Prozess im Mordfall "Sissy" vertagt

Der Prozess gegen den 27-jährigen Lotfi D. wurde aus formalen Gründen verlegt

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    Der Verdächtige Anas Z. wurde in Frankreich festgenommen. Er soll die 48-jährige Elisabeth W. ermordet haben.

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    Die Frau ist am 17. September erdrosselt in ihrer Wohnung in Wien aufgefunden worden.

Da nach Ansicht von Richterin Bettina Körber dieses Versäumnis nachgeholt werden muss, um das Verfahren gesetzmäßig fortführen zu können, wurde die Verhandlung auf den 9. Oktober verlegt.

Während Staatsanwalt Leopold Bien am 27-jährigen Lotfi D., dem er Raubmord anlastet, kaum ein gutes Haar ließ, betonte dessen Anwalt, Farid Rifaat, sein Mandant habe kein Motiv gehabt, die wohlhabende 48-Jährige zu töten. Im Gegenteil, hätte sich diese doch spendabel und freigiebig gezeigt: "Es wäre das Dümmste für ihn, den Goldesel zu schlachten. Sie war für ihn - den Asylwerber, den Gelegenheitsarbeiter - eine Lebensversicherung."

Wohlstand und Geld
Laut Staatsanwalt soll der gut aussehende Tunesier ("Er wusste wohl, dass sein Hauptkapital sein gewinnendes Äußeres war") in der Nacht auf den 10. September 2011 in der Diskothek "Take Five" gezielt Kontakt zu Elisabeth W. aufgenommen haben, die dort Stammgast war. Er habe in der lebenslustigen, gut angezogenen, um mehr als 20 Jahre älteren Frau "Wohlstand und Geld gesehen" und daher ihre Nähe gesucht, sagte Bien.

Tatsächlich übernachtete Lotfi D. wenige Tage später erstmals bei der gut situierten 48-Jährigen. Einer Bekannten fiel auf, dass er plötzlich über ungewöhnlich viel Bargeld verfügte, neu eingekleidet war und einen teuren Ipod besaß.

Alkohol, Sex und Nikotin
Fest steht, dass der 27-Jährige auch die Nacht auf den 15. September bei der Frau verbrachte und dass die Stunden von "ausgiebigem Alkohol, Sex und Nikotin" (Verteidiger Rifaat) geprägt waren. Als Lotfi D. am frühen Morgen die Wohnung in der Rauhensteingasse verließ, soll seiner Darstellung zufolge Elisabeth W. aber noch gelebt haben.

Für den Staatsanwalt eine reine Schutzbehauptung. Der Angeklagte habe der 48-Jährigen zunächst "ein wahres Martyrium" angetan, um in den Besitz ihres wertvollen Schmucks und sonstiger Wertgegenstände zu gelangen. Er habe ihr wuchtige Faustschläge und Tritte ins Gesicht versetzt, die zu diesem Zeitpunkt an Armen und Beinen Gefesselte geknebelt und sie schließlich mit seinem eigenen Ledergürtel erdrosselt.

Graues Umfeld
Der Verteidiger brachte demgegenüber bisher unbekannte Personen ins Spiel, die in die Wohnung gelangt sein und laut Rifaat den Mord begangen haben sollen, nachdem Lotfi D. diese verlassen hatte. Man müsse "das graue Umfeld im Leben dieser Frau" näher untersuchen, verlangte der Anwalt. Diese habe zahllose Bekanntschaften unterhalten und beispielsweise Kellnern und Türstehern in Nachtlokalen gemeinsame Luxus-Urlaube versprochen.

Vor allem verwies Rifaat auf mehrere Haare, die am Unterarm der Leiche sichergestellt wurden, die nicht dem Angeklagten zugeordnet werden konnten. Das belege, dass Elisabeth W. noch zuletzt in Kontakt mit anderen Menschen gekommen sei. Auch an ihrem Handy-Ladegerät hätten sich DNA-Spuren einer bisher unbekannten Person gefunden, so Rifaat.

Belastendes Beweismaterial
Demgegenüber führte der Staatsanwalt das sichergestellte DNA-Material als den Angeklagten belastendes Argument ins Treffen. Am Ledergürtel - der Tatwaffe -, Schmuckschatullen und am Leintuch hätten sich ausschließlich Spuren des Mannes und der Toten und keiner dritten Person gefunden. Und Stunden nach dem Ableben von Elisabeth W. habe der 27-Jährige einem Bekannten Schmuckstücke aus deren Besitz und einen Laptop gezeigt, die er aus der Wohnung entwendet habe.

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