Schwestern und enge Verbündete

Offen und ehrlich wie nie: Christiane und Maresa Hörbiger im großen NEWS-Interview

von Hörbigers Familientalk - Schwestern und enge Verbündete © Bild: NEWS/Ricardo Herrgott

NEWS: Sie stehen im Film "Meine Schwester" erstmals gemeinsam vor der Kamera. Was hat es gebraucht, Sie nach so langer Zeit endlich zur Zusammenarbeit zu bewegen?
Christiane Hörbiger: Ein sehr gutes Drehbuch und eine spannende Rolle, die mein Sohn Sascha Bigler seiner Mutter auf den Leib geschrieben hat. Er wollte die Geschichte des Ladens für Filmdevotionalien in der Himmelpfortgasse erzählen, der von zwei alten Damen geführt wird. Daraus ergab sich die Frage, wer meine Schwester spielen soll. Ursprünglich dachten wir an Elisabeth Orth, unsere ältere Schwester. Doch dann hat mein Sohn vorsichtig bei Maresa angeklopft.
Maresa Hörbiger: Ich bin vor Glück geplatzt, diesen Film mit Christiane zu machen. Natürlich habe ich mich gefragt, wie wir uns miteinander tun werden. Christiane hat sehr viel Fernsehen gemacht, ich hauptsächlich Theater. Das war einerseits reizvoll, andererseits riskant.
Christiane Hörbiger: Wir konnten uns in netter Atmosphäre, in Saschas Wohnung, annähern. Ohne, dass uns alle zugeschaut haben und sich fragten, wie können die miteinander.
Maresa Hörbiger: Wir waren direkt miteinander konfrontiert, aber es lief völlig problemlos. Christiane hat es mir leicht gemacht.
Christiane Hörbiger: Wir mussten lernen, uns in die Augen zu schauen. Man kann das als Schwestern, aber als Filmfiguren ist das etwas völlig Anderes. Ich bin bei ersten Proben auch immer ein bisschen nervös, ob ich das Gelernte auch schön brav heraussprudeln kann. Wenn mir jemand dabei zuschaut, bin ich manchmal unsicher und verlegen. Doch meine Bedenken waren nach der ersten Probe weg.
Maresa Hörbiger: Ich war auch verlegen. Als Geschwister sind wir auf Augenhöhe, aber im Film ist das etwas Anderes. Mein Gott, Christiane hat soviel gemacht, sie ist ein Star. Dazu kam noch Sascha, mit dem Christiane eine sehr starke Bindung hat. Ich habe mich gefragt, ob ich da dazwischen komme. Doch diese Ängste waren sehr bald verschwunden, weil die beiden sehr professionell mit der Situation umgegangen sind.
Christiane Hörbiger: Maresa tut jetzt so, dabei hat sie hat ja schon sehr viel gedreht.
Maresa Hörbiger: Naja... Aber es gab eine lustige Situation. Wir mussten improvisieren und uns die für uns größten Schimpfworte an den Kopf werfen. Christiane sagte dann ‚alte Vettel’ zu mir, was absolut zur Szene gepasst hat. Danach kam sie zu mir und fragte: Bist du böse, weil ich das gesagt habe? Das hat sie als Schwester zu mir gesagt, das war wirklich herrlich.
Christiane Hörbiger: Ich habe Heimweh nach dieser Zeit unserer Dreharbeiten.

NEWS: Wird es weitere Filme und Stücke mit Ihnen gemeinsam geben?
Christiane Hörbiger: Das wäre wunderbar!
Maresa Hörbiger: Herrlich! Weil wir uns wirklich sehr gut getan haben und das ist nicht selbstverständlich. Wir haben denselben Beruf, aber zwei ganz unterschiedliche Wege gewählt. Ich habe in Berlin Theater gespielt, während Christiane gerade ihre erste Serie gedreht hatte und hoffte, dass es gut ankommen würde. Deshalb war es so wohltuend, dass wir keinerlei Konkurrenzgefühl hatten.
Christiane Hörbiger: Ich habe meine beiden Schwestern Maresa und Elisabeth immer bewundert: sie spielten am selben Theater, in derselben Stadt mit dieser wahnsinnigen Belastung von beiden Eltern. Wie die beiden das ausgehalten haben... Ich war froh, dass bei mir der Arlberg dazwischen lag und ich am Zürcher Schauspielhaus die Einzige war. Obwohl die größere Bewunderung der Wiener den Burgschauspielern gilt.
Maresa Hörbiger: Inzwischen nicht mehr.
Christiane Hörbiger: Schon. Aber ich war froh, dass ich in Zürich mein Reservoir hatte und nicht mit meinen Schwestern in Konkurrenz treten musste.

