Die Tränen des großen Clowns

Der Cartoonist spricht mit NEWS über sein neues Buch, die Politik und sein Leben

von Manfred Deix - Die Tränen des großen Clowns © Bild: NEWS/Ricardo Herrgott

COPD, mit vollem, hässlichem Namen „chronic obstructive pulmonary disease“: die chronisch obstruktive Lungenerkrankung, die einem den Atem nimmt, bis man vor Erstickungsangst schreit. Nach dem Aufstehen war es am schlimmsten. „Da denkst du, du stirbst.“ Jetzt schafft ein Inhalationsspray, den er immer bei sich trägt, Linderung. Es gibt wieder Hoffnung auf Besserung. „Aber es fällt mir nicht mehr so leicht, lustig zu sein, was ja ein Grundelement meiner Arbeit ist. Das macht das Arbeiten etwas schwerer. Es setzt mir zu, und es ist permanent vorhanden. Die Krankheit hemmt, stoppt, macht etwas in der Seele kaputt. Darunter leide ich.“

Das Elend der faden Politiker

Seine Cartoons, die er nicht wie einst mit verschwenderischer Hand fertigt, erscheinen nun exklusiv in NEWS, und so geht hier wöchentlich ein Stückchen Kulturgeschichte in Szene. Nach sechs Jahren ist, bei Ueberreuter, wieder eines der ­klassischen „Deix-Bücher“ erschienen, eine Blütenlese von den Anfängen bis ­heute: „Für immer Deix!“ heißt es, und sein Anlass ist die neue Hängung seiner Werke im eigenen Museum in Krems. „So wichtig bin ich nicht“, wehrt er die Frage nach der Unsterblichkeit ab, zumal sie ja ursächlich auch den Problemkreis der Sterblichkeit einschließt. „Ich bin absolut ehrgeizlos. Mir hat immer genügt, was ich erreicht habe. Ich hatte nie diese Gier, mich zu steigern, ein ganz Wichtiger zu werden. Aber irgendwo“, fügt er hinzu, „habe ich mein Plätzchen in der Kulturgeschichte Österreichs reserviert.“ Etwas Phänomenales ist ihm ja gelungen: den österreichischen Menschen fotorealistisch und prototypisch darzustellen und aus dem, was immer schon da war, etwas Neues, Sprichwörtliches zu erschaffen.

"Fischer? Tote Hose, ebenso wie Strache"

Dieser österreichische Mensch mit seinen Obsessionen und Perversionen rettet ihn aus der aktuellen Malaise. Nie, klagt er, habe er sich der Außenpolitik zugewandt, wohlversorgt wähnte er sich durch das politische Leben in der Heimat. Und jetzt? „Wie fad alles geworden ist! Faymann – wie lang regiert der jetzt schon? – ist bei mir einmal vorgekommen, und Spindelegger gar nicht, weil ich mir die Mühe nicht machen wollte. Ich mache das schon seit 40 Jahren. Früher waren die Leute bunter, böser, stinkender, da war echt was los. Heute ist alles so bieder und zurechtgebügelt, dass ich keine Angriffsflächen mehr finde. Den Leuten würde das Gesicht einschlafen, wenn ich diese Typen zeichne.“ Waldheim und der von den Hormonen gepeitschte Klestil waren Repräsentanten des goldenen Zeitalters. Fischer? Tote Hose, ebenso wie Strache. Stronach? „Da kriege ich auch keinen Steifen.“ Leichte erektile Anwandlungen gewährleistete zuletzt Strasser. „Zeichnerisch leider eine undankbare Figur. Ich merke an mir die Unlust, wenn ich mir die Typen vornehme, um dazu etwas zu konstruieren, mir eine Geschichte zu überlegen.“ Aber, ja: Strassers Englisch und die Sache mit dem Geheimdienst, die hätten etwas. Nur: Wie lange bleibt der 100.000-Euro-Mann im öffentlichen Bewusstsein, bis er, wer weiß wohin, verschwindet?

Es bleibt der Sex

Sein Museum in Krems, ja, das schafft Lebensfreude. Gern, sagt er, besucht er seine ständige Schausammlung im ersten Stock. „Ich sehe, dass sich die Leute kaputtlachen, wenn sie meine Bilder anschauen, und dann knie ich manchmal vor einem hin und putze ihm mit dem Papiertaschentuch die Schuhe.“Dergleichen zählt mehr als die Aussage des Karikaturisten Tex Rubinowitz, der den großen Kollegen als einen Mann von gestern qualifizierte. „Es kommt immer darauf an, wer das sagt. Rubinowitz ist für mich mittelmäßig begabt, halb­originell und nicht bemerkenswert. Das zählt nicht wirklich. Seine kreativste Leistung war die Findung seines Pseudonyms. Auch nicht aufregend, aber seien wir froh, dass er überhaupt etwas geschafft hat.“

Es bleiben die Lebenskonstanten

Marietta, die Ehefrau, die nur noch 48 statt 96 Katzen auf dem 3.000-Quadratmeter-Grundstück in Klosterneuburg/Weidling, die nur noch 80 statt 120 Zigaretten, obwohl doch nicht einmal eine erlaubt wäre. Und, ja, die Sexualität des Österreichers. „Ein geballtes, allzeit beherrschendes Thema. Das hat es vor mir nicht gegeben“, sagt Manfred Deix, der Unsterbliche.

„Für immer Deix!“ Werkschau seit den Anfängen zur Dauerausstellung im Deix-Museum - Ueberreuter, 26 Euro

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