Moskau weist britisches Ultimatum zu vergiftetem Ex-Spion zurück

Lawrow beteuert "Unschuld" Russlands

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"Bevor uns jemand Ultimaten stellt, sollte er seine eigenen Verpflichtungen gemäß dem internationalen Recht erfüllen", sagte Lawrow bei einer Pressekonferenz in Moskau. Demnach hätte Großbritannien gemäß der Chemiewaffenkonvention eine offizielle Anfrage zu dem eingesetzten Nervengift schicken und Russland Zugang zu der Substanz gewähren müssen.

Über eine offizielle Note habe man "Zugang zu dieser Substanz" und zu weiteren Ergebnissen der britischen Ermittler gefordert, sagte Lawrow. "Unsere Anfragen wurden abgelehnt." Russland sei im Fall Skripal "unschuldig" und zur Zusammenarbeit bereit - wenn Großbritannien seinerseits kooperiere.

Zugleich warf der Minister Großbritannien ein Verhalten wie im "Kolonialismus" vor. Außerdem wurde der britische Botschafter in Moskau, Laurie Bristow, ins Außenamt zitiert, wie Lawrows Sprecherin Maria Sacharowa mitteilte. Sacharowa hatte die britischen Vorwürfe zuvor als "Zirkusveranstaltung" bezeichnet.

Die britische Premierministerin Theresa May hatte am Montagabend erklärt, Russland sei "höchstwahrscheinlich" für den Nervengift-Angriff auf den russischen Ex-Agenten Skripal und seine Tochter Julia (Yulia) in Großbritannien verantwortlich. Sie forderte eine Erklärung Russlands gegenüber der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW). Andernfalls drohten Konsequenzen. Das verwendete Gift sei "von militärischer Qualität".

May stellte Moskau ein Ultimatum bis Dienstagabend, sich zu dem Fall zu erklären. Am Mittwoch soll der Nationale Sicherheitsrat in London zusammenkommen, um sich mit den russischen Reaktionen zu befassen und über "die nächsten Schritte zu diskutieren", wie Mays Sprecher sagte. Am Dienstag tagte erneut der Krisenstab Cobra.

Die USA, die EU und die NATO haben sich in dem sich zuspitzenden Konflikt zwischen Großbritannien und Russland hinter London gestellt. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, sicherte London am Dienstag die "unmissverständliche, unerschütterliche und sehr starke europäische Solidarität" zu. Die Verantwortlichen des Giftangriffs müssten bestraft werden.

US-Außenminister Rex Tillerson bekräftigte, bevor er am Dienstag von US-Präsident Donald Trump entlassen wurde, Washington habe "volles Vertrauen" in die britischen Ermittlungen und die Einschätzung, dass Russland wahrscheinlich für die Nervengiftattacke verantwortlich sei. Die USA seien "solidarisch" mit ihren Verbündeten in London.

Eine Sprecherin des französischen Außenministeriums verurteilte eine "absolut inakzeptable Attacke" und sicherte London die Solidarität Frankreichs zu. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte, der Einsatz eines jeden Nervenkampfstoffes sei "abscheulich" und "völlig inakzeptabel". Als "sehr besorgniserregend" bezeichnete der Leiter der Organisation für das Verbot chemischer Waffen, Ahmet Üzümcü, den Fall Skripal.

Der 66-jährige frühere russische Agent und seine 33-jährige Tochter waren am 4. März in Salisbury südwestlich von London bewusstlos auf einer Bank aufgefunden worden. Sie wurden mit lebensgefährlichen Vergiftungserscheinungen in ein Krankenhaus eingeliefert. Der britische Rundfunksender BBC berichtete, die Ermittler gingen inzwischen davon aus, dass das Nervengift in Pulverform über die Lüftung von Skripals Auto verteilt wurde.

Bei dem Angriff war nach britischen Angaben das Nervengift Nowitschok verwendet worden. Die früher in der Sowjetunion produzierte Substanz, die in etwa 100 Varianten vorkommt, zählt zu den gefährlichsten Nervengiften überhaupt.

Der langjährige Geheimdienstoffizier Skripal war 2006 in Russland wegen Spionage für Großbritannien zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Im Zuge einer Austauschaktion zwischen Russland und den USA über den Flughafen Wien kam er 2010 nach Großbritannien.

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