Justizministerium schiebt Stalking Riegel vor: Rechte von Opfern werden gestärkt

Defizite im Straf- & Zivilrecht werden ausgeglichen

Der Begriff Stalking wurde in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts in den USA geprägt und bedeutet wörtlich übersetzt "auf die Pirsch gehen". Die Motive sind oft Zorn oder Liebeskummer der in 90 Prozent der Fälle männlichen Täter. 80 Prozent der Opfer sind weiblich. Die gesetzten Handlungen reichen von unerwünschten Telefonanrufen, dem Zuschicken von E-Mails oder Briefen über "Abpassen" und Überwachen des Opfers bis hin zu körperlichen Übergriffen, Eindringen in die Wohnung und falschen Anschuldigungen bei Freunden, Arbeitskollegen, Vorgesetzten oder Behörden.

Zwar bieten das österreichische Strafgesetzbuch und das Zivilrecht für Betroffene eine gewisse Hilfe, da Stalking bei Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und gefährlichen Drohungen einen gerichtlichen Straftatbestand erfüllt. Mit einer Unterlassungsklage, die das Persönlichkeitsrecht jedes Menschen auf Achtung seiner Privatsphäre schützt, und in weiterer Folge mit einer mittels Geld- oder Haftstrafe gerichtlich durchsetzbaren einstweiligen Verfügung kann wiederum zivilrechtlich gegen Stalker vorgegangen werden.

Die Arbeitsgruppe zeigte aber deutlich bestehende Defizite in diesen Bereichen auf. "Die Opfer sind scheinbar oft zu eingeschüchtert, um den vorhandenen Zivilrechtsweg zu nützen. Dieser setzt aber ein Tätigwerden des Opfers voraus", stellte Andrea Wolfrum vom Justizministerium fest. Das Fehlen eines amtswegigen Verfahrens werde als "Belastung" empfunden, zumal das Opfer als Kläger neuerlich direkt mit dem Täter konfrontiert wird und vor allem die Beweislast und das Kostenrisiko trägt.

Das Justizministerium prüft daher, ob zukünftig den Sicherheitsbehörden nicht auch die Durchsetzung zivilrechtlicher Entscheidungen ermöglicht werden soll. Bei Missachtung eines gerichtlich angeordneten Unterlassungsgebotes könnte dann die Polizei gerufen werden. Auch die Schaffung einer expliziten einstweiligen Verfügung gegen Stalking wird angedacht, deren Vollziehung den Sicherheitsbehörden übertragen werden könnte.

Gerichtlicher Straftatbestand kommt
Auch das Strafgesetzbuch ist Stalking-Opfern oft insofern keine Hilfe, als nicht immer ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vorliegt. Bei bloßem Belauern oder unregelmäßigen Anrufen sind rasch die Grenzen des behördlichen Einschreitens erreicht - vor allem dann, wenn der Täter unbekannt ist. So greift das Gewaltschutzgesetz auch nur dann, wenn Täter und Opfer in einer Beziehung gelebt haben bzw. leben, was nur in 40 Prozent der Fälle gegeben ist.

Das Justizministerium hat daher Handlungsbedarf erkannt und will einen eigenen gerichtlichen Straftatbestand schaffen, der Stalking unter Strafe stellen soll. Wie Andrea Wolfrum ausführte, will man sich dabei an einen Entwurf der deutschen Bundesregierung anlehnen, in dem das, was unter den Begriff Stalking fällt, taxativ aufgezählt wird.

Voraussetzung für die Strafbarkeit wäre eine wiederholte Tatbegehung. Die Belästigung muss außerdem unzumutbar sein. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ermittelt dann der Staatsanwalt, die Ahndung fällt in die Zuständigkeit der Landesgerichte. U-Haft wegen Tatbegehungsgefahr wäre möglich. Als Strafdrohung sind laut Justizministerium Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr vorgesehen.

Wann genau die Überlegungen des Justizministeriums umgesetzt werden, steht noch nicht fest. Der Gesetzesentwurf soll demnächst in Begutachtung gehen, das Ministerium arbeite "intensiv an Lösungen", hieß es. (apa)