"Die Qualität setzt sich durch"

NEWS.AT traf den ÖFB-Teamverteidiger im Trainingslager in Bad Radkersburg

von
Interview Emanuel Pogatetz - "Die Qualität setzt sich durch"

NEWS.AT: Die EM-Quali ist eigentlich gelaufen. Was kann dieses Team erreichen?
Pogatetz: Man sieht schon, dass sich die österreichischen Spieler in den letzten Jahren weiterentwickelt haben. Es gibt junge Spieler mit Potenzial, die in der Nationalmannschaft schon teilweise gute Leistungen zeigen. Es ist ein Auf und Ab, aber man sieht, dass Potenzial da ist. Jetzt liegt es an allen Verantwortlichen - Spieler, Trainer in Vereinen und beim ÖFB, Verantwortliche der Clubs - dieses Potenzial auch auszuschöpfen und in Erfolge umzulegen. Wir treten noch zu den "falschen" Zeitpunkten gut auf. Gegen Deutschland, als der Zug schon mehr oder weniger abgefahren war, haben wir eigentlich gut gespielt. Davor gegen Belgien und die Türkei, wo wir eine starke Leistung gebraucht hätten, haben wir es nicht gezeigt. Da müssen wir stabiler werden und uns alle weiterentwickeln, damit wir auch Erfolge feiern und uns für eine Endrunde qualifizieren können.

NEWS.AT: Sie hatten unter Hickersberger einen schweren Stand, unter Constantini wurden Sie Kapitän. Andreas Ivanschitz und Martin Stranzl beispielsweise geht es genau umgekehrt. Woran liegt das? Geht es um persönliche Differenzen?
Pogatetz: Das kann man nicht sagen. Es ist in einer Karriere eben so, dass es immer auf und ab geht. Ich hatte damals ein Tief, jetzt ist es bei diesen Spielern so. Es gibt immer verschiedene Gründe, die da hineinspielen. Es ist sehr schwierig Spieler zu finden, die zehn Jahre lang durchgehend für eine Nationalmannschaft spielen. Das schaffen nur ganz große Stars. Es gibt immer wieder Verletzungen oder persönliche Gründe, weshalb man nicht eingeladen wird. Längerfristig glaube ich aber schon, dass sich Qualität durchsetzt.

NEWS.AT: Kann sich das ein Land wie Österreich leisten, auf Legionäre zu verzichten, die in Top-Ligen etabliert sind?
Pogatetz: Es spricht für den Kader, dass wir viele Spieler haben, die in der Nationalmannschaft spielen könnten. Ich bin in der glücklichen Lage, das nicht entscheiden zu müssen. Das entscheidet der Teamchef, ich muss mir da keine Gedanken drüber machen.

NEWS.AT: Also sehen Sie das Nationalteam grundsätzlich auf einem guten Weg?
Pogatetz: Ja. Ich glaube, dass die Menge der Spieler, die in Frage kommen, größer geworden ist. Früher waren dem Teamchef oft die Hände gebunden, weil er immer die Gleichen einladen musste. Jetzt gibt es viele junge Spieler, die gute Leistungen zeigen und der Teamchef hat mehr Spielraum, wen er einlädt und wen nicht.

NEWS.AT: Und wie geht es mit Marko Arnautovic weiter?
Pogatetz: Er hat alles selber in der Hand. Man muss schauen, wie er sich verhält. Auf dem Platz und auch außerhalb.

NEWS.AT: Was würden Sie Ihrem Verein raten, wenn Hannover 96 Marko Arnautovic kaufen möchte?
Pogatetz: Das werde ich zum Glück nicht gefragt.

NEWS.AT: Sie sind gut in ihre Karriere gestartet, früh nach Leverkusen gegangen. Über den Umweg Aarau und GAK sind Sie schließlich in England gelandet. Haben Sie zwischendurch an sich gezweifelt, nachdem es bei Leverkusen nicht geklappt hat?
Pogatetz: Nein, eigentlich nicht. Ich habe immer an mich geglaubt. Das war wichtig. Aber auch Leverkusen hat an mich geglaubt, auch wenn sie mich verliehen haben. Das war immer mit dem Ziel verbunden, dass ich mich weiterentwickle und später für Bayer auflaufe. Sie wollten ja auch, dass ich in Leverkusen bleibe. Finanzielle Aspekte waren dann ausschlaggebend, dass sie mich nach England ziehen haben lassen. Ich glaube, es war schon in Ordnung, wie meine Karriere verlaufen ist. Und Leverkusen hat da sicher einen Anteil daran, dass ich so eine Karriere hinlegen konnte.

NEWS.AT: War Leverkusen dann bei Ihrer Rückkehr aus England ein Thema?
Pogatetz: Ja, Leverkusen hat mich auch beobachtet. Aber Hannover hat mir am meisten zugesagt und ich habe hier auch die besten Chancen gesehen, von Anfang an zu spielen und gute Leistungen zu zeigen.

NEWS.AT: Sie waren in Middlesborough Kapitän einer Premier-League-Mannschaft. Wie hoch ist das einzuschätzen?
Pogatetz: Naja, wichtig war, dass ich regelmäßig gespielt habe. Ich glaube, Leistung zählt immer als Erstes. Ich habe dort fünf Jahre lang einen Stammplatz gehabt, wie jetzt in Hannover auch. Natürlich bin ich auch stolz, dass ich dann Kapitän war. Das ist aber auch immer eine Frage des Trainers. Aber Leistung auf dem Platz zählt für mich mehr.

