Papst setzt sich für "humanitäre Korridore" für Flüchtlinge ein

Franziskus warnt vor Fremdenfeindlichkeit und würdigt Einsatz von Sant'Egidio für Arme und Frieden

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In der Vergangenheit hatte Sant'Egidio derartige "Korridore" eingerichtet hatte. Offenbar mit Blick auf den Wahlsieg rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien bei der Parlamentswahl in Italien am 4. März warnte der Papst vor Fremdenfeindlichkeit. Derzeit gebe es eine "große Angst" vor den Auswirkungen der Globalisierung. "Und diese Angst richtet sich häufig gegen Menschen, die fremd, anders und arm sind, als wären sie Feinde", sagte Franziskus. "Also verteidigt man sich gegen diese Menschen und denkt, auf diese Weise das, was wir sind und was wir haben, zu bewahren."

Für ihn bestehe die Zukunft einer globalen Welt im Zusammenleben. Dazu müssten Brücken gebaut und der Dialog gefördert werden. Dies sei nicht nur eine Aufgabe von Politik oder Organisationen. "Wir alle sind aufgerufen", sagte Franziskus. Durch die im Dezember 2015 von Kirchen und kirchlichen Organisationen eingerichteten "humanitären Korridore" kamen bereits rund tausend Flüchtlinge nach Italien, die meisten aus dem Bürgerkriegsland Syrien. Ähnliche Projekte werden derzeit in Frankreich und Belgien getestet. Ziel ist es unter anderem, die Gefahren einer Flucht zu vermeiden.

An der Begegnung an ihrem geistlichen Zentrum in der Basilika Santa Maria di Trastevere nahmen neben Repräsentanten der Gemeinschaft aus zahlreichen Ländern auch Obdachlose und Flüchtlinge teil, die über von Sant'Egidio initiierte sogenannte humanitäre Korridore nach Italien einreisen durften.

Franziskus warb bei dem Anlass für eine "Globalisierung der Solidarität". Ungeachtet einer engeren wirtschaftlichen und medialen Vernetzung seien weltweit neue Mauern entstanden, vor allem gegen die Armen. Mit Blick auf aktuelle Kriege und die syrischen Flüchtlinge fragte der Papst, wie man "nach den Tragödien des 20. Jahrhunderts erneut in dieselbe absurde Logik zurückfallen" könne. Vor der Angst gegenüber dem Fremden, Anderen und Armen seien auch Christen nicht gefeit, beklagte er.

Die Zukunft der Erde liege im Zusammenleben, erklärte Franziskus. Nötig seien dafür Dialog und Begegnung. Über politisches Handeln hinaus bedürfe es eines "barmherzigen Blicks" jedes einzelnen. "Sagt nie: 'Was habe ich damit zu tun?' Ein barmherziger Blick verpflichtet uns zum kreativen Wagemut der Liebe", sagte der Papst. Die katholische Kirche müsse als "Zeichen der Einheit des Menschengeschlechts" Völker und Kulturen verbinden.

Der Gründer der Gemeinschaft, Andrea Riccardi, sprach von einem gegenwärtigen "Zeitalter der Wut". Die Aggression richte sich gegen Andersartige und sozial Schwache. Eine von Angst und Opferdenken bestimmte Logik des Eigennutzes äußere sich in einem individuellen wie nationalen Egoismus und Abschottungspolitik. Dagegen gelte es die "Bürden" von Misstrauen, Fundamentalismus und Hass abzulegen. Ein Zusammenleben für eine brüderliche Welt sei eine "machbare Revolution", so Riccardi.

Die Gemeinschaft Sant'Egidio ging aus einer Initiative des damals 18-jährigen Schülers Andrea Riccardi und einiger Freunde hervor, die sich 1968 in Rom zu sozialem Engagement und Gebet zusammenschlossen. 1973 fand die Gruppe ihren Ort in der ehemaligen Klosterkirche Sant'Egidio in Trastevere. 1981 übertrug Johannes Paul II. (1978-2003) der Gemeinschaft die Basilika Santa Maria in Trastevere. Heute zählt Sant'Egidio nach Eigenangaben mehr als 60.000 Anhänger weltweit.

Bekannt wurde die Gemeinschaft unter anderem durch ein Aids-Programm in afrikanischen Ländern, interreligiöse Friedenstreffen und den Einsatz gegen die Todesstrafe. Größter diplomatischer Erfolg von Sant'Egidio war die Vermittlung eines Friedensabkommens in Mosambik 1992. Vor dem Hintergrund des Syrienkriegs machte sich die Gemeinschaft für humanitäre Korridore stark, die Flüchtlingen eine legale Einreise nach Europa ermöglichen. Riccardi wurde 2009 für sein Friedens- und Sozialengagement mit dem Karlspreis der Stadt Aachen ausgezeichnet.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte der Gemeinschaft Mitte November des Vorjahres während seines Rom- und Vatikan-Aufenthalts, in dessen Rahmen er auch Papst Franziskus traf, besucht. "Integration gelingt, wenn beide Seiten sich bemühen", sagte er damals zu den Bemühungen der Organisation, die ihm damals ihr Projekt zur Aufnahme und Integration von Migranten vorstellte. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) besuchte Sant'Egidio bei seiner Reise nach Rom und in den Vatikan Anfang März hingegen nicht.

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