Expertin: Wiens Position zum EU-Budget "lächerlich"

Politikwissenschafterin Puntscher-Riekmann: Ratsvorsitz soll konkrete Probleme lösen statt Zeit mit Begriff "Subsidiarität" verschwenden

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"Ich wünsche mir, dass Österreich und die österreichische Präsidentschaft keine Zeit damit verschwendet, einer rhetorischen Übung in Sachen Subsidiarität zu frönen", attackierte Puntscher Riekmann den von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wiederholt bemühten Begriff. Die Präsidentschaft sollte lieber "versuchen, tatsächliche Probleme zu lösen", forderte sie. "Das ist etwas anderes, als Vernebelungsbegriffe zu verwenden."

Es sei "zum Weinen", dass in der EU-Reformdebatte seit Jahrzehnten die selben Begriffe verwendet werden, ohne genau definiert zu werden, sagte die Leiterin des international angesehenen "Salzburg Centre of European Union Studies". Die frühere Grüne Abgeordnete erinnerte daran, dass der Begriff der Subsidiarität aus der katholischen Soziallehre komme. "Das war eine Art Devolution auf die unterste Ebene. Aber was die Doktrin betrifft, gab es wenig Zweifel, wer sie festgelegt hat: Der Vatikan war an der Macht. Wollen wir das auch für die Europäische Union?" fragte sie rhetorisch.

Zugleich zeigte sie sich skeptisch, ob eine Renationalisierung von Zuständigkeiten zu den Mitgliedsstaaten so einfach zu bewerkstelligen sei. Die Niederlande hätten diesbezüglich schon vor Jahren einen Vorschlag ausgearbeitet, berichtete sie den Zuhörern. "Sie haben vermutlich nichts davon gehört, denn er wurde schubladisiert." Das Problem liege in der Überlappung der einzelnen Kompetenzen. Wenn man eine übertrage, löse das Probleme in anderen aus. Außerdem sei es "eine Illusion", die nationale Souveränität der vergleichsweise kleinen EU-Staaten zu bekräftigen.

"Wir sollten mehr Kompetenzen auf die europäische Ebene übertragen", betonte die gebürtige Südtirolerin und Vizepräsidentin des Europäischen Forum Alpbach. Außerdem müsse man über die Mittel nachdenken, die der Europäischen Union zur Verfügung stehen. Diese sei nämlich "kaum in der Lage, ihre Aufgaben zu erfüllen, ohne mehr Mittel zu bekommen." Geradezu "lächerlich" sei es, mit Blick auf den Brexit zu sagen, dass man "nicht einen Euro mehr" nach Brüssel zahlen wolle, kritisierte sie die im Vorfeld der EU-Ratspräsidentschaft von Österreich bezogene Position zum mehrjährigen EU-Finanzrahmen, der im zweiten Halbjahr von Wien federführend verhandelt werden soll.

Kritisch äußerte sich Puntscher Riekmann auch zum französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Dieser habe eine Debatte über "europäische Souveränität" gestartet, die Fragen offen lasse. "Ich weiß nicht, was er damit meint. Er hat das nicht definiert." Insgesamt warf die langjährige EU-Expertin den europäischen Politikern vor, die geltenden EU-Verträge nicht zu kennen. Dort sei nämlich schon seit Jahren der Begriff von der "immer enger werdenden Union" (ever closer union) enthalten. "Lesen die Leute die Verträge nicht?"

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