Hitze und Unwetter:
Das bringt die Zukunft

Hitze, Unwetter und Artensterben sind nur die offensichtlichen Folgen des Klimawandels. Wie aber wirkt er sich konkret auf unseren Alltag aus? Werden wir noch Schnitzel essen? Fahren wir noch mit dem Auto? Können wir uns das Wohnen im Einfamilienhaus noch leisten? Wie sich unser Leben und das unserer Kinder in Zukunft ändern wird: ein Szenario

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Chronik - Hitze und Unwetter:
Das bringt die Zukunft

Der Geruch von verbranntem Plastik liegt in der Luft. Kaum ein Windhauch zieht durch die Häuserschluchten, das Atmen fällt schwer. Es ist brütend heiß in Wien und die Stadt ist wie ausgestorben: leere Straßen, leere Geschäfte, leere Flussbette. Wer kann, verbringt die Sommer in den Bergen. Wer geblieben ist, leidet unter der Hitze. 40 Grad im Schatten sind auch heuer keine Seltenheit, tropische Nächte die Regel und Insektenschwärme allgegenwärtig.

Im Radio wird einmal mehr vor einem Sturm gewarnt, der am Nachmittag über den Donaukanal in Richtung Prater fegen soll. Das rostige Riesenrad – ehemals Wahrzeichen der Stadt – steht dort still inmitten aufgelassener Fahrgeschäfte und erinnert an eine längst vergangene Zeit. Eine, in der man die Wochenenden mit seinen Kindern noch unbeschwert im grünen Prater verbringen konnte. Eine, in der die Sommer als schönste Jahreszeit galten und eine, in der der Klimawandel noch aus abstrakten Vorhersagen bestand. Heute, im August 2038, sind sie bereits knallharte Realität.

Apocalypse Now

Das Szenario könnte aus einem Sci­ence-Fiction-Film stammen. Doch so weit gefehlt ist es gar nicht, meint Zukunftsforscher Andreas Reiter: „Unsere Lebensweise wird sich massiv verändern.“ Hinweise darauf, dass sich unsere Welt momentan schneller wandelt als je zuvor, gibt es bereits genug. Und doch stößt der Klimawandel weltweit noch immer auf Skepsis – besonders in Österreich, wie jüngst eine Studie des European Social Survey gezeigt hat: 7,3 Prozent der Österreicher sind demnach der Meinung, dass sich das Klima „wahrscheinlich nicht“ oder „eindeutig nicht“ verändern wird, das sind fast doppelt so viele wie in Deutschland.

„Dabei wäre es wichtig, das langsam einmal ernst zu nehmen“, sagt Michael Hofstätter, Leiter der Fachabteilung Klimasystem und -folgen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). „Das ist heuer nur ein Vorgeschmack auf das, was wir in 20 bis 30 Jahren viel öfter sehen werden.“ Konkret: Hitzewellen werden häufiger und länger, die Winter werden milder und Schnee fällt nur mehr selten. Darüber, dass vor allem die temperaturabhängigen Extreme zunehmen werden, sind sich Klimaforscher seit nunmehr 20 Jahren einig.

Schuld daran ist der globale Klimawandel, für den die Wissenschaft zu einem großen Teil uns Menschen in unserer Rolle als Verschmutzer, Ausbeuter, Ressourcenverschwender, Konsumenten und Weltenbummler verantwortlich macht. Durch den exzessiven Ausstoß von CO2, Methan, Stickoxiden und anderen klimaaktiven Treibhausgasen bringen wir den natürlichen Energiehaushalt der Erde aus dem Gleichgewicht. Die Gase, die sich in der Atmosphäre anreichern, wirken wie ein Gewächshaus, unter dessen Dach es immer wärmer wird (siehe Grafik Seite 48). An den Polen taut es, Gletscher gehen zurück, ihr Schmelzwasser lässt die Meeresspiegel steigen. Durch den Anstieg der Temperatur erwärmen sich die Ozeane, Meeresströmungen kommen durcheinander, Verdunstungskreisläufe beschleunigen sich und Wetterkapriolen sind die Folge. Nicht nur Hurrikans treten bei höherer Wasseroberflächentemperatur häufiger und stärker auf. Phänomene wie El Niño nehmen zu, Meeresströmungen wie der Golfstrom kommen aus dem Gleichgewicht – mit dramatischen Auswirkungen: Fischsterben, Dürreperioden, Ernteeinbußen, Trinkwassermangel. Krankheiten werden dadurch gefördert, die in sozialen Unruhen und gigantischen Migrationsströmen münden.