NEWS: Im Film spielt auch Ihr Neffe Cornelius Obonya mit. Schafft das mehr Reibungspunkte, wenn mehrere Familienmitglieder zusammen arbeiten?
Christiane Hörbiger: Mir hat es gar nichts ausgemacht. Ich habe nur gehofft, dass es dem Sascha gut geht und dass er nicht zu leicht angezogen ist (lacht) . Aber ich wusste, er ist in London und Amerika sehr gut ausgebildet worden.
Maresa Hörbiger: Sascha hat sich ganz schön viel aufgelastet: Die Tant’, die Mutter, der Cousin, der Hund, die Kinder und der Tiger im Zoo.
Christiane Hörbiger: Er hat seinen ersten großen 90-Minüter gemacht, dadurch war das Team besonders lieb zu ihm und umgekehrt. Seinem Team stand er näher als uns.

NEWS: Hat Sie das gestört?
Christiane Hörbiger: Nein, eigentlich nicht. Ich war froh für ihn.

NEWS: Wer war die Strengere von Ihnen beiden am Set?
Maresa Hörbiger: Du warst streng, was die Zeit angeht. Du gibst deine eigene Disziplin sehr stark weiter. Muss auch sein. Sonst waren wir sehr lustig.
Christiane Hörbiger: Wir hatten eine große Hetz. Nur Sascha war sehr streng mit uns.
Maresa Hörbiger: Stimmt. Einmal war ich sogar ein bisschen gekränkt. Aber ich habe es ihm gesagt und er hat sofort erklärt, warum er so reagiert hat.

NEWS: Im Film schenken Sie sich nichts. Ist das im wahren Leben auch manchmal so?
Christiane Hörbiger: Ich sage nein.
Maresa Hörbiger: Ich auch.
Christiane Hörbiger: Ich würde mir nie im Leben die Adresse, die ich heute bei Maresa hier in Grinzing habe, wegen irgendeiner ernsthaften Diskussion aufs Spiel setzen. Es ist wichtig, dass wir gesund und am Leben sind und einander haben. Ich kann jederzeit, Tag und Nacht zu Maresa kommen, wenn ich sie brauche.
Maresa Hörbiger: Eine enge Verbindung zu haben, ist wirklich wichtiger als irgendeine politische Diskussion, bei der wir wahrscheinlich anderer Meinung wären.
Christiane Hörbiger: Obwohl Maresa manchmal sagt, ich wäre zu harmoniesüchtig.
Maresa Hörbiger: Ja, das ist richtig! Sie ist eine Waage. Außerdem ist es doch verständlich, dass Christiane als junge Schauspielerin weder zu Elisabeth noch zu mir tendieren und lieber ihren eigenen Weg gehen wollte. Das meint sie damit, wenn sie sagt, ich bin ein Sandwich-Kind. Es geht darum, sich nicht erdrücken zu lassen. Christiane, du stehst nicht zwischen uns, sondern du harmonisierst uns.
Christiane Hörbiger: Das sehe ich als meine Aufgabe unter uns drei Schwestern.
Maresa Hörbiger: Trotzdem könntest du manchmal ein bisschen kritischer sein.
Christiane Hörbiger: Das ist alles relativ.

