Dr. Franz Kardinal König, 1905– 2004

Sein Vermächtnis: Was vom großen Kirchen-Mann bleibt: Er machte Päpste und versöhnte Kirche & SPÖ. Ein Brückenbauer, Seelsorger, Wissenschafter & Humanist.

Dr. Franz Kardinal König, 1905– 2004

Weil er als Einziger Russisch sprach, musste sich der junge Priester als Maler betätigen. Also pinselte er in kyrillischen Buchstaben auf weißen Karton die mahnende Botschaft: „Achtung Infektionsgefahr! – Ansteckende Krankheiten!“. Das Schild wurde an die Kellertür des St. Pöltener Domes angenagelt. Ein ansässiger Arzt im weißen Kittel und der Priester im schwarzen Talar positionierten sich mit verschränkten Armen und harrten mit entschlossenem Blick der einziehenden Russen.

Es dauerte nicht lange, bis die Besatzer grölend am Domplatz auffuhren. Vor dem schwarz-weißen Türsteherduo stockten sie. Auf Russisch wurden sie von Franz König eindringlichst an die Gefahr erinnert, die hinter der Kellertür lauert. Verwirrtes Zögern, kurze Beratungen – und gleich danach suchte die russische Soldateska das Weite. Unten im Keller kauerten verletzte Männer, Mütter, Kinder, Kranke – sie alle verdankten dem Arzt Bankl und dem Priester König im Chaos der letzten Kriegstage 1945 ihr Leben.

Jahrzehnte später, 1952, wurde aus dem Kaplan, Domkurator, Religionsprofessor und Moraltheologen Franz König der Weihbischof der Diözese St. Pölten – jener Mann, der fünf Päpsten diente und der vor wenigen Tagen knapp 99-jährig starb.

1967 traute Franz Kardinal König in der Erzbischöflichen Kapelle einen Arzt – Hans Bankl – in einer berührenden Privatzeremonie. Primarius Medizinalrat Universitätsprofessor Bankl ist heute Leiter des Institutes für Klinische Pathologie am Zentralklinikum St. Pölten, erfolgreicher Buchautor und der Sohn jenes Internisten Bankl, der im April 1945 – gemeinsam mit König – zahllose Menschen im Domkeller von St. Pölten vor dem sicheren Tod rettete. Bankl heute: „Kardinal König wird für alle Zeiten mit dem Schicksal der Region und dem meiner Familie verbunden sein.“

SS-Stiefel und NS-Abzeichen. In den 1930er Jahren sammelte Kaplan König Jugendliche um sich, die er kritisches Denken in einer heiklen Zeit lehrte. Es dauerte nicht lange, bis die Gruppe um König den Nazimachthabern suspekt wurde und die Gebetsstunden in und um St. Pölten observiert, danach stark behindert wurden. Die Jugendlichen hatten die rettende Idee: Sie kauften ihrem Kaplan SS-Stiefel, besorgten ihm ein NS-Abzeichen – und radelten gemeinsam mit ihm systemkonform vor den Augen der Überwacher durch die Landschaft. Im Dunkelsteiner Wald packte König dann die Stola aus und zelebrierte – fernab seiner Observanten – die Heilige Messe. Danach diskutierten die Jugendlichen mit ihrem Lieblingsgeistlichen das Wesen des Humanismus und das Unwesen des NS-Systems. Die Folgen: Die Gestapo konnte König zwar die Systemzersetzung nicht nachweisen – wohl aber die Wehrkraftunterminierung. So wurde der Priester Franz König wegen Gefährdung des NS-Reiches als wehruntauglich eingestuft – der von ihm gebildete St. Pöltener Denkerkreis (zu dem auch die Arztfamilie Bankl gehörte) zählte zu den Gründern der demokratischen Nachkriegsstrukturen.

Bischof Kurt Krenn, der mit Königs freisinnigen Gedanken meist wenig Freude hatte, anerkennt in König einen Menschen, „der seine Verwurzelung in St. Pölten nie vergessen hat. Ein Mann fürs ganze Jahrhundert.“

Kein Liberaler. Wer König als liberalen Linken, progressiven Reformer oder gar Umstürzler einstufen will, irrt. Hubert Feichtlbauer, König-Biograf und katholischer Publizist: „König war kein linker Revoluzzer, sondern ein wertkonservativer Realist. Er war nie ohne Gegner, aber immer vornehmer als sie.“

Dass König sich von frühesten Jahren seines priesterlichen Wirkens an für die Verfolgten – vor allem für Juden – einsetzte und dass er in späteren Jahren sein ökumenisches Denken auf alle Religionen ausdehnte, ist heute unbestrittenes Faktum. Die Erklärung „Nostra Aetate“, am Ende des 2. Vatikanischen Konzils, in der erstmals eine Mitschuld der Kirche an den Judenverfolgungen angedeutet wird, wurde von König maßgeblich mitgestaltet. Paul Chaim Eisenberg, Oberrabbiner in Wien: „Mit ‚Nostra Aetate‘ wurde der Grundstein für den neuen christlich-jüdischen Dialog gelegt. Kardinal König war kein Kirchenfürst – er war Kirchenkönig.“

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