Europa ist nicht gefeit: Tsunami könnte auch unseren Kontingent verwüsten!

Modell: Welle entsteht bei Kanaren, rast auf Europa, US Spanien & Portugal bereits mehrfach Opfer von Flutwelle

Die Warnungen des britischen Katastrophenforschers Bill McGuire hören sich wie das Drehbuch eines Hollywoodstreifens an: Die kleine Kanareninsel La Palma könnte in zwei Teile auseinander brechen, sollte der ohnehin schon labile Meeressockel durch weitere Erdrutsche oder Vulkanausbrüche in sich zusammenfallen. Die Folge: Billionen Tonnen von Felsen würden ins Wasser stürzen und eine mehrere hundert Meter lange Monsterwelle auslösen. Tatsächlich hat es in Spanien und Portugal in den vergangenen 300 Jahren 16 - meist kleinere - Tsunamis gegeben.

Kanaren-Inseln verschwinden von der Erdoberfläche
Der Mega-Tsunami des Katastrophenforschers würde die anderen Kanaren-Inseln komplett überschwemmen. Innerhalb weniger Stunden erreiche eine zehn Meter hohe Welle die Küsten Portugals, Spaniens und Nordafrikas. Nach spätestens zwölf Stunden würde ein 20 Meter hoher Tsunami sogar die Ostküste der USA verwüsten, malte McGuire bereits 2001 das mögliche Horrorszenario aus.

Mit Blick auf die Gefahr von Tsunamis bereiten dem Direktor des kanarischen Instituts für Vulkanologie, Juan Carlos Carracedo aber viel mehr die drohenden Eruptionen einiger Vulkane im Urlauberparadies Teneriffa und auf El Hierro Sorgen. Das Geographische National-Institut in Madrid hat seit April vergangenen Jahres eine erhöhte seismographische Aktivität auf Teneriffa verzeichnet. Die Experten registrierten in den vergangenen zwei Jahren rund 230 kleine Erdbeben - zehn Mal so viel wie gewöhnlich.

Gefahr geht auch von Vulkanausbrüchen aus
Zwar kann und will niemand vorhersagen, ob einer der nächsten Ausbrüche unmittelbar bevorsteht und einen verheerenden Tsunami entfacht. Aber die Folgen wären katastrophal. Carracedo stellte fest, dass eine Eruption und der damit verbundene Bergrutsch auf der Insel El Hierro vor 120.000 Jahren eine Flutwelle auslöste, die selbst noch auf den Bahamas 2.000 Tonnen schwere Felsen 20 Meter über den Meeresspiegel hievte.

80 Prozent Wahrscheinlichkeit für Aubruch
Viele Fachleute gehen mittlerweile von einer 80-prozentigen Wahrscheinlichkeit aus, dass der Teide-Vulkan auf Teneriffa in naher Zukunft ausbrechen werde. Doch einig sind sich die Vulkanologen auf den Kanaren nur in einer Sache - erhöhte Wachsamkeit und Alarmstufe gelb. Damit ein Tsunami Spaniens und Portugals Strände verwüstet, braucht aber weder der Teide auf Teneriffa auszubrechen noch die Insel La Palma im Meer zu versinken.

Spanien & Portugal bereits mehrfach Opfer von Flutwelle
Obwohl in Spanien und Portugal keine akute Monsterwellen-Gefahr wie im Pazifik oder im Indischen Ozean besteht, kam es in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder zu kleineren Tsunamis. "Vor allem die Reibungen zwischen der afrikanischen und der eurasischen Platte im Atlantik bei Gibraltar und den Azoren sowie Erdbeben im südlichen Mittelmeer hatten in Spanien und Portugal in den vergangenen 300 Jahren 16 Flutwellen zur Folge. Die meisten waren allerdings so klein, dass sie kaum Schaden anrichteten", sagt Jose Manuel Martinez Solares vom Geographischen National-Institut in Madrid.

Letzter Tsunami in Spanien 2003
Hauptsächlich seien es die flach abfallenden Küstenregionen wie im südspanischen Cadiz und Huelva an der atlantischen Costa de la Luz, wo sich die Flutwellen hoch aufbauen konnten und zu Verwüstungen führten. Durch Erdbeben im südlichen Mittelmeerraum wurden vor allem die Strände Almerias und der Balearen immer wieder von Flutwellen heimgesucht. Erst im Mai 2003 zerstörte die durch ein Erdbeben in Algerien ausgelöste Flutwelle Hunderte Boote in den Häfen von Palma de Mallorca und Mahon.

20.000 Tote in Portugal nach Tsunami im Jahr 1755
Zwar verursachte der Tsunami diesmal nur Sachschaden. Aber treffen kann es Spanien und Portugal ähnlich wie Südostasien. 1755 zerstörten ein Erdbeben im Atlantik und die daraus resultierende Flutwelle Lissabon und große Abschnitte der südspanischen und portugiesischen Küste. 20.000 Menschen kamen nach neusten Berechnungen von Martinez Solares dabei ums Leben.

"Das Erdbeben im Atlantik hatte eine Stärke von 8,5 auf der Richterskala und die Wellen, die auf Lissabon stürzten, waren zwischen zwölf und 15 Meter hoch. Sogar in Hamburg spürten die Menschen noch die Erschütterung des Erdbebens und den Wasseranstieg", erklärt der spanische Geologe.

Kein Frühwarnsystem für Spanien
Aber das interessiert ihn weniger. Vielmehr plädiert er dafür, dass Spanien endlich ein Tsunami-Frühwarnsystem installiert. "Denn eine Flutwelle wie 1755 kann sich jederzeit wiederholen. Und sollte eine 15 Meter hohe Welle im August um 12.00 Uhr mittags auf Spaniens dichtbebaute und mit Touristen übersäte Atlantikküste treffen, sind die Folgen kaum abzusehen", so Martinez Solares.

Auch Spaniens berühmtester Ozeanologe, Inigo Losada Rodriguez, fordert seit Jahren ein solches Frühwarnsystem. "Vor allem im Mittelmeer brauchen wir ein besonders schnelles Frühwarnsystem, denn hier kann ein Tsunami die spanische Küste in weniger als 15 Minuten erreichen", so der Professor für Ozeanographie an der Universität von Kantabrien in Nordspanien.

Die Flutwellen seien wegen der geringen Wassertiefe und - menge des Mittelmeeres zwar nicht so verheerend wie im Atlantik. Und man müsse bei einem so sensiblen Frühwarnsystem wie im Mittelmeer mit einer Fehlalarmquote von weit über 70 Prozent ausgehen. "Das könnte einigen Strandurlaubern und Hotelbesitzern wohl auf den Geist gehen. Aber beim Spiel um Leben oder Tod sollte man kein Risiko eingehen", so Losada Rodriguez.
(apa)