NEWS: Wer von den drei Schwestern steht sich am nächsten?
Christiane Hörbiger: Elisabeth und ich waren uns als Kinder näher, sie ist nur knapp drei Jahre älter als ich. Obwohl wir auch sehr viel gestritten haben. Elisabeth und ich konnten anders über den Beruf miteinander sprechen. Nach dem Tod meines Mannes hat Elisabeth durchgesetzt, dass meine Eltern mich in zwei Rollen in Zürich sehen konnten. Das war in "Orpheus" und "Hamlet", übrigens beide mit Christoph Waltz. Das hat uns sehr zusammengeschweißt. Doch in den letzen zehn Jahren ist mir Maresa näher geworden, auch durch ihre Lebensbejahung. Und sie hat auch den gleichen Humor wie ich.
Maresa Hörbiger: Das ist eine große Verbindung zwischen uns. Gott sei Dank bist du da jetzt drauf gekommen.
Christiane Hörbiger: Elisabeths Humor geht ein bisschen mehr ins Intellektuelle.
Maresa Hörbiger: Wir amüsieren uns eher über die einfachen Sachen.
Christiane Hörbiger: Wenn ich in der Evangelischen Kirche in Hamburg meine Weihnachtslesung habe und mich verspreche, kann ich dass Maresa vorspielen und sie wird lachen.
Maresa Hörbiger: Dann ist es nicht so schlimm! Wir haben alle unsere Melancholien, aber das Lachen verbindet.

NEWS: Maresa, waren Sie als Jüngste die Revoluzzerin der Familie?
Maresa Hörbiger: Nein, das war die Älteste.
Christiane Hörbiger: Sie war ganz toll und hat sich immer einer Diskussion mit meiner Mutter gestellt.
Maresa Hörbiger: Über Religion zum Beispiel. Sie hat wirklich revoltiert, während ich eher gedrückt war. Ich hatte vier Leute über mir: die Eltern und die beiden Schwestern. Da habe ich meine eigene Welt entwickelt. Ich hatte euch immer vor mir und bin euch letztlich nachgelaufen. Ich hätte vielleicht gerne etwas Anderes gemacht, als Schauspielerin zu werden. Ich hatte aber das Gefühl, ich könnte mir das nicht leisten, sonst gehöre ich nicht dazu.

NEWS: Welchen Beruf hätten Sie sonst ergriffen?
Maresa Hörbiger: Neulich hat mir Christiane Frage dieselbe Frage gestellt. Ich hätte gerne eine großartige Entdeckung gemacht, eine Erfindung, so wie mein Großvater, und hätte daraus ein Unternehmen gemacht. Nun ist das Theater am Himmel mein Unternehmen, aber keine richtige Erfindung. Ich wollte das Haus unserer Eltern erhalten und musste mir etwas ausdenken.
Christiane Hörbiger: Damit hast du es auch erfunden.

NEWS: Was schätzen Sie aneinander am meisten und womit haben Sie Ihre größten Schwierigkeiten?
Christiane Hörbiger: Ich finde bei Maresa immer ein offenes Ohr. Sie hat die seltene Gabe innerhalb unserer Familie, nicht nur von sich zu sprechen. Schwierigkeiten habe ich höchstens damit, dass sie nicht zum Telefon geht und nicht dann zurückruft, wenn ich es gerne hätte.
Maresa Hörbiger: Meine Schwester ist meiner Mutter, die mit ihrer Karriere immer über uns stand, im Erfolg nachgekommen. Aber trotz ihrer tollen Karriere, ist sie fassbar, nicht so wie mit meiner Mutter. Aber was mir nicht gefällt?...
Christiane Hörbiger: Jetzt kommt’s!
Maresa Hörbiger: Die Freiheit haben, ihr zu sagen: Wir haben ein Treffen zwar ausgemacht, aber ich würde dich dann doch lieber am nächsten Tag sehen. Das darf man nicht. Dann ist es aus und sie fragt: Wieso, bist du krank? Und sagt: Nein, nein, du kommst jetzt!
Christiane Hörbiger: Eine Säuerlichkeit tritt dann bei mir auf.
Maresa Hörbiger: Ja, und das verzeiht sie auch nicht so schnell, obwohl sie letztlich nicht nachtragend ist.
Christiane Hörbiger: (lacht schallend) .
Maresa Hörbiger: Das würden wir uns normalerweise nicht sagen, darum war diese Frage ein bisschen prekär.

