Von James Bond bis Mundl

Fakten und Anekdoten zu 26 Filmschauplätzen im neuen "cineastischen Reiseführer"

von "Drehort Wien" - Von James Bond bis Mundl © Bild: bebra Verlag

Der laut Eigendefinition "cineastische Reiseführer durch die Donaumetropole" wartet auf rund 200 Seiten nicht nur mit historischen Fakten über die einzelnen Orte auf, sondern auch mit Details zur Entstehungsgeschichte des jeweiligen Streifens sowie Infos über das Filmteam auf. So musste die berühmte Verfolgungsjagd im Carol-Reed-Klassiker "Der dritte Mann" (1949) großteils mit Doubles von Orson Welles gedreht werden, da sich der Harry-Lime-Darsteller über den Gestank und die Ratten im Abwassersystem beschwert hatte. Ein Teil der Kanalschächte wurde deshalb außerdem im Londoner Studio nachgebaut. Außerdem wird auf nach wie vor ungeklärte Spekulationen verwiesen, wonach das Filmvorhaben lediglich als Vorwand für Spionagetätigkeit im besetzten Nachkriegs-Wien gedient haben soll.

Riesige Filmstadt am Laaerberg
Das 200-seitige Paperback fördert auch längst Vergangenes und mitunter Vergessenes zutage. Gleich der erste Beitrag, der den Kurpark Oberlaa in den Mittelpunkt rückt, erinnert daran, dass sich einst eine riesige Filmstadt am Laaerberg befand. Dort wurde Anfang der 1920er Jahre mit "Sodom und Gomorrha" des späteren "Casablanca"-Regisseurs Michael Kertesz alias Michael Curtiz gedreht. Mehr als 12.000 Personen waren daran beteiligt. Bei den Arbeiten ging es teils turbulent zu. So machte ein Sturm den 64 Meter hohen Tempel der Astarte, einen Kulissenbau aus Gips und Holz und bemalter Leinwand, vollends zunichte. Fehlberechnungen für Sprengungen zwecks Spezialeffekten hätten einigen Crewmitgliedern außerdem beinahe das Leben gekostet.

Verfolgungsjagd am Karlsplatz
Solche Anekdoten sind es, die das - leider nur spärlich und schwarz-weiß bebilderte - Buch zu einer großteils informativen wie kurzweiligen Lektüre machen. Schön etwa die Geschichte über den Agententhriller "Scorpio" (1973). Eine Verfolgungsjagd zwischen Alain Delon und Burt Lancaster führt über den Karlsplatz, der dank U-Bahn-Bau gerade Großbaustelle war. Missverständnisse in der Planung führten dazu, dass Lancaster nicht - wie vorgesehen - vor Autos der Stuntmen, sondern in den fließenden Verkehr lief. Deshalb wirke die betreffende Filmszene derart realitätsnah, wissen die Autoren.

Wien als Bratislava-Double
Das Riesenrad in "Before Sunrise", der Naschmarkt in der sechsten "Kottan"-Folge, das Cafe Central in "Klimt" mit John Malkovich, Grinzing in der Science-Fiction-Vision "1. April 2000" oder das Schloss Schönbrunn in der "Sissi"-Trilogie sind weitere Locations, denen der außergewöhnliche Reiseführer nachspürt. Unter den 26 Orten finden sich auch einige Beispiele, in denen die Bundeshauptstadt andere Großstädte gewissermaßen doubelt. So wurde im Rahmen der Dreharbeiten zum James-Bond-Film "Der Hauch des Todes" (1987) die Volksoper zur in Bratislava angesiedelten "Ludove Konzervatorium" (Volkskonservatorium) umfunktioniert. Auch umliegende Straßenzüge in Währing, die mit Lada-Autos, Jawa-Motorrädern und fremdsprachigen Schildern bestückt wurden, stellten im 007-Streifen die slowakische Hauptstadt dar. Für das Clint-Eastwood-Projekt "Firefox" (1982), das ebenfalls im Kalten Krieg angesiedelt ist, musste wiederum ein Teil der U-Bahnlinie U1 als Moskauer Metro herhalten - kyrillische Stationsnamen und Plakate inklusive. Der Donaukanal stellte im Übrigen die "Moskwa" dar.

Musketiere im Burggarten
Der Burggarten und das Ephesos-Museum wurde Anfang der 1990er Jahre kurzerhand in den Pariser Louvre umgewandelt. Der Hintergrund: Der Disneykonzern wollte "Die drei Musketiere" neu verfilmen, lag mit Frankreich allerdings aufgrund des kurz zuvor eröffneten Euro-Disneylands im Clinch. Alternative Schauplätze, die als Stadt an der Seine durchgingen, mussten gefunden werden. Wien konnte insofern die Konkurrenz ausstechen, als der damalige Bürgermeister Helmut Zilk zwei Millionen Dollar Unterstützung seitens der Stadt zusagte. Für die Fechtszene im Burggarten musste das Schmetterlinghaus komplett hinter einem künstlichen Bau versteckt werden.

Werken im Gemeindebau
Als chronologisch letzter Schauplatz bekommt die Großfeldsiedlung ebenfalls einen Auftritt im Buch. Dort wurden Teile der "Sackbauer-Saga" gedreht, die Edmund Sackbauer 2008 ein Comeback auf der Kinoleinwand bescherte. Dass das Werken im Gemeindebau angesichts zahlreicher Schaulustiger nicht unbedingt ein Kinderspiel gewesen sein dürfte, belegt die Notiz eines Produktionsassistenten im Drehtagebuch: "Man hätte an diesen Tagen keinem der Produktionsassistenten eine geladene Waffe in die Hand drücken dürfen. Ich schwör, wir hätten diese scheiß Großfeldsiedlung ausgerottet!"

Drehort Wien. Wo berühmte Filme entstanden
von Roland Weixlgartner und Achim Zeilmann
bebra Verlag
20,60 Euro
ISBN 978-3-86124-643-5