Platzen jetzt Milliarden-Deals
wegen dieses Formulars?

(vom 6.12.2012)

Wer lügt hier? Schmiergeld, Scheingeschäfte und Schönrechnerei. Die Fakten zu den umstrittenen Eurofighter-Gegengeschäften.

von

Seit die Staatsanwaltschaft Wien Anfang November in Österreich, Deutschland und der Schweiz zeitgleich Hausdurchsuchungen wegen akuten Schmiergeldverdachts in Sachen Eurofighter durchgeführt hat, sind die Flieger so richtig out.

Kein heimischer Politiker will mit den zwei Milliarden teuren Jets in Verbindung gebracht werden. Ganz so, als ginge es um eine besonders ekelerregende Form von Krätze.

Noch schlimmer als die Flieger sind freilich die dazugehörigen Gegengeschäfte. Wenn die Jets Krätze sind, dann sind die Gegengeschäfte so etwas wie Beulenpest.

Dabei wurden sie den Österreichern vor zehn Jahren als unverzichtbar für die heimische Wirtschaft gepriesen. Vier Milliarden Euro an zusätzlichen Exporten würden sie bringen. Und heute? Heute will niemand von ihnen profitiert haben. Ein Schmäh sei das alles gewesen.

Frank Stronach, früher Boss des Autozulieferers Magna und heute Parteigründer, meint gar: Die damalige Regierung hätte bestehende Aufträge den Eurofighter-Gegengeschäften zugerechnet.

Hannes Androsch, rotes Urgestein, Industrieller und Ex-Miteigentümer beim Eurofighter-Gegengeschäftspartner FACC, erklärte erst vorige Woche in der "Zeit im Bild 2“ zu den FACC-Gegengeschäften: "Wenn sich das Wirtschaftsministerium das gutrechnen will, ist das eine liebevolle Gefälligkeit.“ Alle Aufträge seien schon Jahre vor dem Eurofighter-Kauf unter Dach und Fach gewesen.

Das Formular und die Justiz.

Ganz so einfach, wie Stronach und Androsch das heute darstellen, ist die Sache freilich nicht. Denn: Damit ein Eurofighter-Gegengeschäft vom österreichischen Wirtschaftsministerium angerechnet wird, gilt es einige strikte Bedingungen zu erfüllen.

Diese Bedingungen sind Teil der von den Gegengeschäftsfirmen mit Stempel und Unterschrift besiegelten Gegengeschäftsbestätigungen.

Dort heißt es, dass nur jene Exporte als Gegengeschäft anerkannt werden, bei denen es sich um ein "Erstgeschäft“ handelt oder die höher ausfallen als der Durchschnittswert der erbrachten Lieferungen und Leistungen der letzten drei Jahre. Und selbstverständlich muss das Geschäft unter Mitwirkung der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH zustande gekommen sein.

Zudem werden nur jene Lieferungen und Leistungen angerechnet, deren Bestandteile "zur Gänze“ in Österreich angefertigt wurden oder deren Verarbeitung zum Endprodukt in Österreich erfolgte.

Jene Firmen, deren Exporte anerkannt wurden, bestätigten bei der Einreichung, dass "unwahre Angaben im Formular (…) zu einer Nichtanerkennung des gegenständlichen Geschäftsfalles und zu strafrechtlichen Folgen führen können“. Ebenso ist der Ausschluss von künftigen Gegengeschäften möglich.

Bartenstein schlägt zurück

Martin Bartenstein (ÖVP), zum Zeitpunkt des Eurofighter-Deals zuständiger Wirtschaftsminister, reagierte auf Stronachs Aussage prompt. "Er bringt Magna in Schwierigkeiten“, so Bartenstein, der es auf den Punkt bringt: "Magna hat die Gegengeschäfte offiziell gemeldet und auch bestätigt, dass es sich um neue Geschäfte gehandelt hat. Wenn Stronach dabei bleibt, dann hat irgendwer gelogen.“

Die Folge: "Da könnte der Staatsanwalt kommen.“

Der heutige Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bestätigt das. Magna habe Gegengeschäfte im Wert von 358,6 Millionen Euro gemeldet. Bei der FACC - Stichwort Androsch - wurden laut Mitterlehner zwischen 2002 und 2010 sogar 458 Millionen Euro als Gegengeschäft angerechnet.

Mitterlehner hat nun eine eigene Task-Force einberufen, denn die Staatsanwaltschaft ist schon längst auf den Plan getreten und will in Sachen Gegengeschäfte nun alles ganz genau wissen.

Justiz: "Bestechungsgelder“

Der Grund, warum heute kein Politiker und kein Industrieller mehr mit den Jets und den Gegengeschäften in Zusammenhang gebracht werden will, ist leicht erklärt.

Er findet sich auch in einem Beschluss des Amtsgerichts Münchens mit der Geschäftszahl ER I Gs 9624/12 vom 18. Oktober 2012. Mit diesem zwölf Seiten umfassenden Beschluss wurden die zahlreichen Hausdurchsuchungen umfassend begründet.

