Streit um Karlheinz Böhms Erbe

Wedekind: "Böhms Lebenswerk darf nicht von Orientierungslosen zerstört werden"

von Almaz und Karlheinz Böhm in Äthiopien © Bild: APA/Menschen für Menschen/Kwiotek/

NEWS: Sie sind nicht nur die Böhm-Biografin, Sie galten auch als enge Freundin der Familie, saßen sogar im Kuratorium von „Menschen für Menschen“. Jetzt haben Sie Ihren Sitz zurückgelegt. Was ist passiert?
Wedekind: Ich kannte Karlheinz Böhm seit 1984 und schätze das Konzept von MfM sehr. Im Mai wurde ich von Karlheinz und Almaz Böhm in das Kuratorium der Stiftung berufen, habe im Sommer 2012 mein Mandat zunächst ruhen lassen. Vor sechs Wochen habe ich mich aber entschlossen, meinen Sitz im Kuratorium ganz niederzulegen. Der aktuelle Anlass war die Mail eines Vorstandsmitglieds, das mich wegen meiner kritischen Haltung geradezu bedrohte.

NEWS: Was werfen Sie konkret dem Vorstand von MfM vor?
Wedekind: Ausschlaggebend war für mich eine gemeinsame Sitzung von Stiftungsrat, Stiftungsvorstand und Stiftungskuratorium in München im Mai 2012, als Visionalisierungen und Zahlen zum Neubau des (unzweifelhaft notwendigen) Verwaltungsgebäudes in Addis Abeba auf den Tisch kamen, die uns die Hände vor dem Kopf zusammenschlagen ließen. Richtig entzündet hat sich die Diskussion dann an der Frage: Wieso gehen die Verantwortlichen mit dem Geld der Stiftung so verschwenderisch um? Das Gebäude sollte inklusive eines Budgetnachtrags rund 2,9 Millionen kosten. Als Kuratoriumsmitglied Jürgen Wagentrotz, selbst ein erfahrener Bauträger, seine Finanzierungszusage in Höhe von 800.000 Euro zurücknahm, konnten die Kosten plötzlich auf offiziell 1,1 Millionen reduziert werden. Auf die Frage, warum nicht gleich so, gibt es bis heute keine schlüssige Antwort.

NEWS: Überteuerung, mangelnde Transparenz, Verschwendung: MfM werden bald die allerletzten Spender davonlaufen.
Wedekind: Wenn sich der Vorstand entschließen könnte, neben den geäußerten Vorwürfen auch die Gesamtstruktur der Stiftung kritisch zu durchleuchten, dann kann MfM mit Sicherheit die Spender zurück gewinnen. Da ist die deutsche UNICEF seinerzeit mit gutem Beispiel voran gegangen. Denn grundsätzlich ist die Arbeit von MfM in Äthiopien ja überaus sinnvoll und fruchtbar.

NEWS: Sollte Almaz Böhm abgelöst werden?
Wedekind: Sie braucht professionelle Unterstützung, besonders auch, nachdem der Geschäftsführer von MfM Deutschland im Zusammenhang mit den Vorwürfen über die Verwendung der acht Millionen des Spenders Jürgen Wagentrotz an der Bilanz von MfM vorbei zurücktreten musste. Leider hat der Vorstand, nachdem er ihr noch im Herbst einen zweiten hauptamtlichen Vorstand als Stellvertreter an die Seite stellen wollte, von diesem Vorhaben mittlerweile wieder Abstand genommen.

NEWS: Hat MfM unter diesen Prämissen noch eine Zukunft?
Wedekind: Aber ja, MfM muss sich „nur“ zu einer grundlegenden Reorganisation entschließen. Die Zeiten einer starken Identifikations- Persönlichkeit, wie Karlheinz Böhm es war, sind endgültig vorbei. Eine Veränderung der Organisation ist überfällig. Das Lebenswerk von Karlheinz Böhm und die Millionen von Menschen, denen MfM in den vergangenen 32 Jahren eine bessere Zukunft ermöglicht hat, dürfen keinen Schaden nehmen, nur weil die aktuellen Verantwortlichen den Überblick verloren haben.

