Mord aus Eifersucht?

Eine Staatsanwältin soll zwischen einem Banker und seinem Stiefbruder gestanden sein. Bis der Jüngere tot war. Erschossen. Die Frau hat zu dem Dreiecksverhältnis immer geschwiegen - bis jetzt.

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Liest man die Anklageschrift, ist der Fall relativ klar: Der Banker teilte mit seiner Exfrau nicht nur weiterhin ab und zu das Bett, sondern auch den Apple-Account. Er konnte daher mitlesen, wenn sein jüngerer Stiefbruder seiner Ex schrieb, sie solle schon mal "Bier einkühlen und Muschi anfeuchten", er komme gleich zu ihr. Da "musste", meinen die Ankläger, bei Andreas S. ja der Eindruck entstehen, "dass seine Ex-Gattin, die er nach wie vor liebt, und sein Stiefbruder möglicherweise ein Verhältnis hatten". Also nutzte er einen gemeinsamen Männerabend, um seinen Stiefbruder, der ihn so schäbig hintergangen hatte, zu töten. Ein Mord aus Eifersucht. So weit der Vorwurf.

Fakt ist: Der Stiefbruder, der damals 42-jährige Eric J., ist tot. Er wurde am 18. September 2015 gegen 0.46 Uhr in der Dachgeschoßwohnung von Andreas S. in Wien-Währing mit einer Glock erschossen, gezielt, mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe, sagt die Anklage. Unabsichtlich, es war ein Unfall, sagt der beschuldigte 45-jährige Banker. Er und sein Stiefbruder seien betrunken gewesen, er habe Eric seine beiden Waffen gezeigt und im "Gangster-Style" mit der unterladenen Glock herumgespielt. Nicht sehr sorgfältig, ja, dumm halt, wie zwei große Buben bei einem Männerabend halt so sind. Wie er die Waffe beim Herumspielen unabsichtlich geladen hat und wie es zum tödlichen Unfall kommen konnte, könne er nicht sagen, erzählt S. Wahrscheinlich habe sich der Schuss gelöst, als er mit der rechten Hand nach etwas gegriffen hat, das hinter ihm war. Warum er, nachdem er seinem Stiefbruder -unabsichtlich -in den Kopf geschossen hatte, nicht die Rettung rief, sondern stattdessen laut den Ermittlern den Laptop zuklappte, die Tatwaffe wieder im Safe verstaute, sämtliche Telefongespräche vom Vorfallsabend und der Vorfallsnacht aus dem Handyspeicher löschte, sich wusch, möglicherweise sogar duschte, sich Socken und eine Kapuzenjacke anzog, seine Exfrau anzurufen versuchte und erst 15 Minuten nach dem Schuss den Polizeinotruf wählte, kann S. auch nicht erklären.

Er könne sich an diese Zeitspanne nicht erinnern, seiner Meinung nach habe er unmittelbar nach der Schussabgabe die Polizei verständigt. Warum er dann am Telefon gesagt hat, dass "ein Mord" in seiner Wohnung passiert sei, dass er "einen Freund ermordet" habe -"ich war so dumm" -, und erst später von einem Unfall sprach, wird man vielleicht am Montag im Landesgericht Korneuburg erfahren. Da beginnt der Mordprozess gegen Andreas S. Mordprozess deswegen, weil die Staatsanwaltschaft die Unfallversion des Bankers so gar nicht glauben will (siehe Faksimile). Korneuburg, weil das an sich zuständige Wiener Landesgericht für Strafsachen das Verfahren delegiert hat. Aus Befangenheitsgründen. Auch in Korneuburg wurde schon ermittelt - nicht von Wiener Staatsanwälten. Denn jemand, der in dem Drama laut den Anklägern eine tragende Rolle spielt, ist eine Kollegin - die besagte Exfrau des Angeklagten ist Staatsanwältin in Wien.

Tratsch und Schweigen

Zwei Stiefbrüder, beide Banker, der eine Vorstandsmitglied, der andere Fondsmanager in einer Privatbank. Dazwischen eine Staatsanwältin. Viel "dirty talk". Und dann ist einer der Brüder plötzlich tot

Feinster Stoff für einen Krimi. Feinster Stoff für Journalisten. Genüsslich wurde daher in den vergangenen Tagen in den Medien das Privatleben der drei ausgeschlachtet und vieles gar nicht dezent angedeutet. Hat die Staatsanwältin jetzt auch mit dem Bruder oder nicht? Mit einem Polizisten jedenfalls hatte sie etwas. Und der sagt aus, dass S. "ein derart kontrollierender und eifersüchtiger Mensch" ist, dass die Staatsanwältin ihm "gewisse Verhaltensweisen auftrug, damit der Beschuldigte nicht von dieser Beziehung erfährt". Und: Obwohl sie geschieden waren, hatte die Frau weiterhin auch eine Affäre mit ihrem Ex, fuhr sogar gemeinsam mit ihm auf Urlaub. Und so weiter und so fort.