Zukunft in Österreich

„Es ist wichtig, dass man diese Effekte wahrnimmt, dass nicht jeder glaubt, er sei nicht betroffen“, sagt Hofstätter, „dieses Jahr sind alle gleichzeitig betroffen: USA, Kanada, Japan und auch Europa.“ Eine Chance also, auch der Zukunft im Alpenland endlich in die Augen zu sehen.

Doch was bedeutet es für das Leben in Österreich, wenn plötzlich Inseln im Meer versinken und skandinavische Wälder brennen? Wie wird unser Alltag aussehen und welche Entwicklungen deuten schon jetzt auf veränderte Lebensbedingungen hin? Fahren wir noch Auto und werden wir überhaupt noch Schnitzel essen?

News hat 15 Punkte gesammelt, die mit dem Klimawandel in Österreich einhergehen und auf die wir uns langfristig wohl oder übel einstellen müssen.

1 Die Landwirtschaft geht neue Wege – schon jetzt

Kürbisbauer Franz Hascher ist im Stress. Es ist Erntezeit und er hat alle Hände voll zu tun. Besonders seitdem er entschieden hat, in Niederösterreich eine Frucht anzubauen, die eigentlich aus der afrikanischen Steppe stammt: die Wassermelone. „Vom Klimawandel kann ich ein Lied singen“, sagt er. Und er ist damit nicht der Einzige. „Steigende Temperaturen wirken sich im Agrarwesen dramatisch aus“, sagt Daniel Kosak, Sprecher des Umweltministeriums. „Im Moment haben wir mit großer Trockenheit zu kämpfen, von der alle Sorten betroffen sind, da ist es fast egal, über welche wir reden“, sagt Kosak, „vom Getreide- über den Gemüseanbau wird es Einbußen geben.“

Wenn Dürreperioden länger anhalten, heißt das für die Bauern oft: neue Wege gehen. „Ich habe das ohne Erfahrung einfach ausprobiert“, sagt Franz Hascher, „heute haben wir sehr gute Ernten.“ Mittlerweile haben sich einige andere Bauern daher auch schon auf Melonen, Kiwis, Feigen, Goji-Beeren und Erdnüsse umgestellt. Was nach einer durchaus positiven Entwicklung klingt, hat aber oft einen tragischen Hintergrund. Für viele Bauern ist der Klimawandel existenzbedrohend. „Nichtsdestotrotz hätte ich lieber, dass es kühler wäre“, sagt Hascher, „wir mussten heuer 50 Prozent der Hokkaidokürbisse am Feld liegen lassen, weil sie einen Sonnenbrand bekommen haben. Die haben zu kochen begonnen“, sagt Hascher.

© x-default „Das ist nur ein Vorgeschmack auf das, was wir in den nächsten 20 bis 30 Jahren erleben“ Michael Hofstätter. Fachabteilung Klimasystem und -folgen der ZAMG

2 Die Aliens kommen und bringen neue Krankheiten

Nicht nur Nahrungsmittel aus fernen Ländern machen sich in Österreich breit. Auch schädliche Pflanzen, Pilze und Tiere genießen die steigenden Temperaturen und erobern neuen Lebensraum. Dabei zerstören sie ganze Ernten (japanische Kirschessigfliege), machen sie anderen den Platz an der Sonne streitig (Götterbaum), oder gefährden sie die Gesundheit von Tieren (Afrikanische Schweinepest) und sogar von Menschen (Ambrosia).

Doch damit nicht genug: Die Bedingungen für Viren und Bakterien verändern sich durch den Klimawandel derart, dass Forscher sogar bereits vor möglichen Pandemien mit neuartigen Krankheitserregern warnen. „Gerade die Bereiche öffentliche Gesundheit und Tiergesundheit sind daher schon heute mit Überwachungsaufgaben betraut“, sagt Roland Achatz von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungs­sicherheit. So wird beim österreichischen Gelsen-Monitoring gezielt nach exotischen Überträgern und Krankheitserregern wie dem West-Nil-Virus gesucht. „Das ist keine Zukunftsmusik, sondern bereits etabliert“, sagt Achatz.

