FC Tirol-Chronologie: In fünf Jahren 60 Millionen Schulden angeheuft

Europäischer Spitzenklub als Vision endete mit Crash

1997/98: Im Mai 1997 übernahm Martin Kerscher von Jürgen Bodenseer das Präsidentenamt mit einem buchhalterischen Minus von 250.000 Euro und einer starken Ansage: "Ich will Innsbruck unter den besten 30 Klubs Europas positionieren." Ende Juli wurde Trainer Didi Constantini entlassen. Sein Nachfolger Heinz Peischl schaffte es nur bis Anfang Oktober. Er wurde vom Tschechen Frantisek Cipro abgelöst. Im UEFA-Cup scheiterte Tirol in der Qualifikation an Celtic Glasgow mit dem Gesamtscore von 5:7. Am Ende der Meisterschaft gab es den sechsten Tabellenrang.

1998/99: Tirol startete schlecht. Am 11. September übernahm Kurt Jara, seit Beginn der Meisterschaft Nachwuchschef, das Amt des Sportdirektors. Gleichzeitig verhandelte Kerscher mit Frank Stronach um einen Einstieg und verkündete, der Magna-Chef hätte um rund vier Millionen Euro 60 Prozent der FC-Tirol-Marketing erstanden. Wegen 60.000 Euro Schulden bei der Stadt Innsbruck tauchte Anfang Dezember 1998 auch ein Exekutor auf. Mit Jahresbeginn 1999 löste Jara dann Cipro, der nur als Siebenter überwintern konnte, als Trainer ab. Er holte Radoslaw Gilewicz und schaffte es zur besten Frühjahrsmannschaft. Am Ende gab es Rang Sechs.

1999/2000: Tirol, international nicht engagiert, kämpfte um den Titel, war Herbstmeister und gewann den Titelkampf schließlich drei Punkte vor Sturm Graz. Der ausverkaufte Tivoli und anschließend tausende Fans in der Innsbrucker Innenstadt standen Ende Mai 2000 Kopf. Finanzprobleme wurden ignoriert, negiert und dementiert.

2000/01: In der Meisterschaft lief alles nach Plan. Tirol holte den Titel mit acht Punkten Vorsprung auf Rapid. International hatte die Jara-Truppe Schwierigkeiten, die Vorgabe des Präsidenten Kerscher ("Wir wollen unter die Top 30") zu erfüllen, und sorgte doch für Furore: In der Champions League, auf deren Millionen (4,5 Millionen Schweizer Franken Startgeld) der FC Tirol setzte, scheiterte Österreichs Meister in der Qualifikation an Valencia. Im UEFA-Cup gab es schließlich das vielbeachtete Überstehen der ersten Runde gegen Fiorentina (Gesamtscore 5:3) und dann das Ausscheiden gegen den VfB Stuttgart mit 2:3. Die national siegreiche Mannschaft wurde immer erfolgreicher und teurer (65.000 Euro kostet ein Meisterschaftssieg an Prämien), ohne an "Europa-Millionen" zu kommen.

2001/02: Das Schicksals-Jahr - In der Meisterschaft lief es wieder hervorragend, trotz aller Probleme wurde der Titel-Hattrick geschafft. Der FC Tirol lag schließlich zehn Punkte vor Sturm Graz. Doch an die erhofften Champions League-Millionen kamen die Tiroler wieder nicht heran. In der Qualifikation scheiterten die Innsbrucker an Lok Moskau. Nach einem unglücklichen 1:3 im Hinspiel in Russland verloren sie auch das Heimspiel mit 0:1. Doch da der Referee einen Formfehler beging forderte der FC Tirol eine Neuaustragung - die UEFA gab dem Protest statt. Doch auch die Wiederholung brachte nur einen 1:0-Sieg der Tiroler - zu wenig für Aufstieg und die erhofften Millionen. Dementsprechend versteinert waren die Mienen von Präsident Martin Kerscher und Manager Robert Hochstaffl. Im UEFA-Cup bezwang Tirol dann zwar Viktoria Zizkov um in der zweiten Runde gegen Fiorentina mit dem Gesamtscore von 2:4 auszuscheiden. Anfang Oktober 2001 verabschiedete sich auch Trainer und Integrationsfigur Kurt Jara zum HSV, der 1,5 Millionen Euro Ablöse zahlte. Sein Nachfolger wurde der Deutsche Jogi Löw.

Finanziell stand dem FC Tirol nach den beiden Meistertiteln 2000 und 2001 das Wasser schon bis zum Hals, auch wenn Präsident Martin Kerscher immer wieder dementierte und ankündigte der FC Tirol werde "mit einem revolutionärem Finanzierungsmodell mit Venture Capital auf Jahre saniert" (22. August 2001). Aus dem angekündigtem Cross-Boarder-Leasing wurde schließlich ein simpler Kredit und ein Kriminalfall: Bei der in Florida ansässigen Firma Parker Leasing wollten die Tiroler über einen Mittelsmann rund 18 Millionen Euro (rückzahlbar innerhalb von 15 Jahren) aufnehmen. Die Vermittlungsprovision von 850.000 Euro verschwand urplötzlich, ebenso wie der Vermittler. Doch bereits im September 2001 musste Kerscher eingestehen mit Löhnen und Prämien-Auszahlungen im Rückstand gewesen zu sein.

Im Vorfeld des UEFA-Cup-Hinspiels in Florenz warf Kerscher jedoch das präsidiale Handtuch und übergab an den oberösterreichischen Juristen und Reifenhändler Othmar Bruckmüller, der am 1. November 2001 offiziell das Präsidenten-Amt übernahm. Bruckmüller, der als Finanzreferent bereits zwei Jahre lang im Vorstand der Tiroler war, dementierte ebenfalls Finanzschwächen beim FC Tirol.

Im März 2002 wurden ausstehende Gehälter beim FC Tirol offiziell. Manager Hochstaffl bezeichnete den Liquiditätsengpass mit 1,5 Millionen Euro. Einige Spieler drohten mit dem sofortigen Ausstieg aus den Verträgen. Die Raiffeisen Landesbank Tirol schoss Anfang April 700.000 Euro zu, um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten. Doch RLB-Chef Fritz Hackl zeigte sich nach Durchsicht der Finanzbücher wenig optimistisch: "Es müsste ein Wunder geschehen. Der Verein benötigt dringend 15 Millionen Euro." Doch Hochstaffl und Bruckmüller dementierten immer noch, hofften auf einen Weiterbestand, auch wenn der Kreditschutzverband am 16. April von Insolvenz beim FC Tirol sprach.

Am 30. April erhielt der FC Tirol von der Bundesliga die vorläufige Lizenz mit strengen Auflagen (bis Ende Mai muss Eigenkapital in Höhe von 4,5 Millionen Euro zugeschossen werden - was nur zum Teil gelang). Am 4. Juni wurde schließlich Manager Hochstaffl wegen Verdachts des schweren Betrugs etc. verhaftet. Auch gegen Kerscher und Bruckmüller wurden Vorerhebungen der Staatsanwaltschaft eingeleitet. Am 6. Juni verweigerte die Bundesliga dem FC Tirol die Lizenz, der FC Tirol protestierte dagegen postwendend. Am 17. Juni wies die Bundesliga den Tiroler Protest endgültig ab. Die Lizenz wurde verweigert. Tags darauf wurde der Insolvenzantrag gestellt. Seitdem sind die Gerichte tätig. Die Schulden werden inzwischen mit rund 60 Millionen Euro beziffert. (apa)