Und die Staatsanwältin? Sie schwieg zu dem Ganzen. Sie hat immer geschwiegen. Von Anfang an. Als Exfrau des Beschuldigten darf sie das, sie darf sich der Zeugenaussage entschlagen - auch wenn sie als Staatsanwältin einen Eid geschworen hat, dass sie immer alles in ihrer Macht Stehende tun würde, um Straftaten aufzuklären und die Wahrheit herauszufinden.

"Es gab diese Affäre nicht"

Jetzt bricht die Staatsanwältin erstmals ihr Schweigen. Und erklärt gegenüber News: "Ich hätte, gleich nachdem das passiert ist, aussagen können. Ich habe aber damals, so wie übrigens heute auch noch, nicht gewusst, was für eine angeblich zentrale Figur ich in diesem ganzen Verfahren sein soll. Und in weiterer Folge bin ich nicht mehr kontaktiert worden."

Aber jetzt, da sie spricht, die Schlüsselfrage: Ist sie die zentrale Figur in dem Drama?"Ich kann Ihnen nur so viel sagen: Es gab diese Affäre nicht", sagt die Staatsanwältin über ihr angebliches Verhältnis zu Eric J. Auch, dass sie nach der Scheidung die Beziehung zu Andreas S. weitergeführt habe, sei nicht wahr. "Wir waren befreundet. Wir hatten alle drei ein sehr gutes Verhältnis miteinander. Wir haben uns zu dritt getroffen oder in jeder Konstellation zu zweit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Exmann da irgendwie eifersüchtig geworden wäre." Aber sonst war er ja schon eher eifersüchtig? "Nein, war er nicht. Auch das ist eine Fehlinformation. Was der Polizist gesagt hat, stimmt auch nicht." Aber mit Verlaub -"Bier einkühlen und Muschi anfeuchten"? Wer bekommt schon solche Nachrichten von seinem Ex-Schwager, wenn man nur befreundet ist? "Diese Art der Konversation war eher einseitig, und ich bin nicht der Moralapostel, der meinen Freunden vorschreibt, wie sie sich auszudrücken haben", sagt die Staatsanwältin. "Man kann Nachrichten so und so interpretieren, so wie alles, und wenn man halt einen gewissen Weg verfolgt, dann legt man die Sachen halt so aus, wie man es selber gerne hätte."

Also alles Lügen, keine Affären, sondern vielmehr "eine ganz große Tragödie, nämlich alles, was da passiert ist", sagt die Staatsanwältin. "Und ich finde es auch sehr schade, dass das immer so präsentiert wird, quasi wie spannend das ist, dass das ein Eifersuchtsdrama gewesen sein soll, was es nicht war." Dass so eine Tragödie, die viele Menschen, allen voran Erics Kinder, schwer getroffen habe, medial so ausgeschlachtet werde, "find ich menschlich nicht so ganz in Ordnung". Abgesehen vom Menschlichen "ist es beruflich natürlich auch nicht lustig und sehr unangenehm, wenn man so dargestellt wird", sagt die Staatsanwältin. So flatterhaft. Dass sie bei den Kollegen Respekt eingebüßt hätte, merke sie zwar "eigentlich nicht. Aber vielleicht wird das mir gegenüber nicht so offen dargestellt." Die weitaus größere Gefahr sieht die junge Frau aber darin, "dass man ja angreifbar wird, wenn man da identifiziert werden kann. Und ich möchte das nicht haben, dass mich irgendwelche Beschuldigten angreifen können über mein Privatleben."

Apropos Privatleben. Den Kontakt zu Andreas S. hat die Staatsanwältin nicht abgebrochen, sie hat ihn auch im Gefängnis besucht. Glaubt sie ihm also seine Version der Geschichte?"Ich bin davon überzeugt, dass es ein Unfall war, ja." Und was, wenn doch nicht? Würde sie bei einer etwaigen Verurteilung den Kontakt abbrechen? "Es kommt darauf an, was bei dieser Verhandlung herauskommt, also insgesamt, nicht nur auf den Urteilsspruch. Oder würden Sie den Kontakt abbrechen zu jemandem, der Ihr Freund ist, wenn er verurteilt wurde, und Sie sind der Meinung, das passt nicht so ganz zusammen? Ich glaub, das macht man nicht mit Freunden, oder?"

Was man hingegen machen könnte, ist aussagen. Im News-Interview lässt die Staatsanwältin durchklingen, dass sie das am Montag "vielleicht" auch tun wird. Man darf gespannt sein, ob das tatsächlich passiert - und ob ihr die Geschworenen Glauben schenken. Wenn ja, wäre zumindest das Eifersuchtsmotiv dahin. Und der Fall plötzlich nicht mehr ganz so klar.

Kommentare

Laleidama

so viele Widersprüche auf einmal , da kann man nur schreiben, hart aber herzlich......trotzdem, das mit dem Bier einkühlen und Mu.....vermute, aus dieser Eifersuchts - Nummer kommt er nicht so leicht heraus......

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