Auf Seite 3 des Beschlusses heißt es unter dem Titel "Verdacht der Bestechungszahlungen durch das Eurofighter-Konsortium“: "Die Beschuldigten wirkten maßgeblich dabei mit, dass im Zusammenhang mit dem Kauf von 18 Kampfflugzeugen des Typs Eurofighter Typhoon durch die Republik Österreich von der Eurofighter Jagdflugzeug GmbH und den zum wirtschaftlichen Ausgleich vereinbarten Gegengeschäften über die zur Erfüllung der Gegengeschäftsverpflichtungen von der Eurofighter GmbH gegründete Vector Aerospace LLP auf Veranlassung und mit Mitteln der EADS Deutschland zwischen 2005 und 2008 Zahlungen in Höhe von insgesamt mindestens 50 Millionen Euro an insgesamt fünf Vermittlungsgesellschaften geleistet wurden, die angeblich Provisionen aus Beratungsverträgen darstellen. Tatsächlich handelte es sich jedoch um vereinbarte Bestechungsgelder, um Entscheidungsträger (Beamte) bei der Vergabe des Vertrages zur Lieferung von Kampfflugzeugen an die Republik Österreich zu beeinflussen beziehungsweise die zugunsten der Eurofighter GmbH getroffene Auftragsvergabe entsprechend zu honorieren, und um Unternehmer bei dem Abschluss von Gegengeschäften zu beeinflussen.“

Bestechungsgelder? Honorieren? Beeinflussen? In Österreich? Beim Kauf der Eurofighter und bei den Gegengeschäften?

Die Panik der heimischen Politik, mit diesem Sachverhalt in Verbindung gebracht zu werden, ist somit durchaus angebracht.

Denn hier steht mehr auf dem Spiel als ein allfälliger Knick in einer Politikerkarriere. Hier geht es um Existenzielles. Für Politiker, Parteien und involvierte Unternehmen.

Der Mann, der alles weiß.

Im Zentrum der Affäre steht ein Mann, der alles wissen sollte, alle Beteiligten kennt - und selbstredend alle Vorwürfe (und das schon seit Jahren) vehement in Abrede stellt: Klaus-Dieter Bergner.

Er ist das Mastermind des Eurofighter-Geschäfts in Österreich. Der Ex-Manager der DDR-Fluglinie Interflug war EADS-Topmanager, als der Jetverkauf in Österreich eingefädelt wurde. Später übersiedelte Bergner ganz nach Wien, war von 2005 bis 2009 Geschäftsführer der Firma European Business Development (EBD). Die EBD war die nach dem Gegengeschäftsvertrag zwischen der Republik und der Eurofighter GmbH geforderte Vorortorganisation und Ansprechpartner für Gegengeschäfte in Österreich.

Kurzum: Bergner kennt das Eurofighter-Geschäft im Detail - und er kennt auch die Gegengeschäfte wie kein Zweiter. Wenig überraschend führt ihn die Staatsanwaltschaft - allen Dementis Bergners zum Trotz - als Beschuldigten.

Sie wirft ihm vor, die Konstruktion der Zahlungen über die Briefkastenfirma Vector eingefädelt zu haben.

Wie auch immer: Derzeit endet die Spur der verteilten Gelder genau dort, wo derartige Fälle meistens enden - in diskreten Steueroasen.

15 Millionen Euro sind auf einem Konto bei der Bank of Valletta in Malta gelandet, 10,5 Millionen Euro auf dem Bankkonto einer Liechtensteiner Briefkastenfirma, weitere 13,5 Millionen Euro am Konto einer anderen Briefkastenfirma auf der Isle of Man, 1,8 Millionen Euro am Zürcher Konto einer Schweizer Firma und so weiter und so fort.

Die entscheidende Frage lautet nun: Welche natürlichen Personen stecken letztlich hinter diesen Briefkastenfirmen?

Sind es - so wie von den Beschuldigten behauptet - "nur“ Gegengeschäftsvermittler, die ungern Steuer zahlen oder in Österreich gar nicht steuerpflichtig sind? Oder sind es - diesen Verdacht hegen die Strafverfolgungsbehörden - Beamte oder Politiker, die auf diesem Weg ihre wahre Identität verschleiern wollen?

Selbst wenn es "nur“ Vermittler von Gegengeschäften wären, stellt sich zwangsläufig die Frage, ob die so vermittelten Gegengeschäfte auch "echt“ im Sinne der Bescheinigungen waren. Denn woher sollten diese "Vermittler“ neu generierte Exporte herbeizaubern, die genau in das Anforderungsprofil des Wirtschaftsministeriums passen?

Falls Frank Stronach noch Fragen zu den Gegengeschäften hat, braucht er heute nur in Oberwaltersdorf nachzufragen. Gleich in Steinwurfweite des "Fontana-Golfclubs“ residiert seit kurzem auch Klaus-Dieter Bergner.

Der hat sich nämlich im August für schlappe 900.000 Euro plus Nebenkosten ein herzeigbares Anwesen am Schlosssee in Oberwaltersdorf gekauft. Kurios: Als Verkäufer scheint im Grundbuch eine zwischenzeitig liquidierte GmbH auf, deren Haupteigentümer eine Holding auf den Seychellen war.

Kommentare