Labour-Chef Corbyn bringt sich für Regierungsübernahme in Stellung

Oppositionschef will Großbritannien mit "radikalem Plan" umbauen

von

Der konservativen Regierung warf er "sozialen Vandalismus" und "Pfusch" bei den Brexit-Verhandlungen vor. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik will Corbyn sein Land nach links führen.

"Jeder Wahlkreis, jede Gemeinde soll wissen, dass Labour bereit ist", sagte Corbyn vor den Delegierten in Liverpool. In einem Jahr werde Labour zum nächsten Parteitag zusammenkommen - "als Regierungspartei". Seine Regierung werde dann einen "radikalen Plan zum Wiederauf- und Umbau unseres Landes" verfolgen.

Den Schwerpunkt seiner Rede legte Corbyn auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik. Weniger ausführlich sprach er zum Thema Brexit, bei dem die Partei gespalten ist. Zu dem Wunsch vieler Delegierter nach einem weiteren Referendum, mit dem der Brexit verhindert oder modifiziert werden könnte, äußerte sich Corbyn nicht direkt.

Der Parteichef referierte lediglich den am Vorabend von den Delegierten angenommenen Kompromissvorschlag, wonach beim Brexit "alle Optionen auf dem Tisch" seien - auch ein Referendum. Vordringliches Ziel von Labour sei aber die Ablösung der Regierung durch Neuwahlen, sagte Corbyn.

Wenn die konservative Premierministerin Theresa May in Brüssel kein zustimmungsfähiges Brexit-Abkommen aushandeln kann, "dann muss sie ihren Platz für eine Partei räumen, die das kann", sagte Corbyn. Neuwahlen seien dann fällig, wenn May für das Brexit-Abkommen im Unterhaus keine Mehrheit bekäme - angesichts der vielen Kritiker innerhalb der Konservativen ist das ein durchaus plausibles Szenario.

May erteilte dem allerdings eine klare Absage. Neuwahlen wären "nicht im Interesse des Landes", sagte sie in New York. Dort warb sie mit dem Versprechen niedriger Unternehmenssteuern um Investitionen der internationalen Wirtschaft nach dem Brexit.

Corbyn hat andere Vorstellungen: Nach der Ablösung der konservativen Regierung werde Labour einen "radikalen Plan" umsetzen, kündigte er auf dem Parteitag an.

Wirtschaftssektoren wie die Bahn und die Wasserwerke müssten wieder verstaatlicht werden, Unternehmen müssten einen Teil ihres Kapitals der Belegschaft überschreiben, die staatliche Sparpolitik müsse enden, und für die ökologische Wende sollten 400.000 "grüne Jobs" geschaffen werden.

Das marktliberale "System der Gier, des entfesselten Finanzkapitalismus" sei implodiert, sagte Corbyn. "Die alte Politik funktioniert nicht mehr."

Die Labour-Führung hatte sich auf dem Parteitag bemüht, die Aufmerksamkeit vom strittigen Thema Brexit abzulenken - mit mäßigem Erfolg. Viele Delegierte und ein Teil der Parteibasis - vor allem die proeuropäischen Jüngeren - wollen ein weiteres Brexit-Referendum. Der Linke Corbyn war immer schon EU-skeptisch, einem neuen Referendum kann er wenig abgewinnen. Die Partei einigte sich in Liverpool darauf, sich ein neues Referendum als eine von mehreren Optionen offenzuhalten.

Weiteres Streitthema in der Partei sind die anhaltenden Vorwürfe des Antisemitismus. Befeuert wurde dieser Streit auch dadurch, dass sich Corbyn wegen früherer Äußerungen, Taten und Kontakte immer wieder dem Vorwurf des Antisemitismus ausgesetzt sah. Corbyn zählt zum Linksaußen-Flügel der Partei, der als äußerst pro-palästinensisch gilt.

Der Antisemitismus-Streit habe "immense Verletzungen und Ängste in der jüdischen Gemeinschaft hervorgerufen und zu großem Unmut in der Partei geführt", sagte Corbyn vor den Delegierten. "Ich hoffe, wir können zusammen einen Schlussstrich ziehen."

Kommentare