Igor Levit: Expressive Ekstasen

Der weltweit gefeierte junge Pianist gastierte im Wiener Musikverein

von Menschen - Igor Levit: Expressive Ekstasen © Bild: www.gregor-hohenberg.com

Am Donnerstag brachte er in der Londoner Wigmore Hall das oft gelassene britische Publikum zu stehenden Ovationen. Eingeleitet von einer Pascaglia des Bach-Vorgängers Johann Kaspar Kerll gab Igor Levit nach Bachs "Ricercar a 3", Busonis Bach-Fantasie und Stücken aus Bachs "Kunst der Fuge" eines der Königswerke der Klavierliteratur: Ferruccio Busonis „Fantasia Contraputtistica“ geriet in seinen Händen zum atemberaubenden, auratisch-ekstatischen Erlebnis.

Drei Tage danach gastierte Levit im Wiener Musikverein. Quasi als Einstimmnummer gab er Johann Sebastian Bachs über zwanzig Minuten währende D-Dur-Partita. Schon da war klar, hier tritt nicht einer an, der mit seiner Virtuosität protzen will, sondern einer, der etwas zu erzählen hat. Levit bringt das Klavier zum Singen, er lässt jeden Ton wirken. Franz Schuberts „Six Moments musicaux“ wirken durch die totale Verinnerlichung. Beim Largo baut er Spannung auf, beim Adagio nimmt er sich Zeit, verhält Noten und leicht, behend führt er durch das Allegretto.

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Expressiver Marathon

Nach über einer Stunde Spiel folgen die nächsten Gewaltakte an die pianistische Kondition. Und die hat er. Oder lässt er sich von seinem Spiel tragen, mitreißen. Beethoven „Sturm“-Sonate wird zum Schauspiel. Der Musiker und das Instrument erscheinen wie ein Körper, der Steinway singt, der Pianist wirkt wie dessen „Sprachrohr“. Das ist gelebte Musik.

Und dann Sergej Prokofjews Opus , die zweite Kriegssonate aus dem Jahr 1942. Ein erster Blick auf das Programm könnte für viele wie die Demonstration eines Virtuosentums anmuten, doch Levit zeigt seinen Sinn für Musikdramaturgie. Am Ende dieses Werks steht eine Toccata. Scharf, hart klingt der Anschlag, ein fulminantes, atemberaubendes Feuerwerk entfacht Levit damit an Steinway. Nach zwei Stunden ist Levit alles andere als erschöpft. Rasant gibt er eine Polka von Schostakowitsch drauf. Die Krönung des Abends – oder möglicherweise auch der Konzertwoche in London und in Wien – bringt er am Ende mit Busonis Bach-Variation „Nun komm der Heiden Heiland“. Ganz verinnerlicht bringt Levit den Choral zum Erklingen. Und diese Musik wirkt weiter.

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