Filmfestspiele Cannes:
Viel Ärger um neue Regeln

Festival will mit verschärften Maßnahmen gegen die vermeintliche Banalisierung des Events ankämpfen

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Damit sorgt er im Vorfeld des diesjährigen Festivals, das vom 8. bis zum 19. Mai stattfindet, jedoch für reichlich Kritik. Seit geraumer Zeit schon zieht der 57-Jährige die Zügel in Cannes, einem der weltweit wichtigsten Filmfestivals, schärfer an. Doch mit seiner Ankündigung, die Vorpremieren für Journalisten streichen zu wollen, ist Fremaux für viele zu weit gegangen. Kritiker reagierten beunruhigt. In einem Brief an die Festivalleitung zeigt sich nun auch der internationale Kritikerverband Fipresci besorgt.

"Unsere Mitglieder sorgen sich um die Auswirkungen dieser Maßnahme auf ihre Arbeitsbedingungen", heißt es darin. Gleichzeitig forderte der Verband Fremaux dazu auf, die Journalisten so schnell wie möglich über die Details zu informieren. Die Fipresci (Federation internationale de la Presse Cinematographique) mit Sitz in Brüssel vertritt Vereinigungen von Filmkritikern und Filmjournalisten aus 52 Ländern.

Bisher durften die Medienvertreter die Filme bereits Stunden vor den Gala-Premieren anschauen. Nun sollen die Presse-Screenings parallel zu den Galapremieren angeboten werden. Eine Maßnahme, die für den Filmkritiker von "Variety", Guy Lodge, auf ein Zweiklassensystem hinauslaufen könnte. Die Gefahr bestehe, dass Filmagenten einigen Kritikern die Filme im Voraus zeigen werden. In Cannes wurden bisher jährlich über 4.500 Journalisten akkreditiert.

In seiner Warnung erinnerte Lodge daran, dass Cannes die Kritiken auch mit Sperrfristen belegen könnte, so wie bei den Filmfestspielen in Berlin. Auf der Berlinale dürfen die Kritiken zu Filmen, die Weltpremiere feiern, erst nach der ersten Vorführung veröffentlicht werden.

Was Fremaux mit seiner neuen Regel bewirken will? Die Galapremieren wieder zu richtigen Weltpremieren zu machen und ihnen neuen Glanz und Spannung zu verleihen, so die Begründung.

Bei dieser Entscheidung dachte Fremaux womöglich auch an Sean Penn und dessen Film "The Last Face". Das Drama, das 2016 in den Hauptwettbewerb gekommen war, wurde nach der Vorpremiere von den Kritikern zerrissen. Die Galapremiere, zu der der amerikanische Schauspieler und Filmregisseur nach Cannes gereist war, hatte für ihn und sein Team, darunter auch Leinwandstar Charlize Theron, einen bitteren Beigeschmack.

Mit seinen strengen Regeln will Fremaux gegen die angebliche Banalisierung des Festivals vorgehen. Dazu gehört auch das Selfie-Verbot auf dem roten Teppich. Die Handy-Fotos seien grotesk und lächerlich, erklärte er. Man sei in Cannes, um Filme zu sehen, und nicht, um Selfies zu machen. Bereits 2015 wollte Fremaux gegen Selbstporträts auf den berühmten Stufen vorgehen.

Den Wirbel um Netflix-Filme wird es in Cannes auch nicht mehr geben. 2017 rivalisierten noch zwei Produktionen des Streaming-Anbieters um die Goldene Palme. Nach der heftigen Kritik, dass sich Cannes zur Werbeplattform für Netflix-Filme mache, die vor allem im Abonnement zu sehen sind, änderte Fremaux kurz danach die Regeln. Netflix-Produktionen werden dieses Jahr außerhalb des Wettbewerbs gezeigt, denn von nun an dürfen in Cannes nur Filme ins Rennen gehen, die in Frankreich auch in die Kinos kommen.

Das Festival hat in den vergangenen Jahren immer mehr umstrittene Maßnahmen ergriffen. Zu einer der wohl peinlichsten Situationen gehörte 2015 der Schuh-Knatsch. Damals wurden mehreren Frauen der Zugang zur Premiere verwehrt, weil sie flache Schuhe trugen, darunter soll auch eine Frau mit einer Fußverletzung gewesen soll. "Ohne High Heels kein roter Teppich", titelten die Medien. Der Zwischenfall sorgte tagelang für Schlagzeilen.

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