Rückkehrer in ganz Syrien in Gefahr

Flüchtlinge müssen bei einer Abschiebung in ihr Heimatland Repressalien und Gewalt befürchten

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Ein neuer Bericht des deutschen Auswärtigen Amts zeichnet eine immer noch düstere Sicherheitslage in Syrien und heizt die Debatte über Abschiebungen in das Bürgerkriegsland weiter an. Dem Papier zufolge müssen Flüchtlinge bei einer Abschiebung in ihr Heimatland Repressalien und Gewalt befürchten, wie "Süddeutsche Zeitung" (Dienstag), NDR und WDR sowie das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag) berichten. "In keinem Teil Syriens besteht ein umfassender, langfristiger und verlässlicher Schutz für verfolgte Personen."

Der Bericht soll Innenbehörden und Gerichten als eine von mehreren Entscheidungsgrundlagen in Asylverfahren dienen. Da der Bericht als Verschlusssache eingestuft ist, macht das deutsche Außenamt keine Aussagen zum Inhalt. Er ist vor allem mit Blick auf Innenministerkonferenz vom 28. bis 30. November in Magdeburg brisant, auf der über eine Verlängerung des Ende Dezember auslaufenden Abschiebestopps nach Syrien beraten werden soll.

Einzelne unionsregierte Landesregierungen drängen darauf, dass straffällige Flüchtlinge nach Syrien zurückgeschickt werden können. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl wollte den Bericht am Montag zwar zunächst nicht öffentlich bewerten, sagte aber: "Ich erhoffe mir jedenfalls eine Lage, in der man den Menschen nicht mehr erklären muss, dass man selbst schwere Straftäter und Personen, die die Sicherheit unseres Landes gefährden, nicht nach Syrien abschieben kann." Der CDU-Politiker fügte hinzu: "Das versteht kein Mensch - und ich, ehrlich gesagt, auch nicht." Strobl hatte sich zuvor so bereits in der "Heilbronner Stimme" und im "Mannheimer Morgen" geäußert.

Nach einer mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung in Freiburg hatte Strobl auf eine Neubewertung der Sicherheitslage in Syrien gedrängt, um straffällige Flüchtlinge leichter abschieben zu können. Unter anderem der mutmaßliche Haupttäter von Freiburg kommt aus Syrien.

Aus SPD und Opposition kamen dagegen eindringliche Warnungen vor einer Abschiebung syrischer Flüchtlinge. "Angesichts der anhaltenden Kampfhandlungen und terroristischen Bedrohungen, der in großen Teilen katastrophalen Versorgungslage sowie der weitgehenden Rechtlosigkeit in Syrien kann nicht ernsthaft und verantwortbar über Abschiebungen nach Syrien gesprochen werden", sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, dem RND. "Keiner kann verlangen, dass man mit einem Willkürregime in Verhandlungen über Rückführungen treten soll."

Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour nannte es sehr bedenklich, dass die Innenminister über Abschiebungen beraten wollen. "Die Gräueltaten des Regimes sind durch unzählige Berichte von Menschenrechtsorganisationen längst bekannt, jetzt attestiert das Auswärtige Amt noch einmal schwarz auf weiß, was allen Akteuren bekannt ist", sagte er. "Eine Debatte über Abschiebungen nach Syrien in der jetzigen Situation legitimiert (den syrischen Präsidenten) Assad und ist Wasser auf die Mühlen des Regimes." Der FDP-Politiker Stephan Thomae nannte Abschiebungen nach Syrien "humanitär nicht vertretbar".

Nach dem Bericht werden männliche Rückkehrer im wehrpflichtigen Alter (18 bis 42 Jahre) nach ihrer Rückkehr in der Regel zum Militär eingezogen, vorher jedoch oft noch für mehrere Monate wegen Desertion inhaftiert. "Innerhalb der besonders regimenahen Sicherheitsbehörden, aber auch in Teilen der vom Konflikt und der extremen Polarisierung geprägten Bevölkerung gelten Rückkehrer als Feiglinge und Fahnenflüchtige, schlimmstenfalls sogar als Verräter beziehungsweise Anhänger von Terroristen", zitieren die Medien aus dem Papier. Folter mache in Syrien auch vor Kindern nicht halt. So seien "zahllose Fälle dokumentiert, bei denen einzelne Familienmitglieder, nicht selten Frauen und Kinder, für vom Regime als feindlich angesehene Aktivitäten anderer Familienmitglieder inhaftiert und gefoltert wurden".

Insgesamt weise der Bericht seit 2011 rund 13.000 bestätigte Todesfälle nach Folter aus. Schließlich fänden "Vergewaltigungen, Folter und systematische Gewalt gegen Frauen von Seiten des syrischen Militärs und alliierter Gruppen unter anderem an Grenzübergängen, militärischen Kontrollstellen und in Haftanstalten" statt. Die Zwangsrekrutierung von Kindern zum Militärdienst sei seit 2014 stetig gestiegen.