,Es darf keine Gutachterjustiz mehr geben´
Psychiater Reinhard Haller im NEWS Talk

Über die wirklichen Aufgaben der Sachverständiger Tatsachen, Probleme und Verbesserungswünsche

,Es darf keine Gutachterjustiz mehr geben´
Psychiater Reinhard Haller im NEWS Talk © Bild: NEWS/Deak

NEWS: Das Gutachterwesen steht wegen angeblicher Schlampereien mit dramatischen Folgen zunehmend unter Kritik. Wie wird man eigentlich Gutachter?
Reinhard Haller: Nach der Facharztausbildung, fünf Jahren im Beruf in verantwortungsvoller Tätigkeit, der Prüfung vor einer Kommission und dem Nachweis von Rechtskenntnissen kann man auf die Sachverständigenliste gesetzt werden.

NEWS: Sie haben in einem Fernsehinterview die geringe Bezahlung von Gutachtern bekrittelt - ein Grund, warum schleißig gearbeitet wird?
Haller: Das darf kein Grund für schlampige Gutachten sein! Allerdings ist die Bezahlung tatsächlich mickrig: Für ein Gutachten bekomme ich zwischen 38 und 195 Euro - unabhängig von der dafür aufgewendeten Zeit.

NEWS: Uns liegen aber von Ihren Kollegen Honorare zwischen zwei-und dreitausend Euro vor …
Haller: Das bekommen die Psychologen, nicht Psychiater wie ich. Eine Ungerechtigkeit, denn die Psychologen können nach Zeit abrechnen, und ihre Ausbildung ist auch noch kürzer.

NEWS: Welche Verbesserungen wünschen Sie sich?
Haller: Eine Verbesserung der Ausbildung und der Forschungsstellen: Es gibt in Österreich keinen Lehrstuhl für forensische Begutachtung.

NEWS: Wie hoch schätzen Sie die Macht von Gutachtern ein?
Haller: Rein formal entscheidet natürlich der Richter, es darf auch keine Gutachterjustiz geben. Allerdings ist ein Gutachten natürlich ein wichtiges Entscheidungsmittel. Ein guter Sachverständiger weiß, dass er bloß ein Gehilfe ist, er darf seine Macht auf keinen Fall überschätzen.

NEWS: Wie wird entschieden, welcher Gutachter welchen Fall bekommt?
Haller: Das Gericht kann beauftragen, wen es will. Natürlich geht es auch darum, wer welches Spezialgebiet hat. Gerichte haben auch ihre "Hausgutachter", mit denen sie in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht haben.

NEWS: Wie ist es bei Gutachten mit dem Vorsatz? In Deutschland etwa geht man vorab davon aus, dass ein Kind auch lügen könnte. In Österreich ist die Beweislast umgekehrt …
Haller: Tatsache ist, dass 50 Prozent aller Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs falsch sind. Das Wohl des Kindes ist freilich am Wichtigsten, aber wenn jemand unschuldig verurteilt wird, kommt das einer sozialen Hinrichtung gleich: Job weg, von der Frau meist verlassen, hohe Kosten wegen diverser Therapien. Das ist dann ein zerstörtes Leben …

Das gesamte Interview lesen Sie im aktuellen NEWS 38/2008