereich hatte die EU-Kommission in den vergangenen Jahren etwa gegen die rechtskonservativ regierten Mitgliedstaaten Ungarn und Polen Verfahren eingeleitet. Jourova wünschte sich insbesondere noch, den Fokus auf den gemeinsamen Kampf gegen die grenzüberschreitende Organisierte Kriminalität zu richten.

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