Weitere interessante Details zum Streit um Karlheinz Böhms Erbe, was der Österreich-Chef von "Menschen für Menschen" dazu sagt und mehr lesen Sie in NEWS 13/14!

Kommentare

Die Geier lauern leider überall. So auch bei den Hilfsorganisationen. Bedauerlich dabei ist, daß durch die Gier eigentlich "satter" Mitteleuropäer den wirklich Notleidenden mögliche Hilfestellungen verwehrt werden. Dies ist umso tragischer, als daß solche Meldungen zu einer generellen Reduktion des Spendenaufkommens führen werden.

Beate Wedekind

@warlord. Der Vergleich wurde von Menschen für Menschen selbst so erstellt. Sicher wäre ein Preisvergleich heute sehr viel interessanter, den hat Menschen für Menschen aber nicht parat. Hier ist ein Beispiel einer Kirchengemeinde, die mit kleinen Mitteln eine große Schule gebaut hat und betreut. http://www.ekg-ebersheim.de/assets/Uploads/FlyerAethiopienJuli2011fuerAethiopien1.pdf?PHPSESSID=3cd3599

Ignaz-Kutschnberger

@Wedekind ...also, ehrlich gesagt, ist es nicht relevant, was eine Schule vor 30 Jahren gekostet hat, sondern die Preise der letzten 4 Jahre! 1980 haben Sie bei uns auch noch um 50 Schilling ein Mittagessen bekommen und heute zahlens dafür das Doppelte!! Transparenz ist allerdings WICHTIG...in dem Punkt stimme ich mit Ihnen überein.

Wie etwas gutes groß wird und ihre benötigten Mitarbeiter nicht mehr mit Herz und Seele dabei sind und mit dem anvertrauten Spendengeld unnötig verschwenderisch umgehen, ist eine gute Sache suspekt und verloren. Schade drum, der Anfang war gut.

Beate Wedekind

Forts. ... kleinerer – Stiftungen, die für vergleichbare Schulen weniger als die Hälfte bezahlen, entsteht, wurde ebenfalls bis heute nicht beantwortet."
Beate Wedekind

Beate Wedekind

Forts. ....Wie gross diese Schule ist, wie viele Klassenzimmer sie hat, wird nicht gesagt. De facto ist es so, dass dieser „Richtwert“ überteuert ist. Die Stiftung hat nun auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung aus Beispielen von 30 Jahren Schulbau Durchschnittskosten von 130.000 Euro errechnet. Wie die Diskrepanz zwischen den Baukosten, die MfM an Bauunternehmer bezahlt und denen anderer ...

Beate Wedekind

Forts. ..., auch wenn der Vorstand das öffentlich behauptet. Mein Hauptvorwurf an den MfM-Vorstand ist fehlende Transparenz, nicht nur den Spendern, sondern auch den Gremien gegenüber."
Zu den Kosten der Schulbauten:
„Den Spendern wird durch die MfM-eigenen Medien wie z.B. auf der Webseite und dem Spender-Magazin Nagaya kommuniziert, dass „eine Schule“ in Äthiopien rund 240.000 Euro koste ...

Beate Wedekind

Leider mussten einige entscheidende Sätze aus dem Interview aus Platzgründen heraus gekürzt worden:
„Es geht bei der Auseinandersetzung nicht um eine Privatfehde eines Großspenders und der MfM-Vorstandsvorsitzenden Almaz Böhm, sondern um ernsthafte Vorwürfe gegen den Vorstand in Bezug auf die ordnungsgemäße Verwendung der Spendengelder. Und die sind bis heute nicht glaubwürdig entkräftet worden

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