Merkel will Spaltung
der Gesellschaft überwinden

Kanzlerin nennt Regierungsziel für die kommenden Jahre

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"Ich werde jeden Tag von morgens bis abends meine ganze Kraft und Energie nach bestem Wissen und Gewissen dafür einsetzen, das Beste für die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, für alle Menschen in unserem Land zu erreichen", sagte die seit dem Jahr 2005 amtierende Merkel.

Sie wolle alles dafür tun, dass die Menschen am Ende der Legislaturperiode sagten, "die in Berlin" hätten aus dem Wahlergebnis 2017 etwas gelernt und viel Konkretes für die Bevölkerung erreicht, sagte Merkel zum Abschluss ihrer Rede. Am Ende solle die Bilanz gezogen werden: "Die Gesellschaft ist menschlicher geworden. Spaltungen und Polarisierungen konnten verringert, vielleicht sogar überwunden werden. Und Zusammenhalt ist neu gewachsen."

Die großen Herausforderungen der letzten Jahre wie die Flüchtlingskrise und die Instabilität des Euro hätten Deutschland "in beispielloser Weise gefordert", sagte die am vergangenen Mittwoch wiedergewählte Regierungschefin. Allein die Tatsache, dass es nach der Bundestagswahl im September so lange wie noch nie in der Geschichte Bundesrepublik bis zu einer Regierungsbildung gedauert habe, deute darauf hin, dass sich "in unserem Land offenkundig etwas verändert hat", sagte Merkel.

Merkel rechtfertigte die Entscheidung, in den Jahren 2015 und 2016 hunderttausende Flüchtlinge besonders aus dem Bürgerkriegsland Syrien aufzunehmen. "Wir haben sie als Menschen in der Not aufgenommen", unterstrich sie. "Unser Land kann stolz darauf sein." Merkel betonte aber auch, dass dies eine humanitäre Ausnahmesituation bleiben müsse. "Wir müssen Fluchtursachen entschieden bekämpfen", sagte Merkel, die auch scharfe Kritik an der Rolle der Türkei, Russlands und des Assad-Regimes im Syrien-Krieg übte.

Deutschland stehe gut da und es gehe dem Land so gut wie seit der Wiedervereinigung nicht, sagte die Kanzlerin. Viele Menschen machten sich aber Sorgen um die Zukunft und der Ton in der Gesellschaft sei rauer geworden. In der Bevölkerung werde die Frage gestellt nach dem Funktionieren des Rechtsstaats und danach, ob die soziale Marktwirtschaft ihr Wohlstandsversprechen einhalten könne.

Diese Unsicherheiten in der Bevölkerung hätten auch die Regierungsparteien CDU, CSU und SPD bei der Bundestagswahl vor einem halben Jahr "zu spüren bekommen", fügte die Kanzlerin im Hinblick auf die Stimmenverluste der Parteien der Großen Koalition hinzu. In den Verhandlungen über eine Regierungsbildung habe die Parteien daher die Frage beschäftigt, "wie wir die richtigen Antworten geben können".

Daher ziehe sich die Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts wie "ein roter Faden" durch den Koalitionsvertrag, sagte Merkel. Es sei das erklärte Ziel der Großen Koalition, die Spaltung in der Gesellschaft zu überwinden. "Im Ergebnis wollen wir einen neuen Zusammenhalt schaffen", kündigte die Regierungschefin an. Die gute Entwicklung der deutschen Wirtschaft werde allen in Deutschland zugute kommen.

Merkel ging auch auf die aktuelle Debatte über den Islam in Deutschland ein. "Es steht völlig außer Frage, dass die historische Prägung unseres Landes christlich und jüdisch ist", sagte die Kanzlerin. Richtig sei aber auch, dass die Religion der 4,5 Millionen Muslime hierzulande "inzwischen ein Teil Deutschlands geworden ist".

Sie wisse, "dass viele ein Problem damit haben, diesen Gedanken anzunehmen und das ist auch ihr gutes Recht", fügte die CDU-Vorsitzende hinzu. Die Bundesregierung habe eine ganz bestimmte Verantwortung, alle Diskussionen so zu führen, dass am Ende der Zusammenhalt der Gesellschaft "größer und nicht kleiner wird".

Der neue Innenminister Horst Seehofer (CSU) hatte in der vergangenen Woche gesagt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Damit stieß er eine erneute Diskussion um den Islam an und handelte sich den Vorwurf ein, mit solchen Aussagen die Gesellschaft zu spalten.

Überraschend mit Lob reagierte der rechtspopulistische Oppositionsführer Alexander Gauland auf die Regierungserklärung Merkels. Er hätte sich zwar ein bisschen mehr Pathos oder Tiefgang gewünscht, sagte der Fraktionschef der "Alternative für Deutschland" als Eröffnungsredner der Generaldebatte über Merkels Erklärung. "Aber Sie haben das erste Mal wieder von Deutschen gesprochen. Das ist der Erfolg der AfD." Allerdings kritisierte Gauland neuerlich Merkels Flüchtlingspolitik, die Europa spalte. Außerdem tue die Kanzlerin nichts für die Kontrolle der Zuwanderung. "Die Masseneinwanderung geht ungebremst weiter, (...) alleine der Zufall und die Wetterkonditionen auf dem Mittelmeer entscheiden über die Zahl der Neuankömmlinge", sagte Gauland, dessen AfD die größte Oppositionspartei im Bundestag ist.

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