NEWS: Hatten Sie, Christiane, das Gefühl, Ihre jüngere Schwester beschützen zu müssen?
Christiane Hörbiger: Ich hatte sehr lange das Gefühl, für Maresa verantwortlich zu sein. Dass sie nicht unter eine Straßenbahn kommt oder ihr etwas dergleichen passiert. Ich habe sogar geträumt, dass ich nicht gut auf sie aufgepasst habe, obwohl ich tatsächlich gar nicht so oft auf sie schauen musste. Das Gefühl hatte ich, bis ich meinen Buben bekommen habe.
Maresa Hörbiger: Schon als Kind wollte Christiane ein großer Filmstar werden. Also haben wir gespielt, sie sei der Star und ich ihre Begleiterin. Ich habe mich dabei nicht schlecht gefühlt aber gedacht, es könnte auch einmal umgekehrt sein. War es aber nicht.
Christiane Hörbiger: Das haben wir gespielt?
Maresa Hörbiger: Ja, natürlich.
Christiane Hörbiger: Nein, entsetzlich!
Maresa Hörbiger: Du hast dich Linda Green genannt. Endlich darf ich das sagen! Green kam von meiner Mutter. Christiane hatte immer einen sehr blassen Teint, deshalb "Green".
Christiane Hörbiger: Der ständige Spruch meiner Mutter war: Du bist wieder blass! Reib dir die Wangen!

NEWS: Wie sehr hat Sie Ihre Mutter in Ihrem Frausein beeinflusst?
Christiane Hörbiger: Meine Mutter war eine Vorprescherin in der Emanzipation. Sie hat einmal etwas gesagt, das bei mir großen Eindruck hinterlassen hat: "Der Papa hat schon viel angestellt". Das hat bedeutet, dass er auch manchmal auf andere Röcke geguckt hat. "Aber er hat mich immer arbeiten lassen." Er hat nie gesagt, bleib gefälligst bei den Kindern.
Maresa Hörbiger: Weil er wusste, dass das gar nicht möglich war. Wir waren sehr alleine im Frauenleben.
Christiane Hörbiger: Da haben wir uns selbst durchgewurstelt (beide lachen) .
Maresa Hörbiger: Im Frauenleben haben wir uns anders orientiert.
Christiane Hörbiger: Obwohl unsere Mutter nicht prüde war. Sie war sogar sehr fortschrittlich, wozu sie uns ermuntert hat. Wir sind nicht an einem Tisch gesessen, und haben darüber gesprochen. Das passierte immer zwischen Tür und Angel.
Christiane Hörbiger: Sie hat uns anhand ihres eigenen Lebens gezeigt, wenn ich in meiner Ehe nicht so brav gewesen wäre, wäre nichts aus mir geworden. Wenn sie sich im Privatleben ausgelebt hätte, mit Rauchen, Trinken und zu vielen Männern, hätte sie sich verausgabt und wäre nicht mehr fähig gewesen, mit über 60 noch große Rollen am Burgtheater zu spielen. Deshalb ist sie in der Beziehung sparsam mit sich selbst umgegangen. Auf der anderen Seite haben ihr ihre Kolleginnen imponiert, die das mehr ausgelebt haben.
Maresa Hörbiger: Diese Sehnsucht war bei ihr schon da.

NEWS: Will man das als Tochter anders machen?
Maresa Hörbiger: Ich schon. Ich wollte unter keinen Umständen mit einem Mann leben, der woanders hinguckt, wie du es vorher so freundlich über unseren Vater gesagt hast. Darum habe ich mich getrennt. Ich wollte diese Schmerzen nicht erleben, die meine Mutter erfahren musste. Ich hätte ihr ein heitereres Leben gewünscht. Ich weiß nur nicht, ob sie das ohne meinen Vater gehabt hätte. Sie mussten als Ehepaar nach außen hin immer den Schein wahren, dass alles in Ordnung ist. Letztlich haben sie es trotzdem gut durchgehalten.
Christiane Hörbiger: Meine Mutter wurde erst in meinen späten Jahren ein Vorbild, was Disziplin anlangt.
Maresa Hörbiger: Du hast das Ausmaß ihrer Karriere erreicht, das muss man klar sagen. Damit hast du ihr nachgestrebt.
Christiane Hörbiger: Meine beiden Schwestern haben große Bilder von Mutter und Vater im Wohnzimmer aufgehängt. Das habe ich prinzipiell nicht getan. Ich glaube, das sagt alles.