Gemeinnütziger Wohnungssektor soll mehr bauen können

Verein für Wohnbauförderung will Stärkung des Sektors

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Durch den Bevölkerungszuwachs speziell in den Ballungsräumen und steigende Grund- und Immobilienpreise bis hin zu den privaten Mieten sei der Druck am Wohnungsmarkt immer stärker geworden, deshalb sei eine Stärkung des gemeinnützigen Bereichs unumgänglich, sagte Markus Sturm, Obmann vom Verein für Wohnbauförderung (vwbf), am Donnerstag. Der Sektor verschaffe zwei Millionen Bewohnern günstige Mieten, die im Schnitt um 20 Prozent unter jenen privater oder gewerblicher Vermieter lägen. In Summe bedeute das für die Bewohner dieser Wohnungen im Jahr eine Ersparnis von einer Milliarde Euro.

Jährlich stelle der Sektor mit rund 180 Mitgliedsunternehmen im Österreichischen Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen (gbv) rund 15.000 neue Wohnungen fertig, etwa ein Drittel der gesamten Neubauleistung im Land, sagte Sturm in einem gemeinsamen Pressegespräch mit dem Reformprogramm-Koordinator vwbf-Vorstand Michael Gehbauer. Nach Ausfinanzierung der Bauten, die in der Regel 25 bis 35 Jahre dauert, werden überhaupt nur noch 1,75 Euro/m2 Grundmiete und 2 Euro/m2 Erhaltungs-und Verbesserungsbeitrag (EVB) monatlich verlangt. "Wir sollten dem geförderten Mietwohnungsbau den Vorrang einräumen", verlangte Gehbauer, denn der gbv-Anteil an neuen Wohnungen sei gesunken, eine Entwicklung, die umkehrbar sei.

Für zukünftig kostengünstige Wohnungen in ausreichender Menge sei die Sicherung leistbarer Grundstücke ganz zentral, betonte Sturm. Zur Bauland-Mobilisierung sollte - verfassungsrechtlich wasserdicht - klargestellt werden, dass Maßnahmen zur Grundstücksbeschaffung Ländersache sind. Länder und Gemeinden sollten günstiges Bauland und auch Baurechte vergeben, also endlich Bodenpolitik machen. Liegenschaften der öffentlichen Hand sollten für den geförderten Wohnbau reserviert werden.

Im Gemeindebedarf liegende Vorbehaltsflächen sollten für den förderbaren gemeinnützigen (Miet-) Wohnungsbau nutzbar gemacht werden. Das an sich geltende, aber zu totem Recht verkommene Bodenbeschaffungsgesetz sollte reaktiviert werden - nicht in Richtung Enteignung, aber gegen ein Horten von Grundstücken, ohne dass dort rasch gebaut werde. Deshalb sollten Widmungen zeitlich befristet werden, etwa für zehn Jahre, denn "über eine Sozialpflichtigkeit von Eigentum muss man auch reden", so Sturm.

Damit wieder einfacher und kostengünstiger gebaut werden kann, will der vwbf, die sozialdemokratische Interessengemeinschaft im gbv, eine Abkehr von den immer teurer gewordenen bautechnischen Anforderungen und Energieeffizienz-Auflagen. Leider gebe es genau "dort, wo wir leistbar bauen sollen, die höchsten Standards", so Gehbauer, Geschäftsführer der Wohnbauvereinigung für Privatangestellte (WBV-GPA). Daher sei die Angleichung der WBF-Standards an jene der Bauordnungen "der wichtigste Punkt". Zudem gehe es um eine Rückkehr zum kosteneffizienteren Niedrigenergiehaus als Standardbauweise; Passivhäuser sollten nur noch die Ausnahme sein. Die Vorgaben für barrierefreies Bauen sollten flexibler und praxisgerechter gestaltet werden. So könnte der geförderte Wohnungsneubau mengenmäßig gesteigert und mehr Augenmerk auf die Leistbarkeit eines größeren Wohnungsangebots gelegt werden. Gehbauer: "Wir wollen größere, kompaktere Anlagen bauen, die kosteneffizienter sind."

Um die Lücke an leistbaren Wohnungen auffüllen zu können, sollte der Wohnungsbau angekurbelt werden durch eine - zur Gänze erfolgende - Zweckbindung des verländerten Wohnbauförderungsbeitrages und der Rückflüsse aus den aushaftenden Darlehen, eine bedarfsorientierte Co-Finanzierung aus den Länderbudgets (also über WBF-Mittel und Darlehensrückflüsse hinaus) sowie eine Wohnbauförderung über günstige Darlehen, also anstelle verlorener Zuschüsse, wo es keine Rückflüsse gebe, so Gehbauer.

Als zusätzliche Finanzierungsschiene für den Neubau preisgünstiger Wohnungen sollte mittelfristig eine "GBV-Bank" gegründet werden und die Überführung der Wohnbauinvestitionsbank (WBIB) in eine Wohnbaubank der Gemeinnützigen nach schweizerischem Vorbild einer Emissionszentrale in Betracht gezogen werden. Gehbauer: "Die WBIB könnte so eine Bank für den geförderten Wohnbau werden."

Für eine moderne gesetzliche Operationsgrundlage müsse auch das Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) durchforstet und an die aktuellen Anforderungen angepasst werden, forderte Gehbauer als Vorsitzender der vwbf-internen Arbeitsgruppe, die den 6-Punkte-Plan in einem längeren Prozess erarbeitet hat - bundesweit, um inhaltlich eine Wien-Lastigkeit zu vermeiden.

Zum WGG fordert man die ersatzlose Abschaffung einer gesetzlich zwingenden Mietkaufoption - die es nur noch als Möglichkeit, aber nicht als Zwang geben sollte, wie Sturm sagte. Bei in das Eigentum übertragenen Wohnungen sollte eine Vermietung ausschließlich zu GBV-Konditionen (Grundmiete) erfolgen dürfen - also nicht in Marktmieten münden; das wäre freilich auch im Mietrechtsgesetz (MRG) zu verankern. Für Ausnahmegeschäfte, etwa die Errichtung von Volksschulen durch gbv, möchte man im WGG eine Verwaltungsvereinfachung, zudem eine nachvollziehbare Definition der Bezüge-Obergrenze (gemäß § 26 WGG).

Um klare und nachvollziehbare Verhaltensregeln (Compliance) will sich der gemeinnützige Wohnbausektor - nach bestimmten Vorkommnissen und Diskussionen darüber - selbst bemühen. Diese Corporate-Governance-Regelungen sollen nächstes Jahr fertig sein, sagt vwbv-Obmann Sturm. Ein besonderes Augenmerk solle auf die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit (Fit & Proper) ihrer Organwalter gelegt werden. Insgesamt solle mit dem Corporate-Governance-Kodex ein präziser sowie transparenter Ordnungsrahmen für die Leitung und Überwachung von Wohnungsunternehmen erstellt werden.

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