Hitziger Sitzungsmarathon im Nationalrat:
Mehrwertsteuersenkung nach wie vor offen

Pensionserhöhung & Pflegegeld unter Dach und Fach Opposition spart nicht mit Kritik an der Regierung<br> PLUS: Die 72. Nationalratssitzung live auf news.at

Hitziger Sitzungsmarathon im Nationalrat:
Mehrwertsteuersenkung nach wie vor offen

Redner des Bündnisses schossen nämlich in ihren Ansprachen nicht auf die ÖVP sondern durchgehend auf die Sozialdemokraten. Auf ein dezidiertes Nein zur Mehrwertsteuersenkung, die vom BZÖ immerhin im eigenen Wahlprogramm und einem orangen Volksbegehren verlangt wird, legte man sich im Bündnis trotzdem noch nicht fest. Die Entscheidung werde erst kurz vor der Abstimmung am späteren Abend fallen, hieß es von oranger Seite.

Pflegegeld beschlossen, Pensionsanpassung steht
Die Erhöhung des Bundespflegegeldes ist im Nationalrat einstimmig beschlossen worden. Wirksam wird die Erhöhung mit 1. Jänner 2009. Kritik an der Gesetzesvorlage kam bei der vorangegangenen Diskussion von Grünen, BZÖ und FPÖ.

Auch die Pensionserhöhung für das Jahr 2009 ist durchgegangen. Demnach werden die Renten bereits ab November dieses Jahres gemäß dem Pensionistenpreisindex von 3,4 Prozent angepasst. Hinzu kommt noch eine gestaffelte Einmalzahlung im Gesamtwert von 183 Millionen Euro, die Pensionisten mit einem Bezug bis zu 2.800 Euro erhalten.

Hacklerregelung durchgegangen
In einem anderen bis heute noch offenen Punkt benötigt SPÖ-Chef Werner Faymann für die Umsetzung seiner Vorwahlwünsche das BZÖ nicht mehr. Denn die SPÖ hat sich mit FPÖ und Grünen nicht nur auf die Verlängerung der Hacklerregelung verständigt sondern auch auf eine außertourlich hohe Pensionserhöhung 2009 - nämlich gemäß dem Pensionistenpreisindex von 3,4 Prozent - angereichert noch durch eine Einmalzahlung. Eine absurde Situation bahnt sich bei der 13. Familienbeihilfe an, wo praktisch gleich lautende Anträge von SPÖ und ÖVP zur Abstimmung stehen und auch beschlossen werden könnten. Dann müssten die Gerichte klären, welches Gesetz zählt.

SPÖ und ÖVP erwartungsgemäß zerstritten
Am Vormittag beschäftigte man sich aber noch bevorzugt mit der Vernichtung des politischen Gegners. VP-Obmann Wilhelm Molterer nützte eine Erklärung zur internationalen Finanzmarktkrise dafür, das Fünf-Punkte-Programm der SPÖ zu zerpflücken, mit Schwerpunkt auf der Mehrwertsteuersenkung. Entlastung müsse leistbar sein, was aber bei Beschluss des Faymann-Paketes heute im Nationalrat nicht mehr der Fall wäre. Wenn jetzt das Geld ausgegeben werde, sei dann keine Entlastung für Familien und Mittelstand möglich, mahnte der ÖVP-Obmann.

Noch härter langte Klubobmann Wolfgang Schüssel zu: "Die gleiche Mentalität, die die Wall-Street-Zocker auszeichnet, haben Sie von Rot und Blau", tönte der Alt-Kanzler, um gleich noch einmal direkt gegen SP-Chef Werner Faymann nachzulegen: "Ich glaube, wir sollten Weihnachten am 24. Dezember lassen und nicht Faynachten am 24. September."

Der SPÖ-Vorsitzende ließ sich seine Wünsche nicht vermiesen. Es sei jetzt nicht an der Zeit, wie die ÖVP in erster Linie über Spitzensteuersatz, Kaviar und Wachteleier zu diskutieren sondern über die Preise, die die Menschen an der Supermarktkasse zu bezahlen hätten. Und die eigentlich von der SPÖ für 2009 geplante Steuerreform sei ja wegen des Widerstandes der Volkspartei unmöglich geworden.

"Überheblichkeit" und "Kälte" der ÖVP im Kampf gegen die Auswirkungen der Inflation ortete dementsprechend SPÖ-Klubobmann Josef Cap. Auch das BZÖ vergaß er nicht. Dass das Bündnis heute gegen die eigene Forderung nach Mehrwertsteuer-Halbierung zu stimmen gedenke, empfand er als Skandal. Caps Vermutung: Ein Deal des BZÖ mit der ÖVP.

Regierung einmal mehr im Visier der Opposition
BZÖ-Klubobmann Peter Westenthaler gab sich ein wenig traurig, dass das orange Bündnis der Steuersenkung wohl nicht nahe treten könne. Auch das BZÖ sei für die Halbierung des Steuersatzes, aber es fehle eine Garantie, dass die EU auch eine Umsetzung gestatte, so Westenthaler Bezug nehmend auf einen entsprechenden Brief von Steuerkommissar Laszlo Kovacs. Daher wolle man nichts versprechen, was man nach der Wahl dann nicht halten könne.

Die FPÖ stimmt zwar heute bei den diversesten Punkten des Faymann-Paketes mit der SPÖ mit, ließ sich deshalb aber nicht von heftigen Angriffen gegen die Sozialdemokraten abbringen. Im Fokus: Parteichef Werner Faymann. Dieser habe schließlich zwei Jahre lang sämtliche Maßnahmen der Großen Koalition gemeinsam mit seinem Gegenüber als Regierungskoordinator, Josef Pröll, abgestimmt, erinnerte FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. Einen großen Unterschied zu Noch-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer werde es daher wohl auch mit Faymann nicht geben: "Ich frag mich, wo ist da eine neue Wahl. Der ist eine alte Qual."

Grünen-Bundessprecher Alexander Van der Bellen nahm beide Koalitionsparteien ins Visier, vor allem in Sachen Steuerreform. Die SPÖ rufe zwar nach einer Steuerentlastung, habe aber noch immer kein Konzept zusammengebracht. Da sei die ÖVP in ihrem Zynismus schon konsequenter. Die habe die Menschen überhaupt nie 2009 entlasten wollen und habe sich folgerichtig auch keine Gedanken gemacht. Besonders erregt ist der Grünen-Chef aber wegen des ohnehin chancenlosen FPÖ-Antrags, wonach künftig bei größeren Vertragsänderungen Volksabstimmungen durchgeführt werden müssten. Indem die SPÖ hier mitstimme, helfe sie dabei, einen ersten Schritt aus der Union hinaus zu setzen. (apa/red)