Die Chancen vor Durchgang 2

Peter Pelinka über Parallelen und Unterschiede zwischen der Wahl 1992 und heute

von Peter Pelinka © Bild: NEWS

Der Sieger von Durchgang 1 war ins Schwitzen gekommen: Rudolf Streicher, damals 53-jähriger „Minister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr“, präsentierte sich den TV-Zusehern am Sonntag, dem 26. April 1992, müde und enttäuscht. Zwar lag er mit 40,6 Prozent der Stimmen um mehr als drei Prozent vor dem von der ÖVP aufgestellten Thomas Klestil (37,2), aber nicht nur Streicher hätte einen größeren Vorsprung des Politroutiniers vor dem Spitzendiplomaten (zuletzt Botschafter in den USA) erwartet. Dazu kamen noch zwei spezielle Pannen: Josef Cap, als SP-Zentralsekretär Wahlkampfleiter, erholte sich noch von den Strapazen des sonntäglichen Marathonlaufes. Dessen Kollege Peter Marizzi wiederum hatte Streicher zu einem volksnahen Fußmarsch zwischen SPÖ-Zentrale und Hofburg geraten – und dem Kandidaten damit zahlreiche letzte Kontakte statt der nötigen Zeit zur Konzentration beschert. Erste Folge: Streicher kam erst in letzter Minute zur Kommentierung des Erstergebnisses und machte dementsprechend schlechte Figur. Zweite Folge: Nach dem zweiten Wahlgang am 24. Mai lag er mit 43,1 Prozent um 13,8 hinter dem stets dynamisch auftretenden Klestil. Jörg Haider hatte den Großteil der Wähler seiner Kandidatin Heide Schmidt (16,4 Prozent) zur Wahl Klestils vergattert; „plötzlich sind auch in meiner Heimatgemeinde schlagende Burschenschafter für den CVer Klestil gelaufen“ (Streicher).

Nun gibt es ganz andere Startbedingungen für den zweiten Lauf. Norbert Hofer liegt um 13,7 Prozent vor Verfolger Van der Bellen. Und die Zeiten sind vorbei, in denen Parteichefs ihre Mitglieder zu einer bestimmten Wahl vergattern konnten. Streichers Tipp: „Es wird schwierig für Van der Bellen, aber nicht unmöglich.“ Die geschlagenen Regierungsparteien warnt der heutige Unternehmensberater vor „hysterischen Schnellschüssen“, er empfiehlt einen Dreischritt: „Zuerst schuf der liebe Gott den Befund, dann suche man die Strategie, zuletzt die passenden Personen.“ Sofort müsse sich aber eins ändern: „Die Koalitionsparteien müssen sich rasch intern auf wichtige Projekte einigen und sie dann gemeinsam präsentieren.“

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