Leichte Muse, fette Kohle

Der NEWS-Report: Wie DJ Ötzi & Co. abcashen - das Ranking der Megaseller

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    1. DJ Ötzi ("Der Coverboy")

    Verkaufte Tonträger: ca. 16 Mio.

    Gage pro Auftritt in Euro: ab 25.000

    Gold: 10, Platin: 18

    „Auch wenn er auf dem deutschsprachigen Markt weniger verkaufte als Andrea Berg, machen ihn seine internationalen Erfolge zur Nummer eins. Top-Live-Entertainer mit unglaublichem Gespür für passende Coverversions. Aber – nach oben kaum noch Luft.“

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    2. Andrea Berg ("Die Bergversetzerin")

    Verkaufte Tonträger: ca. 10 Mio.

    Gage pro Auftritt in Euro: 50.000

    Gold: 8, Platin: 25

    „Sauberfrau in sexy Strapsen, wirkt wie keine andere selbstbewusst und doch verletzlich. Ihre optische Durchschnittlichkeit bietet eine riesige Identifikationsfläche, macht ihre Emotion authentisch. Phänomen Berg ist noch längst nicht am Gipfel.“

Es ist eine denkwürdige Prozession, die sich da aus den Zinshausschluchten der Leopoldstadt gemessenen Schrittes auf den Prater zubewegt: zünftige Burschen in Lederhosen, dralle Fräulein im Dirndl, ausgestattet mit breiter Wiener Mundart, aufgeputzt wie fürs Ausseer Narzissenfest.

Casting für ein Remake des „Försters vom Silberwald“? Almauftrieb im zweiten Hieb? Nein, nur die Jüngerschaft von Andreas Gabalier, der anlässlich der „Wiener Wiesn“ zum Frühschoppen ins Festzelt bittet. „Der ländliche Lifestyle boomt, es geht um ein neues, gesundes Heimatgefühl“, erklärt sich Gabalier den Zulauf. Der 26-jährige Grazer muss es wissen. Denn er ist der neue Shootingstar einer Branche, die angesichts dramatisch rückläufiger Verkaufserlöse auf dem Pop- und Klassiksektor zur letzten Cashcow des Showbiz wurde: die Wunderwelt der volkstümlichen Musik, des volkstümlichen Schlagers.

Einsame Rekorde
Von DJ Ötzi, mit 16 Millionen verkauften Platten weltweit der absolute Megaseller, bis Andrea Berg, die ihr „Best of“-Album seit 460 Wochen in den Charts hält; von Gabalier, dem neuen Sexsymbol der Alpin-Groupies, bis zu Hansi Hinterseer, der im Zuge seiner Fanwanderungen mit 10.000 engen Freunden den Hahnenkamm erklimmt: „Nur noch in der Volksmusik liegt das große Geld, denn da muss man keine aufwendigen Videos produzieren“, ist Mastermind Klaus Bartelmuss überzeugt, der mit Nik P. („Ein Stern“) und Gabalier („I sing a Liad für di“) gleich zwei Stars der neuen Rustikal-Welle produziert und managt.

Almrausch, Alpenglüh’n, Abcashen
Wenn der Nik, der Andreas oder der Hansi singen, dann jodelt die Kasse: Betrachtet man nur den österreichischen Markt, so werden im Bereich Volksmusik/Schlager bereits 20 Millionen Euro pro Jahr umgesetzt – und zwar allein durch den Verkauf von Tonträgern. „Doch grob geschätzt macht das nur ein Fünftel des Gesamtumsatzes aus“, so Universal-Boss Hannes Eder, der mit DJ Ötzi den Branchenprimus unter Vertrag hat. Rechnet man nämlich noch Liveauftritte, TV-Shows und Merchandising dazu, so spielen die Schwergewichte der leichten Muse in Österreich nicht weniger als 100 Millionen (vor Steuern) ein. Zieht man den gesamten deutschsprachigen Absatzmarkt heran, so wird konservativen Schätzungen zufolge jährlich sogar eine halbe Milliarde Euro umgesetzt!

