EU ohne gemeinsame Türkei-Position - Aber Verhandlungen ruhen

"Unter den derzeit vorherrschenden Umständen" werden keine Kapitel eröffnet - Kurz blockierte Erklärung aller 28 Staaten

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Kurz hatte zuvor erklärt, die EU-Außenminister dürften nicht im Gegensatz zum Europaparlament stehen, das im November einvorläufiges Einfrieren der Beitrittsgespräche als Reaktion auf die Repression in der Türkei verlangt hatte. "Es ist ein für alle Mal klar, dass keine weiteren Kapitel mit der Türkei eröffnet werden", sagte Kurz nach den Beratungen. Die Eröffnung weiterer Kapitel brauche Einstimmigkeit, erinnerte Kurz. Österreich werde dem nicht zustimmen. Kurz sieht in der österreichischen Vetohaltung auch das Signal, dass das Europaparlament "nicht irrelevant" sei, wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gesagt habe.
Kurz erwartet, dass es weitere EU-Diskussionen zur Türkei geben, vielleicht schon beim EU-Gipfel. Die Kluft sei nicht gelöst. Die EU habe noch nicht ausreichend eine ehrliche Positionierung zur Türkei. "Wir sind es den Menschen schuldig, die in der Türkei unterdrückt werden", rechtfertigte Kurz seine Position. "Auch Politiker, die sich in den Spiegel schauen wollen", müssten auf Fehlentwicklungen reagieren.
Der slowakische EU-Ratsvorsitzende Außenminister Miroslav Lajcak erklärte, dass "nur eine Delegation" ein Einfrieren der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei wollte. Ohne Österreich namentlich zu nennen, sagte Lajcak, dass dies '"allerdings nicht auf die Unterstützung" der breiten Mehrheit der anwesenden Mitgliedsstaaten getroffen sei. Jedenfalls werde nach der Blockade Österreichs für eine einstimmige Erklärung zur Türkei das Thema nicht am EU-Gipfel am Donnerstag offiziell behandelt. Es werde dazu keine Gipfelerklärung geben.
In einer Erklärung, die letztlich nur die slowakische EU-Ratspräsidentschaft veröffentlichte, wird betont, dass seit dem 30. Juni keine Verhandlungskapitel mit der Türkei eröffnet wurden. "Der Rat hält fest, dass keine Kapitel seither eröffnet wurden, und dass unter den derzeit vorherrschenden Umständen keine neuen Kapitel zur Eröffnung erwogen werden."
"Österreich blockiert die Schlussfolgerungen des Allgemeinen Rates wegen der Türkei. Aber Konsens unter den anderen 27", twitterte der EU-Botschafter Lars Danielsson.
Am vehementesten sei Großbritannien für die EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei eingetreten, sagte Kurz, der dies nicht nachvollziehen kann, da Großbritannien selbst nicht mehr dem Projekt der Europäischen Union angehören möchte. "Wir haben natürlich Verbündete gehabt, sonst hätte sich der Text nicht so weit verändert", sagte der Außenminister in Hinblick auf das Statement der slowakischen EU-Präsidentschaft. Großbritannien fordere immer eine harte Gangart gegenüber Russland, gab Kurz zu bedenken.
"Sympathieträger gab es einige", so Kurz. Die Niederlande hätten sich sehr stark eingebracht, "der große Verbündete ist das Europäische Parlament". Es sei "keine Überraschung", dass die Meinungen zur Türkei unterschiedlich seien.

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