3 Regional war einmal: Importe nehmen weiter zu

Die Zunahme von Krankheiten und die rasante Vermehrung von Schädlingen führen dazu, dass wir in Zukunft die Nachfrage nach regionalen Lebensmitteln aus Österreich nicht mehr decken können. „Wir haben bei manchen Gemüsesorten keinen besonders hohen Selbstversorgungsgrad. Der würde weiter sinken, wenn Unwetterereignisse und Trockenheit zunehmen“, erklärt Daniel Kosak vom Umweltministerium, „wenn es so weitergeht, werden wir gar nicht mehr nachkommen.“ Was ihm dieses Jahr besonders Sorgen macht, sind die Zuckerrüben. Diese leiden nicht nur unter der Trockenheit. Durch den geringen Niederschlag im Frühjahr hatte der Rüsselkäfer zusätzlich ein leichtes Spiel. „Wenn der am Feld ist, bedeutet das den Totalausfall. Es ist praktisch unmöglich, seiner Herr zu werden“, sagt Kosak, „die Versorgungsquote mit österreichischem Zucker wird sinken.“ Importe von Rohrzucker aus Übersee und ein Preisanstieg sind die Folge.

Aber nicht nur Lebensmittel, sondern auch andere natürliche Rohstoffe sind abhängig vom Klima. So auch Baumwolle, Seide oder Kaschmir. Schlechte Baumwollernten aufgrund von langanhaltender Dürre könnten beispielsweise ein knappes Angebot und damit einen Preisanstieg in der Textilbranche bedeuten. Manfred Kern, Obmann des Fachverbandes der Textil-, Bekleidungs-, Schuh-und Lederindustrie, gibt allerdings Entwarnung: „Aus heutiger Sicht wird das Preisgefüge ganz allein vom Handel gesteuert und ist nicht klimaabhängig.“

4 Griechischer Wein auch bald in Österreich

Der österreichische Weinbau steht derzeit vor zwei Problemen: „Einerseits treiben die Reben bei den zunehmenden Temperaturen früher aus und sind daher anfällig für Frostschäden“, sagt Winzer Leopold Kerbl aus Klosterneuburg, „das andere Problem ist der geringe Niederschlag.“ Dadurch, dass es in der Nacht nicht mehr genügend abkühlt, haben die Trauben einen zu geringen Säuregehalt. „Das ist genau das, was wir nicht wollen“, sagt Kerbl, „Österreich ist bekannt für fruchtige, duftige Weißweine, und das wird zunehmend schwieriger.“ Doch ein Temperaturanstieg hat für den Weinbau nicht nur negative Auswirkungen: „Ein Rotwein aus Klosterneuburg war bis vor 30 Jahren nichts als ein roter Wein“, weiß Kerbl. Inzwischen sei man aber auch in dem Segment schon in der Lage, sehr gute Qualität zu produzieren. „Die Weinbaugrenze in Europa verschiebt sich durch den Klimawandel nach Norden. Das heißt, in 50 Jahren wird man in Gegenden Wein anbauen, in denen es vor 20 Jahren noch undenkbar gewesen wäre.“

5 Migration von Menschen, Tieren und Pflanzen

Vegetationsgrenzen verschieben sich aber nicht nur entlang geografischer Längen, sondern auch in der Vertikalen. Wenn es im Tal wärmer wird und es an den Hängen taut, fliehen ganz speziell an die kälteren Höhenlagen angepasste Pflanzen und Tiere immer weiter nach oben – nur ist der Gipfel irgendwann erreicht und der Platz in der Höhe begrenzt, sodass ein Aussterben gewisser Arten vorprogrammiert ist. Aber nicht nur Enzian, Edelweiß und Murmeltier wandern durch die Erderwärmung. Auch die Grenzen des menschlichen Lebensraumes werden sich verschieben. Auf der Suche nach neuen, besseren Bedingungen werden sich auch Menschen auf den Weg Richtung Norden, in gemäßigtere, fruchtbarere Zonen machen. „Das wird in der Diskussion um den Klimawandel oft unterschätzt“, sagt Zukunftsforscher Andreas Reiter, „dabei warnen alle Experten davor, dass der Klimawandel enorme Flüchtlingsströme auslösen wird. Dagegen ist die jetzige ‚Flüchtlingskrise‘ ein Klacks.“

