Käpt’n Öko

Kreuzfahrten boomen. Und jetzt achtet man auf See sogar auf die Umwelt.

von Leben - Käpt’n Öko © Bild: Copyright 2015 Matt Observe

Wer auch bei etwas höherem Wellengang noch Appetit verspürt, könnte hier rund um die Uhr futtern und Cocktails schlürfen. Elf Restaurants, zwölf Bars - und überall biegen sich die Tische. Die Seeluft macht hungrig, und die Buffets sind stets gut bestückt auf diesen riesigen Kreuzfahrtschiffen, die jährlich für zweistellige Zuwachsraten in ihrem Tourismussegment sorgen. "Mein Schiff 3" heißt der 294 Meter lange und bis zu 42 Meter breite Kahn von Tui Cruises.

15 Decks, das ist wie ein Hochhaus auf Wellen. 2500 Passagiere und 1000 Besatzungsmitglieder sind an Bord. Diesen Koloss zu bewegen und die Anlagen an Bord zu betreiben, braucht viel Energie: 40 bis 45 Tonnen Schweröl pro Tag. Und 3500 Menschen hinterlassen viel Müll. So, wie er ja auch an Land anfallen würde, sagen wir: in einem größeren Dorf, in dem permanent Party gemacht wird.

© Copyright 2015 Matt Observe 300 Meter lang, 15 Decks hoch: 3500 Menschen an Bord verbrauchen viel Energie und machen Müll

Doch was macht man damit auf dem Meer, wo der Weg zur nächsten Deponie weit und der Platz an Bord knapp bemessen ist? Lange wurde das Müllproblem eher locker genommen. Entsorgung über Bord geht schnell, das Wasser ist tief und die Fische sind hungrig. Und über "mitgelieferte“ Schadstoffe und Umweltgifte konnten sie sich ja nicht beschweren. Das aber schadete dem Ruf der Branche. Weswegen sich große Anbieter wie Tui Cruises oder Aida jetzt daranmachen, Umweltauflagen früher als verlangt umzusetzen oder womöglich sogar noch zu unterbieten.

© Copyright 2015 Matt Observe Rund acht Liter Müll fallen pro Person und Nacht an Bord an. Er wird getrennt ...

Wer wissen will, wie das funktionieren kann, muss sich von den glitzernden Oberdecks in den tiefsten Bauch des Schiffes begeben. Hier wummern die vier Motoren und verbrennen Schweröl, einen Reststoff der Erdölverarbeitung, der zwar billig ist, aber stark schwefelhaltigen Qualm produziert - wenn man nichts dagegen tut. Doch hier, auf Deck zwei der "Mein Schiff 3“, beginnt ein Reinigungsprozess, der 13 Decks später beim Rauchfang enden wird. In zwei eigens für das Kreuzfahrtschiff entwickelten "Scrubbern“ wird der Rauch so lange mit Wasser besprüht, bis 99 Prozent des Schwefels und 60 Prozent der Rußpartikel herausgewaschen sind. Ein Katalysator filtert am Ende noch einmal 75 Prozent der Stickoxide heraus. So wird erreicht, dass die Emissionen unter den vorgeschriebenen Grenzwerten liegen. Übrig bleiben eine giftige Schlacke, die an Land auf Spezialdeponien gelagert wird, und das "Waschwasser“, das gereinigt und stark verdünnt dann doch ins Meer kommt.

© Copyright 2015 Matt Observe ... und zum Teil gleich in der bordeigenen Müllverbrennungsanlage entsorgt

Ganz unten im Schiff sieht man auch, was mit jenen Essensresten passiert, die die All-inclusive-Passagiere beim besten Willen nicht verputzen können. 8000 Liter Reste und Küchenabfälle sind das jeden Tag. Sie werden geschreddert und mindestens 15 Seemeilen von der Küste entfernt ins Meer geleitet. Viele Maßnahmen an Bord sorgen dafür, dass einiges an Müll oder Abwasser gar nicht erst entsteht, Energie gar nicht erst verbraucht wird. Als Gast merkt man das an kleinen Dingen: etwa daran, dass es in den Kabinen keine Minibar und keine Mineralwasserflaschen aus Plastik gibt. Wer Wasser will, muss mit einer Glaskaraffe zu einem Trinkwasserspender am Gang marschieren. Das spart 21.000 kleine Pet-Flaschen pro Woche. Der Verzicht auf die Minibar bringt eine Treibstoffreduktion von 0,33 Tonnen pro Tag. Handtuchkarten, mit denen man sich frische Handtücher beim Pool holen kann, sparen die Hälfte der Handtücher und 30 Prozent Waschwasser.

© Copyright 2015 Matt Observe Das Abwasser aus Küchen, Badezimmern und Toiletten wird in der Biokläranlage gereinigt

Besuch beim Kapitän Dimitris Papatsatsis. Auch sein Fingerspitzengefühl beim "Gasgeben“ entscheidet darüber, was oben beim Schiffsschlot rauskommt. Für den Kapitän gibt es sogar einen Bonus, wenn er weniger Treibstoff verbraucht. Doch um den gehe es ihm gar nicht, beteuert er. "Das Schiff muss sicher und ruhig fahren. Da darf man nicht an den Bonus denken.“ Trotzdem wurde der Treibstoffverbrauch pro Person und Übernachtung um 11,6 Prozent gesenkt.

Umfragen belegen, dass Reisenden Nachhaltigkeit wichtiger wird und dass sie bereit wären, mehr Geld für Umweltschutz auszugeben. Wenn es dann aber tatsächlich ums Buchen geht, spielen andere Faktoren eine Rolle. Da sind die Destination und der Preis wichtig, aber nicht die Umweltbilanz, heißt es bei Reiseveranstaltern.

Doch wer seinen ökologischen Fußabdruck wirklich verringern will, muss sowieso im Alltag ansetzen. Denn in der persönlichen Ökobilanz der meisten Menschen ist der Urlaub nicht das größte Problem.

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