Immer weniger Babys

Österreich kämpft mit dem Geburtenrückgang - Gründe und Perspektiven

von
Nachwuchs - Immer weniger Babys

In zahlreichen europäischen Ländern verändert sich seit Jahren die Altersstruktur der jeweiligen Bevölkerung. Auch in Österreich sind die Folgen des demografischen Wandels zu spüren: Die Politik steht durch die anhaltend niedrigen Geburtenraten und den steigenden Belastungen für die Sozialversicherungssysteme durch Renten- und Pensionssicherung, Altenbetreuung sowie der Finanzierung des Gesundheitssystems vor großen Herausforderungen. Hinzu kommen zunehmend mehr Singlehaushalte, ein prozentual steigender Anteil von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen aufgrund des fortgeschrittenen Alters sowie eine steigende Anzahl an Zuwanderern. Die Auswirkungen dieser Veränderungen sind gravierend. Während die Politiker nach Perspektiven für die Zukunft suchen, versuchen Forscher und Wissenschaftler die Ursachen für den Wandel zu identifizieren.

© pixabay.com © Silberfuchs (CC0 Public Domain)

Der demografische Wandel stellt Österreich vor zahlreiche Herausforderungen. pixabay.com © Silberfuchs (CC0 Public Domain)

Was ist der demografische Wandel?

Der demografische Wandel ist ein viel diskutiertes gesellschaftspolitisches Thema, nicht nur in Österreich. Dennoch können viele Menschen bis heute wenig mit diesem Begriff anfangen. Laut Wirtschaftskammer Österreich beschreibt der demografische Wandel eine nachhaltige Änderung der Altersstruktur. Der Anteil älterer Menschen steigt, während der Anteil der jungen Menschen und Kinder an der Gesamtbevölkerung immer weiter abnimmt. Dieser Prozess ist in nahezu allen hochentwickelten Industrienationen zu beobachten. Ein Hauptgrund für diese Entwicklung ist der Geburtenrückgang, der bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts verzeichnet werden kann. Prognosen sagen einen anhaltenden Rückgang der Geburtenzahlen für mindestens 50 weitere Jahre voraus. Aufgrund der dadurch sinkenden Zahl potenzieller Mütter ergibt sich eine Abwärtsspirale, die bislang auch durch finanzielle Anreize von staatlicher Seite nicht aufzuhalten war und ist.

Kinderkriegen wird immer unattraktiver

Laut Umfragen wird das Kinderkriegen finanziell immer unattraktiver. Neben der steigenden Emanzipierung von Frauen und dem Wunsch nach Fokussierung auf die berufliche Karriere, trägt auch Finanzielles zur Kinderentscheidung – für oder gegen Kinder - bei. An dieser Stelle hat der Staat in den letzten Jahren versucht, den Kinderwunsch finanziell zu unterstützen. Die gewählten Mittel waren Fördergelder oder steuerliche Vorteile, doch der gewünschte Effekt hat sich bislang nicht eingestellt. Nun begeben sich Wissenschaftler auf die Suche nach den Gründen, welche in einem Wandel der Rollenbilder sowie in der zunehmenden Industrialisierung vermutet werden. Frauen möchten mitunter auch Karriere machen. Beruflicher Erfolg und Kinder unter einen Hut zu bringen, ist häufig schwer und bisweilen kaum möglich. Vor allem, da es in Österreich keinen rechtlichen Anspruch auf KITA-Plätze gibt, wie dies beispielsweise in Deutschland der Fall ist. In Österreich können Eltern unter anderem das Betreuungsgeld beantragen, weitere Informationen sind auf diesem Portal aufgeführt.

© pixabay.com © jakobking85 (CC0 Public Domain)

Die drei K’s wurden durch eines ersetzt – Österreichs Frauen sehnen sich häufiger als vor einigen Jahren nach Karriere statt nach Kindern. pixabay.com © jakobking85 (CC0 Public Domain)

Hinzu kommt der Funktionswandel in der Familie: Kinder werden nicht mehr als kostengünstige Arbeitskräfte benötigt und die Altersvorsorge wird anderweitig getätigt. Der Wunsch nach mehr Wohlstand steigt und Kinder werden hierbei vermehrt als Kostenfaktor wahrgenommen. In einer Gesellschaft, in welcher unter anderem Flexibilität und Mobilität über die Karriere und den Wohlstand entscheiden können, sind Kinder eine unnötige Last. Ein besonders drastisches Beispiel in den Ansichten von Müttern zum Thema Kinderkriegen, wird in der Studie von Dr. Orna Donath aufgezeigt: Sie spricht von Frauen, die es aus den unterschiedlichsten Gründen bereuen, Mutter geworden zu sein.

