TV: "Bedeutender Fortschritt" bei Gaza-Krieg-Verhandlungen

von TV: "Bedeutender Fortschritt" bei Gaza-Krieg-Verhandlungen © Bild: APA/APA/AFP/MOHAMMED ABED

Aktuell wird über eine Feuerpause verhandelt

Bei den schwierigen internationalen Verhandlungen über eine Feuerpause im Krieg zwischen Israel und der militanten Palästinenserorganisation Hamas in Kairo hat es laut dem ägyptischen Staatsfernsehen "bedeutenden Fortschritt" gegeben. Demnach setzen die Vermittler Ägyptens, Katars sowie der USA und Vertreter der Hamas am Montag ihre Gespräche in der ägyptischen Hauptstadt fort. Sie bemühen sich seit Wochen um ein Abkommen u. a. für eine Waffenruhe vor Beginn des Ramadan.

Der islamische Fastenmonat beginnt in diesem Jahr am Sonntag, 10. bzw. Montag, 11. März. Zentral bei den Verhandlung geht es auch um die Freilassung der immer noch 130 Geiseln in der Gewalt der Hamas im Gazastreifen im Gegenzug für die Freilassung in Israel inhaftierter Palästinenser. Derzeit liegen ausgehandelte Vorschläge auf dem Tisch, wonach die Kämpfe im Gazastreifen für sechs Wochen unterbrochen werden sollen, und auch zum angepeilten Austausch.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte vor der neuen Verhandlungsrunde über einen Geiseldeal ein Einlenken der Hamas gefordert. "Wir unternehmen große Anstrengungen, um erfolgreich zu sein, aber eines ist Ihnen klar - wir werden vor den wahnhaften Forderungen der Hamas nicht kapitulieren", sagte er am Sonntagabend in Tel Aviv. Während US-Vizepräsidentin Kamala Harris eine sofortige Waffenpause forderte, verkündete Israels Armee die Tötung weiterer Terroristen.

Vor Netanyahus Ansprache hatte in Kairo ein weiteres Treffen der Vermittlerstaaten USA, Katar und Ägypten stattgefunden, dem Israel jedoch - anders als die Hamas - zunächst fernblieb. Israel verlangt von den Islamisten zunächst unter anderem eine Liste der noch lebenden Geiseln in ihrer Gewalt. Es sei zu früh, zu sagen, ob es in den nächsten Tagen ein Konzept für einen Deal geben werde, machte Netanyahu deutlich.

Die Hamas besteht auf dem Abzug aller israelischer Truppen aus dem Gazastreifen, während Netanyahu weiter die komplette Vernichtung der islamistischen Terrororganisation verfolgt und dafür auch an den Angriffsplänen für die südliche Stadt Rafah festhält. In der Stadt an der Grenze zu Ägypten haben nach Schätzungen von Hilfsorganisationen inzwischen 1,5 Millionen Menschen Schutz gesucht - das sind mehr als zwei Drittel der im Gazastreifen lebenden rund 2,2 Millionen Einwohner. Sie kampieren auf engstem Raum unter Plastikplanen oder in Zelten teils am Straßenrand. Ein Angriff auf Rafah könnte den Vereinten Nationen zufolge verheerende Folgen haben

Israel will auch wissen, ob die Hamas der im letzten Vorschlag der Vermittler genannten Zahl an palästinensischen Häftlingen zustimmt, die im Austausch gegen Geiseln freizulassen wären. In Medienberichte hatte es zuletzt geheißen, 40 Geiseln könnten gegen 400 Palästinenser in israelischen Gefängnissen ausgetauscht werden. Er habe noch keine Antwort auf seine Fragen bekommen, sagte Netanyahu. Er weise "den internationalen Druck zurück, den Krieg zu beenden", bevor Israel alle Ziele erreicht habe. Ob mit oder ohne neue Vereinbarung, "wir werden bis zum totalen Sieg kämpfen", bekräftigte Netanyahu.

