Das Todeshaus der Julia Kührer

Staatsanwaltschaft vermutet, dass die Schülerin im Haus von Michael K. getötet wurde

von Das Todeshaus der Julia Kührer © Bild: Marcus E. Deak/NEWS

Viele Anschuldigungen.

Die Indizien gegen den Botendienstfahrer scheinen schwer wiegend: Laut diverser Gutachten sei Julia schon am Tag ihres Verschwindens zu Tode gekommen. Ihre Leiche wäre zunächst etwa 60 Stunden im Eingangsbereich der „Gruft“ gelegen, dann dort verbrannt – und erst zu einem späteren Zeitpunkt 20 Meter weiter, in die Tiefe des Erdkellers, verschafft worden. Fakt ist zudem: Auf verkohlten Überresten einer Decke, in sie eingewickelt gewesen war, konnten DNA-Spuren von Michael K. sichergestellt werden. Und in den Knochen des Mädchens Rückstände der Droge Crystal-Meth. Frühere Nachbarn und Kunden des Mannes belasten den Ex-Videothekbesitzer – der kurz nach Julias Verschwinden sein Geschäft in Pulkau geschlossen und in Wien ein neues Leben begonnen hatte – massiv. Angeblich hätte er einst Jugendliche aus der Umgebung mit Suchtgift beliefert. Und angeblich wäre die 16-Jährige am mutmaßlichen Tattag mit ihm in seinem Garten gesehen worden.

Vorwürfe, die der Verdächtige von sich weist. „Ich habe Julia nicht umgebracht“, behauptet er bis dato. Und sagt, dass „irgend jemand anderer ohne mein Wissen ihre sterblichen Überreste auf meinem Grundstück versteckt hat.“

Michael K.: Der Hauptverdächtige im Mordfall Julia Kührer
© Marcus E. Deak/NEWS Der Hauptverdächtige Michael K.

Jetzt recherchieren Detektive.

„Ich bin davon überzeugt“, sagt sein Anwalt Farid Rifaat, „dass mein Klient schuldlos ist.“ Was ihn dessen so sicher macht? „Von mir engagierte Privatdetektive konnten mittlerweile Beweise dafür finden, dass gewisse polizeiliche Erhebungsergebnisse, die gegen meinen Mandanten sprechen, falsch sind.“ Genaueres dazu will der Verteidiger erst in der Verhandlung verraten. Bis dahin ist Rifaat auch selbst, mit Fotoapparat und Diktiergerät, immer wieder in Niederösterreich unterwegs, um sich „selbst ein Bild vom Ort der Tragödie zu machen.“ Wie vergangenen Donnerstag, eben. Recherchen in Pulkau, Befragungen von Dorfbewohnern. Das Abgehen der Strecke zwischen der Busstation am Hauptplatz, bis hin zu Julias Elternhaus; vorbei an dem Geschäft, wo früher Michael K.s Videothek etabliert war.

Ein Lokalaugenschein im Anwesen des 52-Jährigen in Dietmannsdorf, wo – Vermutungen der Kripo zufolge – Julia zu Tode gekommen sein soll. Über eine Stunde bleibt der Verteidiger auf dem Grundstück, inspiziert das knapp 70 Quadratmeter große Haus. Sieht ein Badezimmer mit 50 Jahre alten Fliesen. Eine desolate, helle Küche. Eine verschmutzte Couch, einen dunkelbraunen Verbau im Wohnzimmer. Ein Schlafzimmer, in dem Kleiderberge liegen und nichts als ein einfaches Bett steht. Besichtig die ehemaligen Ställe im Anschluss an das Gebäude – jenen Platz, der einst für Jugendliche ein „geheimer Treffpunkt“ gewesen sein soll. Als der Anwalt wieder ins Freie kommt und die Türe hinter sich verschließt, erklärt er: „Jetzt bin ich mir noch sicherer, dass alles ganz anders gewesen sein muss, als die Fahnder meinen.“

Zwei mögliche Tatorte.

Fest steht jedoch: Die Staatsanwaltschaft lässt sich in ihrer Anklageschrift gegen Michael K. auf keine Spekulationen ein, sondern listet penibel alle Fakten auf, die laut Gerichtsgutachten und Zeugenangaben für seine Täterschaft sprechen. Eine exakte Rekonstruktion des Verbrechens – unmöglich. Weil ungeklärt ist, wie Julia umkam. Und wo. In der ehemaligen Videothek des 52-Jährigen? Oder in seinem Haus, wie die Justiz denkt? Hat sich die Schülerin freiwillig in eine Situation, in der sie mit ihm alleine sein musste, begeben – damals, am 27. Juni 2006?

Vielleicht, weil sie an diesem Tag, wegen der kurz zuvor stattgefundenen Trennung von ihrem Freund „down“ war – und in der Folge bei Michael K. aufmunternde Drogen kaufen wollte? Oder ist sie dem Mann, den sie nicht gemocht und der sie aber extrem sexy gefunden haben soll, in eine Falle getappt? „Ich bin doch kein Mädchenschänder“, beteuert der Tatverdächtige: „Ich liebe Kinder, habe selbst eine Tochter im Alter des Opfers.“ Vor wenigen Wochen wurde Michael K. abermals Vater. Seine Partnerin, eine Altenpflegerin, brachte ein gesundes Baby zur Welt. Ob er es aufwachsen sehen wird, scheint fraglich. Im Falle einer Verurteilung droht ihm nämlich eine lebenslange Haftstrafe.

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