Das "Wunder von Bern": WM-Triumph 1954 als "Geburtsstunde" Nachkriegsdeutschlands

Porträt: Geschichte des deutschen Fußballbundes PLUS: Steckbrief und die größten Stars des Landes

Heute ist Fußball die Sportart Nummer eins in Deutschland. Doch bis dorthin war es ein langer, und anfangs beschwerlicher Weg. Der Fußball wurde Ende des 19. Jahrhunderts von England aus ins Deutsche Reich getragen. Sport zu treiben war damals ein Privileg der reichen Leute, mit dem Ziel, Tugenden wie Disziplin und Anstand zu vermitteln. Fußball stand bei der Oberschicht im großen Gegensatz zu diesen Idealen und wurde als "Englische Krankheit" betrachtet, seine Ausübung zunächst fast überall im Land verboten. Die Entwicklung und Verbreitung des Spiels vollzog sich dementsprechend schleppend.

Das "Wunder von Bern": WM-Triumph 1954 als "Geburtsstunde" Nachkriegsdeutschlands

Ein einschneidendes Ereignis stellte die Gründung des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) am 28. Jänner 1900 dar. In der Gaststätte "Mariengarten" in Leipzig trafen sich 36 Abgesandte von 86 Vereinen. Es kam zum Zusammenschluss sämtlicher zwischenzeitlich gegründeter Fußballverbände. Dies war der Grundstein für die Professionalisierung des deutschen Fußballs, der Zeitpunkt für den Eintritt in die Moderne. Heute ist der DFB mit rund 26.000 Vereinen und über sechs Millionen Mitgliedern der größte Einzelsportverband der Welt.

Das erste offizielle Länderspiel wurde am 5. April 1908 in Basel ausgetragen. Gegen die Schweiz setzte es eine 3:5-Niederlage. Seit 1954 hat die DFB-Elf an allen WM- und seit 1972 an allen EM-Turnieren teilgenommen und eroberte dabei drei Weltmeistertitel (1954, 1974, 1990) und drei Europameistertitel (1972, 1980, 1996).

"Geburtsstunde" Nachkriegsdeutschlands
Mehr als nur legendär ist das "Wunder von Bern" - der Gewinn der Weltmeisterschaft 1954. Der unerwartete Turniersieg, mit einem 3:2-Finalerfolg über die haushoch favorisierten Ungarn, gilt für manchen Politologen und Wissenschaftler gar als die eigentliche "Geburtsstunde" Nachkriegsdeutschlands. Nach Jahren der Repression und Depression löste der Triumph eine beispiellose Euphorie aus und festigte nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs das Selbstwert- und Zusammengehörigkeitsgefühl einer jungen, zweigeteilten Nation, die nach dem Sieg der Alliierten in Schutt und Asche lag. Am Beginn des Wirtschaftswunders stehend, wird der Erfolg als das bedeutendste Sportereignis der deutschen Geschichte angesehen.

Weit weniger angenehm ist für deutsche Fußball-Fans hingegen die Erinnerung an das verlorene WM-Endspiel von 1966. Das Gespenst des "Wembley-Tores" schwebt noch bis heute über jenem denkwürdigen Finale, in dem Gastgeber England mit einem 4:2 nach Verlängerung seine erste und bis dato einzige Weltmeisterschaft gewann. Am 30. Juli 1966 überwand Geoff Hurst den deutschen Torhüter Hans Tilkowski und schoss den Ball an die Unterlatte. Von dort prallte der Ball zu Boden und zurück ins Spielfeld. Der Schweizer Schiedsrichter Gottfried Dienst ließ den Schuss nach Rücksprache mit seinem Linienrichter als Tor gelten.

35mm als des Rätsels Lösung
Erst 2006 wurde das Rätsel, ob es sich um einen regulären Treffer handelte oder nicht, gelöst. Eine Aufbereitung eines während des Spiels aufgenommenen 35mm-Films bewies, dass der Ball weder während des Auftreffens an die Latte noch während seiner Flugphase mit vollem Durchmesser die Torlinie überschritten hatte. Das Tor besiegelte den Sieg der Engländer, die damit 3:2 führten. In der Schlussphase, als schon Zuschauer auf dem Platz waren, kassierte die deutsche Mannschaft dann das vierte Tor zum Endstand von 4:2.

Das dunkelste Kapitel in der Geschichte des DFB stellt jedoch die Zeit im Dritten Reich dar. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahr 1933 verlor auch der Fußball seine Freiheit. Mit dem Erlass des Reichssportkommissars wurde dem Verband die Existenzgrundlage entzogen, der DFB als "Fachamt Reichsfußball" in den "Reichsbund für Leibesübungen" integriert, und fortan als Propagandamittel missbraucht. Die damit einhergehende finanzielle Unterstützung erlaubte es der Nationalmannschaft allerdings zwischen 1933 und 1945 an 105 Länderspielen und zwei Weltmeisterschaften teilzunehmen.

(red)

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