Man hasst Deutsch

Julia Ortner über das angeschlagene Nachbarschaftsverhältnis zu Deutschland

von Julia Ortner © Bild: News

Angela Merkel war nie meine „Mutti“. Für eine Regierungschefin ist das eine despektierliche Bezeichnung, Werner Faymann ist ja auch nicht unser „Vati“, obwohl, der wäre das vielleicht ja gar nicht so ungern. Wenn man jedenfalls die Zuschreibungen des Mütterlichen vermeidet, ist man auch so nicht enttäuscht darüber, wie machtbewusst und mitleidlos sich Merkel gemeinsam mit ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble jetzt im griechisch-europäischen Schuldendrama verhält. Schade um das Image, das sich Medienmenschen für Merkel ausgedacht haben. Mutti lebt hier nicht mehr.

Das hegemoniale Selbstverständnis der deutschen Politiker holt allerdings auch hierzulande wieder diese unangenehme Deutschenfeindlichkeit hervor. Überall hasst man die Deutschen jetzt ganz ungeniert, am Wirtshaustisch, in Zeitungen, im Internet, plumpe „Adolf Schäuble“-Namenswitze inklusive. Alle hassen die Deutschen, aber ich nicht. Ich mag sie. Und außerdem, einer meiner besten Freunde ist Deutscher, die Auseinandersetzung mit seiner Kultur bereichert mein Leben ungemein.

Das Deutschen-Bashing der anderen nervt, man kommt sich vor wie in einer ewigen Wiederholung von Felix Mitterers „Piefke-Saga“, in der die finanzkräftigen deutschen Besucher den Einheimischen vor allem als dümmlich-überhebliche Okkupanten der schönen Tiroler Bergwelt erscheinen. Alte österreichische Minderwertigkeitsgefühle und Ressentiments kommen nun wieder hoch – auch wenn „die Deutschen“ genauso ein Klischee wie „die Wiener“ oder „die Türken“ sind. Deutsche sind mitten unter uns und machen nach Menschen aus Ex-Jugoslawien und vor den Türken schon die zweitgrößte Einwanderergruppe in Wien aus; österreichweit liegten Deutsche hinter Rumänen und Ungarn auf Platz drei der EU-Zuwanderer.

Noch ist das Phänomen der Zuwanderung aus Deutschland nicht richtig erforscht, aber Migrationsexperten beobachten eine gewisse Ablehnung gegenüber den Deutschen im Land. Das Interessante daran ist, dass die deutsche Sprache für viele Österreicher weniger wichtig ist als ihr lokaler Dialekt – man möchte nicht glauben, wie viele kulturelle Differenzen so zwischen einem Wiener und einem Hamburger entstehen können. Auch „Piefke-Rassismus“ gibt es, und die Stadt Wien veranstaltet tatsächlich Integrationskurse für deutsche Mitbürger. Dort erfahren zugewanderte Deutsche zum Beispiel, dass ihre direkte Art in Österreich unhöflich und autoritär ankommt, weil wir unverbindliche Sätze mögen und lieber eine E-Mail schreiben, als einfach anzurufen.

Klingt komisch, ist aber auch ein wenig traurig. Da muss man sich nicht wundern, dass es heute anscheinend so verdammt schwer für uns ist, als Europäer gemeinsam in Europa zu leben.

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