Journalistenmord: Slowakische Regierungskoalition wackelt

Große Trauermärsche geplant - Tausende Slowaken fordern Aufklärung

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Mit Igor Janckulik hat am Freitag ein erster Parlamentarier die mitregierende slowakisch-ungarische Versöhnungspartei Most-Hid verlassen. Als Grund gab er Unmut über angebliche Mafia-Verbindungen bis in höchste Ebenen der slowakischen Regierung an, über die der ermordete Journalist berichten wollte. Hinter den Kulissen hieß es, weitere Mandatare wollen folgen. Damit könnte die Mitte-links-Koalition von Fico, die erst seit zwei Jahren im Amt ist, ihre knappe Parlamentsmehrheit von nunmehr 78 der insgesamt 150 Mandate definitiv verlieren.

Die Most-Hid von Parteichef Bela Bugar hatte zuvor nach stundenlangen Krisengesprächen mit den Regierungspartnern und internen Besprechungen offen den Rücktritt von Innenminister Robert Kalinak (Smer) von Premier Fico gefordert. Bela Bugar will aber Fico noch Zeit geben, um das Problem selbst zu lösen. "Es liegt jetzt an der Smer, die Situation zu beruhigen", erklärte er Donnerstagabend vor gespannt wartenden Journalisten. "Ich denke nicht, dass es notwendig ist, auch die Regierung zu opfern", so Bugar.

Während der Parteichef der Most-Hid somit versucht, die amtierende Regierungskoalition mit der Smer noch aufrechtzuerhalten, sind Teile seiner eigenen Partei sichtlich anderer Meinung. Beobachter in der Slowakei halten einen Fall der Regierung für immer wahrscheinlicher.

Die Stabilität der Regierungskoalition von Fico wurde durch Informationen aus dem letzten unvollendeten Artikel des ermordeten Journalisten ins Wanken gebracht. Er hatte über Machenschaften italienischer Geschäftsmänner, die der italienischen Mafia nahe stehen sollen, recherchiert und ist dabei auf ihre Verbindungen zu direkten Mitarbeitern des Ministerpräsidenten gestoßen. Obwohl zwei Mitarbeiter von Fico ihre Posten bereits geräumt haben und die Polizei bei einer umfangreichen Razzia im Osten des Landes auch sieben verdächtige Italiener verhaften und Waffen sicherstellen konnte, lässt der Druck nicht nach.

Vor allem Innenminister Robert Kalinak wird zunehmend zur Zielscheibe heftiger Kritik von Medien, Opposition und jetzt auch aus den eigenen Reihen. Dem Ressortchef werden seit Monaten Kontakte mit kontroversen Unternehmern vorgeworfen, die wegen Steuerbetrugs belangt werden. Unter Kalinak und dem von ihm ernannten Polizeipräsidenten Tibor Gaspar seien keine objektiven Ermittlungen zu erwarten, hieß es. Der sozialdemokratische Premier Fico stand bisher immer fest hinter seinem Innenminister.

Auch das angespannte Verhältnis des slowakischen Ministerpräsidenten zu Journalisten steht immer mehr zur Diskussion. Fico hatte Vertreter der Presse in der Vergangenheit öfter mit äußerst expressiven Ausdrücken wie "antislowakische Prostituierte" oder "schleimige Schlangen" beschimpft und verweigert Vertretern einiger Medien bei öffentlichen Pressekonferenzen konsequent die Antwort.

Darauf hat bei einem Treffen des slowakischen Premiers mit Vertretern internationaler Journalistenverbände am Freitag in Bratislava auch der Chef der Reporter ohne Grenzen, Christopher Deloire, hingewiesen. Obwohl Bemühungen der Regierung den Mord aufzuklären sichtbar seien, denke er, Fico sollte sich für seine "Beleidigungen gegenüber Journalisten bei mehreren Gelegenheiten entschuldigen," sagte Deloire.

Das Europaparlament will in nächsten Tagen eine spezielle Mission von Europaabgeordneten in die Slowakei entsenden, gab am Freitag der tschechische Europaparlamentarier Tomas Zdechovsky laut der Nachrichtenagentur TASR bekannt. Grund sei der Verdacht, dass der Mord am Journalisten Kuciak und seiner Freundin in Zusammenhang mit Betrug rund um EU-Fördergelder stehe. Man wolle die Situation direkt im Land überprüfen, so Zdechovsky.

Tausende Slowaken wollten Freitagnachmittag erneut auf die Straßen gehen, um eine gründliche Aufklärung des Verbrechens zu fordern. Allein in der Hauptstadt Bratislava werden zu einem Erinnerungsmarsch, organisiert von Journalistenkollegen, über 11.000 Menschen erwartet. Seine Teilnahme hat auch der slowakische Staatspräsident Andrej Kiska angekündigt. Trauerveranstaltungen sind auch in dutzenden weiteren Städten des Landes, wie auch in Tschechien, Deutschland, Frankreich oder Großbritannien, geplant.

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