Die Pattsituation bei den schwierigen indirekten Verhandlungen könnte zu einem Problem für die Bemühungen der Vermittler um eine Feuerpause werden. Die in London erscheinende katarische Tageszeitung "Al Araby Al Jadid" zitierte einen ranghohen Hamas-Funktionär mit der Aussage, dass sich seine Organisation nicht zur Herausgabe einer Geiselliste zwingen lasse. "Dafür ist ein hoher Preis zu zahlen, in Form einer Linderung des Leids der Menschen in Gaza und eines umfassenden Waffenstillstands", sagte er der Zeitung mit Blick auf den Vermittlervorschlag, der nach US-Angaben lediglich eine sechswöchige Waffenruhe vorsieht.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris drängte indes auf eine Waffenruhe. "Die Bedrohung, die die Hamas für das israelische Volk darstellt, muss beseitigt werden", sagte Harris am Sonntag in Selma im US-Staat Alabama. Mit Blick auf die laufenden Verhandlungen fügte sie hinzu: "Und angesichts des unermesslichen Ausmaßes des Leids in Gaza muss es eine sofortige Feuerpause mindestens für die nächsten sechs Wochen geben, was derzeit auf dem Tisch liegt."

"Unser Herz bricht (...) für all die unschuldigen Menschen in Gaza, die unter dem leiden, was eindeutig eine humanitäre Katastrophe ist", sagte Harris bei einer Veranstaltung anlässlich des Jahrestags der blutigen, rassistisch motivierten Niederschlagung einer Bürgerrechtsdemonstration durch die Polizei im Jahr 1965. "Die Menschen hungern, die Bedingungen sind unmenschlich", forderte Harris mir ungewöhnlich deutlichen Worten die israelische Regierung auf, deutlich mehr Hilfe in das Küstengebiet zu lassen uns neue Grenzübergänge zu öffnen. Diesbezüglich gebe es "keine Ausreden". Am Montag wollen Harris sowie US-Außenminister Antony Blinken und der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, mit Benny Gantz, Minister in Netanyahus Kriegskabinett, in Washington über den Gaza-Krieg beraten.

Unterdessen wurden die Kämpfe im Gazastreifen am Montag unvermindert fortgesetzt. Bei "gezielten Angriffen" nahe der Stadt Khan Younis wurden nach Angaben des israelischen Militärs innerhalb von einem Tag "15 Terroristen" getötet und Dutzende Verdächtige mit Verbindungen zu bewaffneten palästinensischen Gruppen festgenommen. Die radikalislamische Hamas sprach von "Dutzenden Luftangriffen" und "intensivem Artilleriebeschuss" auf Gebiete im gesamten Gazastreifen. Innerhalb von 24 Stunden seien 124 Menschen getötet worden.

Das israelische Militär gab die Tötung eines für die Rekrutierung von Terroristen zuständigen Hamas-Mitglieds bekannt. Mahmoud Muhammad Abd Khad sei auch an der Beschaffung von Geldern für den Terrorismus und zur Unterstützung der militärischen Aktivitäten der Hamas beteiligt gewesen, teilte die Armee am Sonntagabend mit. Er sei in Zusammenarbeit mit dem israelischen Geheimdienst bei einem Luftangriff im zentralen Abschnitt des abgeriegelten Küstengebiets getötet worden. Schon davor hatte die Armee berichtet, dass bei einem weiteren Einsatz im Norden des Gazastreifens "mehr als 100 Terroristen" getötet worden seien. Zudem seien 35 Einrichtungen der Terroristen der Hamas und des Islamischen Jihad, darunter Waffenlager und Produktionsanlagen, zerstört worden. "Dutzende Terroristen" seien festgenommen worden. Ferner habe die Armee Hunderte Abschussrampen und Abschussvorrichtungen entdeckt und zerstört. Keine dieser Angaben konnte unabhängig überprüft werden.

Im Gazastreifen sind nach neuesten Angaben der dortigen Gesundheitsbehörde seit Beginn der israelischen Militäroffensive mittlerweile mindestens 30.534 Palästinenserinnen und Palästinenser getötet worden. Fast 72.000 Menschen seien verletzt worden, teilte die Behörde am Montag mit. Zum größten Teil handelt es sich um Frauen und Kinder. Die Opferzahlen könnten noch weitaus höher sein, da viele Menschen unter den Trümmern zerstörter Gebäude verschüttet sind. Die Vereinten Nationen haben mehrfach erklärt, sie halten die Angaben der palästinensischen Behörde für realistisch.

Der UNO-Menschenrechtsbeauftragte Volker Türk warnte unterdessen vor einem gefährlichen Übergreifen des Kriegs auf die Nachbarländer. "Ich bin zutiefst besorgt, dass in diesem Pulverfass jeder Funke zu einem viel größeren Flächenbrand führen könnte", erklärte der österreichische Diplomat am Montag in Genf. "Dies hätte Auswirkungen auf alle Länder im Nahen Osten und viele darüber hinaus."