Kurz trifft Netanyahu und hält Rede vor dem American Jewish Committee

Einladung von Holocaust-Überlebenden nach Österreich

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Nachdem die schwarzblaue Koalition im Dezember 2017 besiegelt worden war, hatte Israel angekündigt, die Beziehungen zur Regierung neu zu bewerten. Bis dahin solle es nur "Kontakte zu den Beamten in den Ministerien, in denen kein FPÖ-Minister an der Spitze steht", geben. Auch die von der FPÖ nominierte parteifreie Außenministerin Karin Kneissl ist davon betroffen.

Kurz selber sagt, dies sei eine "Entscheidung Israels, die wir respektieren". Seine Regierung sei allerdings die "proisraelischste", die es je gegeben hätte. Der Bundeskanzler will beispielsweise den am 1. Juli beginnenden EU-Vorsitz nutzen, um die israelischen Sichtweisen stärker einzubringen. Es werde oftmals in Europa die Sicherheitssituation Israels "nicht ausreichend verstanden", meinte der Bundeskanzler am Vortag des Treffens mit Netanyahu gegenüber österreichischen Journalisten.

Die Situation des Landes sei ganz anders als in Europa, wo es friedlich sei. "Es ist legitim, dass die Europäische Union einen besonderen Fokus auf die engere Nachbarschaft hat, aber gerade wenn auf Bomben im Iran 'Tod Israels' geschrieben wird oder Antisemitismus-Wortmeldungen gegen Israel noch immer in der Region auf der Tagesordnung stehen, dann ist das nichts, wo wir als Europäische Union wegsehen dürfen", betonte der Kanzler.

In Jerusalem will Kurz am Montagabend vor dem Weltforum des American Jewish Committee (AJC) sprechen. Kurz holt damit einen Auftritt nach, den er im Vorjahr wegen einer Reise als OSZE-Vorsitzender kurzfristig hatte absagen müssen. Der damalige Außenminister hätte im Juni 2017 beim AJC-Forum in Washington sprechen sollen. AJC-Vorsitzender David Harris bezeichnete den Kanzler als "erwiesenen Freund von Israel und des jüdischen Volkes". Er zähle zu jenen Politikern Europas, die eine besonders deutliche Sprache sprechen, dynamisch und zukunftsgewandt sind, unterstrich Harris.

Der erste Tag seines Israel-Besuchs am Sonntag stand im Zeichen des Gedenkjahres 1938/2018. Erster Programmpunkt war der Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. In einer Rede sprach Kurz von der "schweren Bürde der schrecklichen und beschämenden Verbrechen, die in der Shoah begangen wurden". "Wir Österreicher wissen, dass wir für unsere Geschichte verantwortlich sind", sagte Kurz weiter.

Deborah Hartmann von der International School of Holocaust-Studies, die Kurz und seine Delegation durch Yad Vashem führte, erinnerte den Bundeskanzler auch an seine Verantwortung für die Gegenwart. Sie kritisierte, dass es in der FPÖ immer noch Politiker gebe, "denen man erklären muss, was die Shoah war, von welcher Katastrophe wir eigentlich sprechen." Sie sprach von rund 30 antisemitistischen Vorfällen der FPÖ. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, sprang sofort zur Verteidigung von Kurz ein. Der Bundeskanzler sei "der Garant" für ein Gegenwirken gegen Antisemitismus.

Bei einem Besuch von österreichischen Holocaust-Überlebenden erklärte die Leiterin des Zentralkomitees der Juden aus Österreich in Israel, Kika Goren, dass sie sich wundere, dass es in Österreich immer noch Antisemitismus gebe. "Man muss ihn entwurzeln", forderte sie. Sie berichtete außerdem von der immer noch schmerzenden Sehnsucht nach Österreich, trotz all der Gräuel, welche die Juden in Österreich erleiden mussten. Österreich habe "wirklich ein Loch in ihrer Seele hinterlassen". Gorens Vorgänger, der fast 100-jährige Gideon Eckhaus, sagte in einer sehr emotionalen Ansprache: Österreich sei seine Heimat, trotz der vielen "Wunden, die es mir hinterlassen hat." Mit Tränen in den Augen ergänzte er: "Gott sei mit Dir, mein Österreich."

Der Bundeskanzler lud Holocaust-Überlebenden im Anschluss nach Österreich ein. Die Regierung wolle alle einladen, noch einmal Österreich zu besuchen, "die das möchten und fit genug sind". Rund 800 Holocaust-Überlebende aus Österreich leben in Israel.

Kurz trifft in Israel aber auch mit Oppositionellen zusammen: mit dem ehemaligen liberalen Finanzminister Yair Lapid, Oppositionsführer Isaac (Yitzak) Herzog, Ex-Außenministerin Tzipi Livni und dem Präsidenten der Österreich-Israelischen Freundschaftsgruppe des Parlaments, Ex-Verteidigungsminister Amir Peretz.

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