Soldaten bargen Leiche weiterer Geisel im Gazastreifen

von Soldaten bargen Leiche weiterer Geisel im Gazastreifen © Bild: APA/APA/AFP/ZAIN JAAFAR

Zerstörte Häuser in Jenin

Israelische Soldaten haben die Leiche eines weiteren Israelis im Gazastreifen geborgen. Es handle sich um Ron Benjamin, teilt das israelische Militär am Samstag mit. Unter Berufung auf Geheimdienstkreise erklärte Sprecher Daniel Hagari, Benjamin sei bei dem Hamas-Überfall auf israelisches Grenzgebiet am 7. Oktober getötet worden. Die Leiche sei zusammen mit jenen dreier weiterer Opfer der Hamas gefunden worden, deren Rückführung am Freitag angekündigt wurde.

Weiter hieß es, bei einem Angriff auf die Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens seien dutzende Hamas-Kämpfer getötet worden. Bei den "gezielten Angriffen" im Osten von Rafah seien rund 50 islamistische Kämpfer getötet und dutzende Tunnel-Schächte entdeckt worden, teilte die Armee am Samstag mit. "Hunderte terroristischer Infrastrukturen wurden zerstört", darunter auch "Einrichtungen zur Waffenproduktion", fügte die Armee hinzu.

Die israelischen Streitkräfte waren auch mit Bodentruppen und Panzern in Jabalia im Norden des Gazastreifens vorgerückt. Dutzende Palästinenser seien getötet oder verletzt worden, berichteten Rettungskräfte und Bewohner am Samstag. Jabalia ist das größte der acht Flüchtlingslager im Gazastreifen. Israels Luftwaffe flog indes auch Angriffe auf das Westjordanland und den Libanon.

Das israelische Militär erklärte, Streitkräfte seien im gesamten Gazastreifen im Einsatz - darunter in Jabalia und Rafah - und gingen präzise gegen Terroristen und Infrastruktur vor. Beim Vormarsch der israelischen Soldaten in Jabalia seien 15 Palästinenser getötet worden, berichteten Sanitäter. Die Truppen seien in Straßen vorgerückt, die sie bisher verschont hätten, berichteten Anrainer. "Der heutige Tag ist der schwerste Tag im Hinblick auf die Bombardierung durch die Besatzer", sagte Ibrahim Khaled, ein Bewohner von Jabalia, über eine Chat-App der Nachrichtenagentur Reuters. "Die Luftangriffe und der Panzerbeschuss dauern fast ununterbrochen an." Er wisse von Dutzenden Toten und Verletzten. "Aber kein Rettungsauto kann in das Gebiet gelangen."

In Rafah, wo israelische Panzer in einige östliche Vororte vordrangen und dort mit palästinensischen Kämpfern zusammenstießen, berichteten Einwohner, die israelischen Bombenangriffe aus der Luft und vom Boden hätten die ganze Nacht angedauert. In Rafah haben mehr als eine Million Menschen Zuflucht gefunden, die aus anderen Teilen des Gazastreifens vertrieben wurden. Dem Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen (UNRWA) zufolge sind seit Beginn der Offensive gegen Rafah am 6. Mai rund 800.000 Menschen aus der Stadt an der Grenze zu Ägypten geflohen. UNRWA-Chef Philippe Lazzarini teilte am Samstag mit, die Menschen hätten auf die israelischen Evakuierungsaufforderungen reagiert und seien in sogenannte sichere Zonen in der Mitte des abgeriegelten Küstenstreifens und nach Khan Yonis gegangen. Allerdings gebe es in diesen Gebieten weder eine sichere Wasserversorgung noch sanitäre Einrichtungen. Die Behauptung, die Menschen in Gaza könnten in "sichere" oder "humanitäre" Zonen umziehen, sei falsch. "In Gaza gibt es keine sicheren Zonen."

Das israelische Militär erklärte, die Luftwaffe sei weiterhin im Gazastreifen im Einsatz. Sie habe in den vergangenen Tagen "mehr als 70 Terrorziele angegriffen, darunter Waffenlager, Standorte militärischer Infrastruktur, Terroristen, die eine Bedrohung für die IDF-Truppen darstellten, und Militäranlagen". Die IDF sind die israelischen Verteidigungsstreitkräfte.

Bei einem Luftangriff in Jenin im Westjordanland wurde ein gesuchter Terrorist getötet, teilte Israels Militär in der Nacht auf Samstag mit. Kurz zuvor wurde bei einem Luftangriff im Südlibanon ein Hamas-Offizier in seinem Auto getötet. Er soll eine Reihe von Angriffen gegen Israel aus dem Libanon gesteuert habe. Seit Beginn des Gaza-Krieges nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober vergangenen Jahres schießt die Hisbollah aus dem Libanon mit Raketen, Artillerie- und Panzerabwehrgranaten auf den Norden Israels - aus "Solidarität" mit der Hamas in Gaza, wie sie vorgibt. Israel bekämpft mit Luft- und Artillerieangriffen die Stellungen der Hisbollah, die nach einem UN-Sicherheitsratsbeschluss gar nicht so nahe an der Grenze sein dürften. Auf beiden Seiten hat es Tote gegeben. Es ist die schwerste Eskalation seit dem zweiten Libanon-Krieg 2006.

Der bei Israels Luftangriff in Jenin im Westjordanland in der Nacht auf Samstag getötete Mann soll nach Angaben des Militärs für eine Reihe von Terroranschlägen verantwortlich sein, darunter die Ermordung eines Israelis im Mai 2023. Auch in palästinensischen Berichten hieß es, der Mann sei bei dem Angriff getötet worden. Im Westjordanland ist es in den vergangenen Jahren wieder verstärkt zu Anschlägen von Palästinensern gekommen. Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen hat sich die Lage weiter zugespitzt. Mehrere Hundert Palästinenser wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums im Westjordanland seitdem bei israelischen Militäreinsätzen, Konfrontationen oder eigenen Anschlägen getötet. Auch kam es zuletzt verstärkt zu Gewalttaten israelischer Siedler gegen Palästinenser.

Im Krieg Israels gegen die Hamas im Gazastreifen wurden Militärangaben bisher 281 Soldaten getötet. Auf palästinensischer Seite kamen mindestens 35.386 Menschen ums Leben. Die von der Terrororganisation Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde macht aber keine Angaben dazu, wie viele dieser Personen Militante sind und wie viele Zivilisten.

In den Bemühungen um eine Waffenruhe wurde Jack Sullivan, der Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden am Samstag in Saudi-Arabien erwartet. Am Sonntag sollte er Israel besuchen.Der militärische Anführer der Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, habe nach Einschätzung der USA eine Einigung bei den jüngsten Geisel-Gesprächen verweigert in der Hoffnung, dass der internationale Druck auf Israel weiter steigt und zu einem Ende des Krieges führt, berichtete das Nachrichtenportal "Axios" am Freitagabend. Diese Einschätzung habe Sullivan kürzlich ausländischen Botschaftern bei einem Treffen gesagt, hieß es.

Die indirekten Verhandlungen über ein mögliches Geiselabkommen, das zu einer vorübergehenden Waffenruhe führen könnte, waren vergangene Woche nach mehrtägigen Gesprächen in Kairo und Doha in eine Sackgasse geraten. Am Freitag gab Israels Armee bekannt, die Leiche der Deutsch-Israelin Shani Louk sowie die zweier weiterer Geiseln im Gazastreifen gefunden zu haben. Sie seien bei einem Sondereinsatz geborgen worden. Unklar ist, wie viele der noch 129 im Gazastreifen verbliebenen Geiseln noch am Leben sind.