Zahlen, die reflexartig Neider auf den Plan rufen
„Immer wieder höre ich, wie viel Geld ich nicht schon verdient hätte“, ärgert sich etwa Gabalier, der sein erstes Album seit nunmehr 102 Wochen und sein zweites seit 67 Wochen in den Verkaufscharts hält. „Dabei bin ich alles andere als ein materieller Typ.“

Schweigen ist Gold
Wenn’s darum geht, das Bild einer kleinen heilen Welt zu bewahren, wo die Bäche noch klar sind, die Teenager noch „Maderln“ heißen und der Herrgott noch selbst nach dem Rechten sieht, redet keiner gerne über schnöden Mammon. Zumindest nicht über den eigenen. Denn das ist eines der ehernen Branchengesetze: „In einer kalten Welt der Gewinnmaximierung und Umsatzsteigerung soll die Volksmusik ein Hafen bleiben, in den sich die Menschen zurückziehen können“, so Produzent Bartelmuss.

Ein Hafen – oder eben ein Bergplateau, das Hansi Hinterseer im Rahmen seiner Fanwanderung Jahr für Jahr mit einer Tausendschaft trittfester Jünger erklimmt. Allein, ob der Massenaufmarsch auch im nächsten Jahr stattfindet, ist fraglich, denn Kitzbühels größter Sohn ist verschnupft. „Der Boden, auf dem diese Veranstaltung gewachsen ist, ist nicht mehr derselbe“, lässt ein aufgewühlter Hansi auf seiner Homepage verlautbaren. Hintergrund: Aus dem Tourismusverband war durchgesickert, dass Hinterseer statt der bisherigen 350.000 Euro fürs nächste Jahr angeblich gerne 500.000 Startgeld hätte.

I bin so schön, i bin so toll, drum is a mei Konto voll!
Das spielt’s in der Branche so nicht, obwohl’s der Wahrheit entspricht: Denn gerade wegen ihrer fetten Einnahmen dürfen die Damen und Herren Volksmusikanten nicht wie ihre Kollegen aus dem Pop-Biz mit Arroganz und Unnahbarkeit kokettieren und zur Eigen-PR mit Skandälchen hausieren gehen. Im Gegenteil: „Im Prinzip befindet sich ein erfolgreicher Volksmusikstar im Dauerwahlkampf“, meint Hannes Eder. Bis zu 250 größere und kleinere Gigs in Zelten, Festhallen und TV-Shows absolvieren die fidelen Spielleut’ jährlich. „Bisher war ich heuer gerade vier Tage daheim“, bilanziert Gabalier, der allein im eigenen Auto jährlich an die 80.000 Kilometer herunterspult.

Triumph des Durchschnitts
Und zwar am besten bescheiden wie ein kleiner Handelsvertreter, denn: „Extrem herausragender Starruhm ist nicht gefragt, viele Größen der Branche sehen aus wie der eigene Nachbar, vielleicht sogar ein bisschen ärmer und älter“, analysiert Medienpsychologe Peter Vitouch. „Das Durchschnittliche ist gefragt, die Distanz zum Konsumenten darf nicht zu groß werden.“

Denn nur wenn das Liveund Playback-Werkel so richtig läuft, fließt auch das große Geld. Bis zu 50.000 Euro werden Top-Acts wie Andrea Berg, Semino Rossi oder DJ Ötzi pro Auftritt überwiesen, zudem wird ein erklecklicher Teil der Records über die Verkaufsstände in den Hallen abgesetzt.

„Ein Knochenjob“
so Künstlermanager Herbert Fechter, der mit Gerry Friedle alias DJ Ötzi zur Zeit seiner ersten großen Erfolge kreuz und quer durch die Lande zog. „Dennoch fällt auch für die unzähligen kleinen Formationen, die am großen Boom mitnaschen, noch immer mehr Geld ab, als wenn sie im Büro sitzen oder im Stall stehen würden.“

Entzückt & entrückt
Dirndln vom Kindergarten- bis zum Rentenalter, die so entzückt brüllen und entrückt schauen, als hätte sich Elvis persönlich zu ihnen herabgeschwungen. Tatsächlich jedoch ist’s Andreas Gabalier, der da in Lederhosen mit den Hüften schwingt, den Hosenträgern schnalzt und dem Hintern wackelt. Und dem mitunter sogar BHs zufliegen. – Warum? „Ich glaube, dass uns in unserer turbulenten Welt die Romantik verloren gegangen ist, nach der sich so viele sehnen“, meint der spitzbübische King of Kernölland. Und: „Hör dir doch die Charts an, alles nur Remixes, alles kracht mordsmäßig.“

Der mordsmäßige Krach einer bösen, fremden Welt voller Raffzähne, Spekulanten und Fanatiker. Die Schattenseiten der Globalisierung und die diffusen Ängste, die sie auslöst – und die volkstümliche Musik als anheimelnd regionalisiertes Gegenstück. „Die Leute greifen heute lieber auf das Gewohnte zurück, das vermittelt ihnen Sicherheit und Verlässlichkeit“, glaubt „Ötzi“ Gerry Friedle.

