EU-Lexikon: Was darf die EU entscheiden?

von EU-Lexikon: Was darf die EU entscheiden? © Bild: APA/APA/AFP/FREDERICK FLORIN

Das Europäische Parlament beschließt mit dem EU-Rat neue Gesetze

Eine übermächtige Bürokratie, die sich in zahlreiche Lebensbereiche einmischt - vom Schnitzel bis zum Bargeld - mit diesem negativen Image hat die Europäische Union immer wieder zu kämpfen. Nicht selten wird dies befeuert durch Halbwahrheiten, die in der politischen Diskussion verbreitet werden. Auch bei der Europawahl geht es letztlich um die Frage, ob mehr oder weniger Europa wünschenswert wäre, und für welche Bereiche dies anzustreben ist.

Worum geht es eigentlich?

Welche Bereiche die EU regelt, ist im EU-Vertrag festgelegt. Als allgemeiner Grundsatz gilt dabei das sogenannte Subsidiaritätsprinzip: Kann eine Angelegenheit auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene geregelt werden, darf sich die EU nicht darum kümmern. Damit soll die Eigenverantwortung gefördert werden. Um einige Bereiche kümmert sich ausschließlich die EU, für andere gilt eine geteilte Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten. Eine ausschließliche Zuständigkeit hat die EU in der Euro-Währungspolitik, der Zollunion, Wettbewerbsregeln für den Binnenmarkt, im Handel und bei internationalen Abkommen. In eine geteilte Zuständigkeit gehören weitere Fragen des Binnenmarktes, Sozialpolitik, Landwirtschaft und Fischerei, Umwelt, Verbraucherschutz und Verkehr. In anderen Bereichen wird die EU nur unterstützend tätig, etwa beim Gesundheitsschutz. Es gilt auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sprich EU-Maßnahmen dürfen nicht über das zu erreichende Ziel hinausschießen.

Warum ist das wichtig?

Die von der Europäischen Union beschlossenen Gesetze sind rechtsverbindlich, das heißt die EU-Mitgliedstaaten müssen diese auch umsetzen. Tun sie das nicht, können sie vor dem EU-Gerichtshof verklagt und letztlich zu hohen Strafzahlungen verurteilt werden. Dabei gibt es Unterschiede: Eine EU-Verordnung regelt alles bis ins Detail. Eine EU-Richtlinie lässt den Staaten einen gewissen Spielraum, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Eine demokratische Mitbeteiligung ist über das Europaparlament sichergestellt, das einen Großteil der europäischen Gesetze mitentscheidet. Zusammen mit dem Europaparlament ist der EU-Ministerrat, in dem die demokratisch gewählten Regierungen vertreten sind, Gesetzgeber. Im Laufe der Jahre hat sich die EU von einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft weiterentwickelt und neue Zuständigkeiten bekommen, etwa die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Hier haben die EU-Staaten bis heute ein Vetorecht und das Europaparlament hat weniger zu sagen, was allerdings auch bedeutet, dass wichtige Beschlüsse häufig von einzelnen Regierungen blockiert werden und lange dauern können. Die EU kann kein Mitgliedsland zwingen, Soldaten in einen Krieg zu schicken. Auch Innere Sicherheit und der Schutz der Grenzen ist in erster Linie die Aufgabe der Staaten.

Wer kontrolliert, ob die EU ihre Befugnisse überschreitet?

Die Parlamente der Mitgliedstaaten erhalten die Entwürfe von EU-Gesetzen. Sie prüfen, ob diese mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar sind, und können eine Stellungnahme abgeben. Kommt eine Rüge ("gelbe Karte") aus mindestens einem Drittel der Staaten, muss die EU-Kommission den Vorschlag überarbeiten. Bereits beschlossene EU-Gesetze können vor dem EU-Gerichtshof angefochten werden.

Was hat das alles mit der Europawahl zu tun?

Die Frage, ob die Europäische Union angesichts zahlreicher Krisen und Herausforderungen (Klima, Migration, Kriege), die nicht mehr allein national bewältigt werden können, mehr oder weniger Europa braucht, ist letztlich eine politische. Die Parteien beantworten diese Frage sehr unterschiedlich: Während die Parteien der Mitte - in unterschiedlichen Nuancen - der EU Lösungskompetenz zugestehen und diese auch weiterentwickeln wollen, lehnen die Parteien am rechten Rand nicht nur die Idee eines europäischen Superstaates nach dem Modell "Vereinigte Staaten Europas" ab. Sie fordern teilweise auch eine Rückverlagerung bisheriger EU-Kompetenzen an die Nationalstaaten.