6 Touristen kommen, Paradiese verschwinden

Weitaus weniger dramatisch, mit dennoch gravierenden Folgen für Österreich, stellt sich die Bewegung von Menschenmassen auf der Suche nach Erholung dar. Was wir derzeit vor allem bei Staatsbürgern aus arabischen Ländern beobachten, die vor mehr als 50 Grad Celsius in ihren Heimatländern ins relativ kühle Österreich fliehen, wird die Tourismusbranche in Österreich in Zukunft verstärkt beschäftigen. „Während man früher nach Italien, ans Mittelmeer gefahren ist, gewinnt der Urlaub im Norden immer mehr an Attraktivität“, sagt Reiter, „im Sommer haben wir daher in den Alpen in Österreich einen klaren Vorteil.“ Für die österreichischen Ferntouristen hingegen hat der Klimawandel wohl eine noch eindrücklichere Folge: Die paradiesischen Inseln werden im steigenden Meer schlicht versinken. Prognosen zufolge könnte der Anstieg des Meeresspiegels im Jahr 2100 schon bei zehn Millimetern pro Jahr liegen.

7 Billigflügen droht das Aus, E-Autos und Züge legen zu

Abgesehen davon werden Flugreisen für die meisten Menschen in Zukunft wieder zum Luxusgut. „Low-Cost-Flüge werden zurückgedrängt werden“, sagt Andreas Reiter, „einerseits aus klimatischen, andererseits aber auch aus strategischen Gründen.“ Stattdessen sieht der Futurologe einen Aufschwung des Schienenverkehrs vorher: „Highspeedzüge werden an Attraktivität gewinnen und die großen Metropolen in Europa miteinander verbinden.“ Nicht nur die extrem umweltbelastende Verbrennung von Kerosin in den Turbinen von Flugzeugen wird wirtschaftlich und gesellschaftlich untragbar. Auch die viel kleineren Benzin- und Dieselmotoren werden weichen müssen. „Es geht ganz eindeutig hin zu Elektromobilität und der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel“, so Reiter, „man wird versuchen, den Automobilverkehr aus den Städten zu vertreiben und die Flieger aus der Luft.“

8 Das Ende des Nationalsports

Der Wintertourismus in Österreich wird im Gegensatz zum Sommertourismus unter der Klimaerwärmung mit geringen Niederschlägen leiden. „Die Instandhaltung der Skigebiete und somit das Skifahren wird teurer werden. Allmählich werden einige Skigebiete schließen müssen, zum Teil ist das ja schon passiert“, sagt Andreas Reiter. Besonders kleinere Skigebiete leiden unter den hohen Betriebskosten. Sie sind als Erstes betroffen.

Eines von ihnen ist das Skigebiet Frauenalpe am Kreischberg. „Wir haben zwar das Glück, dass es ein Naturschneegebiet ist“, sagt Tamara Schellander vom Tourismusverband Murau, aber dennoch habe es zum Erhalt der Pisten nicht gereicht: „Die Lifte wurden alle rückgebaut.“ Heute setze man auf Tourengeher und Schneeschuhwanderer, dafür brauche es viel weniger Schnee als für eine präparierte Piste. Wenn die Flocken ganz ausbleiben, gebe es immer noch die Möglichkeit zum Wandern und Mountainbiken. „Wir wollen aber eigentlich keine Action raufbringen, sondern das Ganze bewusst etwas sanfter gestalten.“

© Privat „Stress und Aggressionen nehmen zu, Unfallhäufigkeiten steigen und Allergien ebenso“ Heinz Fuchsig. Der Umweltmediziner sieht bereits klimabedingte Leiden

9 Hitzetote, Allergien und Depressionen

Der Verkehr ist einer der größten Treiber des Klimawandels und trägt damit auch zu den zunehmenden gesundheitlichen Problemen der Menschen bei. Atem- und Herz-Kreislauf-Beschwerden gehen zunehmend auf die Kappe unserer eigenen Handlungen. Umweltmediziner Heinz Fuchsig beobachtet daneben einen Anstieg von Allergien durch neue Pflanzen und Insekten, vermehrte Lebensmittelvergiftungen aufgrund von Viren und unterbrochenen Kühlketten, verstärktes Auftreten von Fußpilz durch übermäßiges Schwitzen in geschlossenen Schuhen, aber auch die Zunahme psychischer Probleme: „Wir wissen, dass Stress und Aggressionen bei hohen Temperaturen zunehmen und dass zum Beispiel die Unfallhäufigkeit bereits bei 27 Grad im Auto deutlich ansteigt.“ Extreme Wetterereignisse können zudem Existenzängste, Depressionen und Angststörungen hervorrufen, die nicht selten mit Suizid einhergehen.

