Mackie Messer im Operettenland

Heinz Sichrovsky über Brecht/ Weills „Dreigroschenoper“ im Theater an der Wien

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Dreigroschenoper © Bild: Monika Rittershaus

Kurt Weill war ein großer, von den Nazis aus Deutschland vertriebener Komponist, und er schrieb Brecht geniale Partituren. Deshalb haben das Ensemble Kontrapunkte und der Dirigent Johannes Kalitzke den vielleicht wesentlichsten Anteil am Positiven, das der Aufführung im Theater an der Wien nachzusagen ist. Hier waltet alles Erforderliche an Sinnlichkeit, Ironie und Swing, die Klavier- und Bläsersoli nötigen Bewunderung ab. Erstklassig auch der Schönberg-Chor. Aber: Die „Dreigroschenoper“ ist ein Theaterstück mit (viel) Musik, und sie braucht Brecht-kundige Regisseure und Darsteller. Von dieser Qualifikation aber sind der geachtete Opernregisseur Keith Warner und sein Ausstatter Boris Kudlicka weit entfernt. Wo Sprachschärfe, Anarchie und ironische Distanz gefragt sind, erzeugen sie eine flaue Operette, die an einschlägige Verfilmungen mit Rudolf Schock aus den Sechzigerjahren erinnert. Auch die politische Brisanz des Gebotenen weckt Erinnerungen an diese Zeit, nämlich an die Ansprachen des 1974 verstorbenen Bundespräsidenten Jonas zum Weltspartag. Am schlimmsten trifft es die achtenswerten Opernkünstler Florian Boesch (Peachum) und Nina Bernsteiner (Polly), die alle Schrecknisse der Operettenprosa freisetzen. Ähnlich ergeht es der Verbrecherplatte.

Dreigroschenoper
© Monika Rittershaus

Besser erwischen es Angelika Kirchschlager, die als Mrs Peachum eine scharfe Karikatur mit absurden Zügen entwirft, und Anne Sofie von Otter, deren Seeräuberjenny sogar die Dimension der Tragik aufreißt. Den Abend stemmt allerdings Tobias Moretti, der einzige Schauspieler von Rang auf der Bühne. Sein auch glänzend gesungener Mackie Messer ist eine idealtypische Brecht-Figur, schillernd in ihrer Zwielichtigkeit, glänzend in ihrer Präsenz.

Man darf unterstellen, dass er sich selbst inszeniert hat.

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