„Von der Politik bis zur Religion, wenn man den Fernseher aufdreht, wird einem nur noch Angst gemacht.“ Ausnahme: „Unsere Musik, die ist nicht zum Fürchten, in ihr kann man sich wohlfühlen.“ Wenn man sie mag. Medienpsychologe Peter Vitouch: „In den meisten Fällen ist es immer wieder das Gleiche; der Text, das Thema und die Melodie ändern sich geringfügig, aber nicht die Vorgaben der Rhythmusmaschine. Alles bleibt im gewohnten Rahmen.“ – „Gelernte Hilflosigkeit“ nenne man in der Sozialpsychologie diese Fokussierung auf kontrollierbare, vorhersagbare Inhalte.

Wie erdrückend jedoch das Korsett der selbst produzierten Klischees werden kann und was passiert, wenn man’s durchbricht, haben dieser Tage Stefan Mross und Stefanie Hertel zu spüren bekommen. Er hat eine neue Blondine, sie nahm sich nach 17 Jahren an der Seite des bayerischen Trompeters einen Berliner Gitarristen. Der schöne Schein der Lebensfreunde, die kraft der Musik zu Liebenden geworden waren, er war nicht länger aufrechtzuerhalten.

Das Heino-Pamphlet
„Ehe-Aus!“, brüllt die „Bild“-Zeitung. Und „Betrug!“, brüllt Heino, weil die beiden trotz privater Trennung auf der Bühne weiter ein Pärchen geben wollen. „So a Stückerl heile Welt“ war der Hit, der Hertel berühmt gemacht hatte. „Das war’s dann wohl mit der heilen Volksmusik-Welt“, ätzt nun der deutsche Boulevard. Die Geister, die sie rief, haben sie überholt. Da helfen nur noch Millionen. Und Melodien von einer besseren Welt.

Kommentare

Zwischen Schlager und Volksmusik unterscheiden! Ich finde es sehr schade, dass in dieser Musiksparte immer alle Artisten in den gleichen Topf geworfen werden. Es käme ja sonst auch keiner auf die Idee, Britney Spears mit den Rolling Stones zu vergleichen. So jemanden wie DJ Ötzi oder wie mein Vorposter schon geschrieben hat Andrea Berg zählen einfach nicht zu dieser Sparte. Das ist Bierzeltmusik, das ist Schlagermusik- aber sicher keine Volksmusik. Da wird nicht Playback gesungen oder eine große Show aufgezogen! Mir persönlich gefällt richtige Volksmusik bzw. teilweise auch Kammermusik viel besser. Die Atmosphäre auf solchen Konzerten ist viel gemütlicher, persönlicher, familiärer, freundlicher als anderswo. Werde mir im Dezember auf jeden Fall den Original Salzburger Advent in der Stadthalle ansehen!

Ja es gibt einen Unterschied zwischen Schlager und Volksmusik!! Ich wäre ja beim Cover des letzten News fast ausgezuckt. Andrea Berg, DJ Ötzi und darunter die Überschrift Millionen-Business VOLKSMUSIK. Es ist eine Beleidigung für alle echten Volksmusikanten, die weder Playback singen, trashige Oktoberfesttrachten tragen oder Pseudodialekt singen mit diesen Herrschaften in einem Atemzug genannt zu werden. Auch ist es eine Frechheit eine begnadete Musikanten wie Stefanie Hertel auf eine Blondinenebene wie Hansi Hinterseer zu heben. Es gibt noch immer die Begriffe volkstümliche Musik und Schlager, bitte liebe News Redakteure überlegen Sie sich das nächste Mal genauer was Sie schreiben

Jaja, wenn Dummheit weh tun würde, müsste der Diiii Di dscheiiii immer schreien und könnte somit nicht singen. Das wäre doch schön, oddddrrrr ????

derpradler
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traurig, wenn eine Zeitung wie diese, nicht zwischen "Volksmusik" und VolksDümmlicher" Musik unterscheidet. Einen Ötzi der Volksmusik zuordnen, das tut weh!

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Re: traurig, RICHTIG! Aber diesen Unterschied erkennt nur, wer sich wirklich für Musik interessiert und nicht nur für die Klatschpressefressen und deren Geschäft!

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