Auswirkungen des demografischen Wandels bereits sichtbar

Auch wenn die Ursachen noch teilweise unklar sind, die Befürchtungen für die Zukunft machen sich bereits bemerkbar. In einigen Kommunen nimmt der Bedarf an Schulen und Kinderbetreuung zunehmend ab. Pflege- und Altenheime sowie Betreuungseinrichtungen hingegen sind in manchen Orten Mangelware. Ein flächendeckender Ausbau ist teuer und die finanziellen Handlungsspielräume in vielen Bundesländern hierfür sind begrenzt. Durch die Verschiebung der Anteile von Rentnern zu Arbeitenden, fehlt es an Steuereinnahmen, die Anforderungen an Wohnräume verändern sich und die Bevölkerungsentwicklung wird immer mehr durch die verstärkte Zuwanderung beeinflusst.

Dies alles erfordert umfassende Änderungen in der Arbeitsmarkt, Sozial- und Gesundheitspolitik sowie eine nachhaltige Integration. Wenn die entsprechenden Maßnahmen nicht schnell umgesetzt werden, kann es zu einer rückläufigen regionalen Entwicklung der Wirtschaft und zu einer Landflucht der Einwohner kommen. Vor allem der ländliche Raum hat mit diesen Prozessen zu kämpfen.

Perspektiven und Maßnahmen

Es gilt, die Entwicklungen zu erkennen und darauf zu reagieren. Während in den letzten Jahren eher deren Bekämpfung im Mittelpunkt stand, versucht die Politik nun, sich anzupassen. Dabei unterscheiden sich die Maßnahmen je nach Gemeinde stark, eine Patentlösung gibt es nicht. Hierbei kann von anderen Ländern, z.B. von den skandinavischen Ländern, gelernt werden, die die aufgeführten Herausforderungen bislang effektiver und effizienter gemeistert haben als die mitteleuropäischen Industrienationen. Einige Denkansätze und Perspektiven für die Zukunft sind folgende:

1. Rechtliche Rahmenbedingungen schaffen

Der Mix aus staatlichen und gemeindespezifischen Zuständigkeiten sorgt für Verwirrung und einen mangelnden Handlungsspielraum auf beiden Seiten. Während der Bund über Kinderbeihilfen, die Schaffung des Lastenausgleiches und die allgemeine Familienpolitik entscheidet, bleibt den Ländern lediglich die Vollziehung von Säuglings-, Jugend- und Mutterschaftsfürsorge sowie das Kindergarten- und Hortwesen. Eine einheitliche Regelung der Kompetenzen würde Klarheit schaffen und mehr finanzielle Ressourcen für umfassende und langfristige Förderprojekte freigeben.

2. Ressourcenorientierung

Bislang herrscht in der Politik eine Problemorientierung, die vor allem negativ behaftete Defizitstatistiken als Grundlage nimmt, vor. Beispiele sind Kriminalitätsraten, Statistiken über Arbeitslosigkeit oder Belege für einen schlechten Wohnungsbestand. Ressourcenorientierte Daten hingegen geben Aufschluss über die Möglichkeiten einer Gemeinde, die Lebensqualität, soziale Netzwerke und das wirtschaftliche Potenzial. Nur so können eine positive Profilentwicklung und kooperative Kommunalentwicklung entstehen.

3. Aktive Bürger

Der demografische Wandel kann nur mit der Unterstützung der Bürger und Bürgerinnen gelingen. Es geht deshalb darum, freiwillige Hilfen, finanzieller wie personeller Art, zu mobilisieren und das Bewusstsein der Bürger für die Herausforderungen und deren Lösung zu schärfen.

4. Nachhaltige Flächennutzung

Aufgrund der bereits geschilderten Landflucht, werden sich in vielen Gemeinden schon bald leerstehende Räumlichkeiten und Wohnungen auftun. Dies ist eine Chance für neue Nutzungskonzepte zur kontinuierlichen Bestandssicherung.

5. Regionale Zusammenarbeit

Kommunale Zuständigkeiten hin oder her – um die Herausforderungen und Probleme bundesweit in den Griff zu kriegen, bedarf es einer regionalen Planung und Zusammenarbeit. Das Ziel ist, einen ruinösen Wettbewerb der Gemeinden um Einwohner zu verhindern und stattdessen auf die Nutzung von Synergieeffekten zu setzen.

Kommentare