NEWS.AT: Am Ende der letzten Saison gab es Gerüchte über einen Wechseln zu Bayern München? War da was dran?
Pogatetz: Ich habe von Anfang an gesagt, dass das eine Zeitungsente sein muss. Mit mir hat niemand gesprochen. Ich habe das auch nicht so ernst genommen. Natürlich ist es schön, wenn man mit so einem Verein in Verbindung gebracht wird, woher auch immer. Aber schlussendlich war nichts dran.

NEWS.AT: Das Karriereende ist hoffentlich noch weit weg. Aber gibt es schon Pläne für die Zeit danach?
Pogatetz: Natürlich macht man sich Gedanken und es gibt einige Optionen, die in meinem Kopf zur Zeit herumgehen. Ich will auf jeden Fall im Fußball bleiben und damit weiter zu tun haben. Fußball war bis jetzt mein Leben und das wird auch immer so sein.

NEWS.AT: Könnten Sie sich vorstellen vor dem Karriereende noch einmal in Österreich zu spielen?
Pogatetz: Ich will nichts ausschließen, aber in meiner jetztigen Planung spielt es nicht unbedingt eine Rolle.

NEWS.AT: Derby-Abbruch in Wien, Platzsturm in Frankfurt, Krawalle in Basel. Und jetzt zittert die zweite Deutsche Liga vor der nächsten Saison. Sind die Fans außer Kontrolle?
Pogatetz: Das würde ich nicht sagen. Ich glaube, dass sind nur Randgruppen. In der deutschen Bundesliga hat man das eigentlich sehr gut unter Kontrolle. In England auch, dort war das nicht immer so. Im Großen und Ganzen sieht das auch in der österreichischen Bundesliga ganz gut aus. Aber es ist schwierig, wenn es kleine Gruppen gibt, die gar nicht wegen des Fußballs ins Stadion kommen, sondern zum Teil sogar aus der ganzen Welt extra anreisen. Auch bei Rapid war das ja offenbar so, dass einige extra nach Österreich gekommen sind. Es ist schwierig, so etwas zu unterbinden. Ich finde es richtig, dass Rapid jetzt durchgreift und Stadionverbote ausspricht. Nur so kann man das in den Griff bekommen, weil es nur einen kleinen Teil der Fans betrifft. Doppelt schade ist es, wenn richtige Fans mit ihren Kindern oder der Familie wegen diesen Leuten nicht ins Stadion kommen.

NEWS.AT: Man muss sich über den Umgang der Fans mit den Spielern manchmal schon wundern. Was sagen Sie zu Manuel Neuer und den Bayern-Anhängern?
Pogatetz: Das ist für mich ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite geht das mit Manuel Neuer schon zu weit, weil er deutscher Nationaltorhüter ist und super Leistungen bringt. Eigentlich sollten sich die Fans freuen, dass er zum Verein kommt. Auf der anderen Seite war er halt sehr lange auf Schalke, die nicht unbedingt gut mit den Bayern können. Natürlich wünscht sich ein Verein, der viel Geld für einen Spieler ausgibt, dass der dann von den Fans gut aufgenommen wird. Aber man kann sie nicht dazu zwingen. Am wichtigsten sind trotzdem noch die Fans. Weil wenn Bayern München nicht so viele hätte, wären sie auch nicht so gut aufgestellt und könnten sich keinen Manuel Neuer kaufen. Ich kann beide Seiten ein wenig verstehen, aber für mich bleiben die Fans trotzdem immer vorrangig. Die haben auf jeden Fall das Recht ihre Meinung zu sagen. Und wenn die Fans damit nicht einverstanden sind, dann ist das eben so.

NEWS.AT: Wie groß ist überhaupt der Druck, der auf einem Fußballer lastet?
Pogatetz: Wenn man keine Leistung bringt, wird man ausgetauscht. Das ist nunmal so. Wenn man Fußballprofi ist, dann muss man damit zurechtkommen. Es ist schade, wenn der Eine oder Andere das nicht kann und natürlich würde man sich wünschen, dass es mehr Anlaufstellen gibt. Aber es ist schwer sowas auszuschalten. In einem Leistungssport wird es immer Druck geben.

Zur Person:
Emanuel Pogatetz wurde 1983 in Graz geboren. Fußballerisch aufgewachsen ist der Verteidiger bei Sturm Graz, wechselte im Sommer 2000 zu seiner ersten Profistation, dem FC Kärnten. Schon 2001 wurde der Linksfuß von Bayer Leverkusen verpflichtet, wurde in der Folge zum FC Aarau, dem GAK und Spartak Moskau verliehen. 2005 wurder Pogatetz dann vom FC Middlesbrough verpflichtet, wo er bis 2010 wichtiger Bestandteil der Mannschaft war und sogar Kapitän wurde. Seit 2010 ist „Mad Dog“, wie ihn die Fans nennen, bei Hannover 96 unter Vertrag. Der Grazer spielte seit der U-16 in diversen ÖFB-Auswahlteams. Insgesamt 40 A-Länderspiele bestritt Pogatetz bisher, erzielte dabei zwei Tore.