10 Aus der Traum vom Einfamilienhaus

Gerade im Bau- und Immobiliensektor sind Überlegungen unter Bedachtnahme auf den Klimawandel bereits in vollem Gange. Nachhaltige Bauweisen mit energiesparenden Fassaden und guter Isolierung liegen im Trend. „Das sieht man den modernen Projekten schon an, dass vermehrt auf Punkte wie Sonneneinstrahlung, Fenstergrößen und Isolierung geachtet wird“, sagt Gunther Maier, Immobilienexperte an der Wirtschaftsuniversität Wien, „wir nähern uns in gewisser Weise auch immer mehr einer mediterranen Bauweise an.“ Die panische Installation von Klimaanlagen in schlecht isolierten Gebäuden ergibt für Maier aber wenig Sinn. „Viel eher muss man sich auf energiesparende Maßnahmen in der Bauweise konzentrieren.“ Eine wichtige Rolle werde für den Immobiliensektor in Zukunft noch stärker die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, Supermärkte und andere Einrichtungen spielen. „Unsere Siedlungsstruktur wird durch die hohen Spritpreise bestimmt. Weite Wege werden immer teurer“, sagt Maier. Ein weiterer Aspekt sei die Verknappung von Boden durch den Klimawandel und damit knappes Bauland. „Damit wird es immer schwerer, sich ein Einfamilienhaus zu leisten.“

11 Wir werden fauler, aber innovative Ideen sprießen

Nicht nur der Traum vom Einfamilienhaus könnte für viele in Zukunft in weite Ferne rücken. Die Klimaerwärmung schwächt uns nämlich ganz allgemein wirtschaftlich. „Der Klimawandel wird sich auf die Produktivität der Wirtschaft auswirken“, sagt Mathias Kirchner vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung, „die ökonomischen Effekte werden langfristig negativ sein.“

Ertragseinbußen in der Land- und Forstwirtschaft, niedrige Arbeitsproduktivität und höhere Produktionskosten führen zu geringerem Kapitalstock, weniger Investitionen und Konsum: „Eine Art Teufelskreis“, sagt Kirchner. Hinzu kämen erhöhte Abschreibungen durch schnellere Abnutzungen und zerstörte Infrastruktur sowie Kosten zur Anpassung an den Klimawandel.

Doch Not macht bekanntlich erfinderisch. Veränderte Bedingungen bieten Raum für innovative Ideen und Lösungsansätze. Vor allem die Technik wird große Schritte machen. Deren Auswirkungen sind noch nicht vorhersehbar, aber sie könnten möglicherweise trotz allem auch unsere Wirtschaft ankurbeln.

12 Das Wiener Schnitzel wird unstatthaft

Auch unser Speiseplan wird vom Klimawandel beeinflusst. Ob er leiden wird, ist Geschmackssache. Klar ist: Fleischkonsum wird immer verpönter. Vergleichbar mit der sozialen Stigmatisierung der Raucher kann sich Zukunftsforscher Andreas Reiter eine gesellschaftliche Spaltung vorstellen, die zur Folge hat, dass wir uns aus ethischen und moralischen Gründen von der carnivoren Ernährungsweise verabschieden. „Tendenziell wird es neue Kulturkämpfe mit quasireigiösen Tendenzen geben“, sagt Reiter. Viele Menschen werden daher auf Fleischersatzprodukte wie Tofu zurückgreifen. Wird das Wiener Schnitzel den Titel des österreichischen Nationalgerichts abgeben müssen? „Womöglich“, sagt Reiter, „aber das wird noch eine Weile dauern.“

13 Die Alte Donau wird warm und seifig

Segeln, Rudern, Schwimmen: Die Alte Donau lockt im Sommer mit zahlreichen Freizeitmöglichkeiten. Leider ziehen die warmen Temperaturen (derzeit 28,7 Grad) nicht nur Menschen an. Auch die Wasserpflanzen lieben den Altarm der Donau. Bei Temperaturen ab 20 Grad wachsen die Algen besonders gut – und zwar 50 Zentimeter pro Woche. „Das Pflanzenwachstum ist in den letzten Jahren massiv angestiegen“, sagt Gerald Loew, Leiter der MA 45 – Wiener Gewässer. Weil die Pflanzen im Winter durchwachsen oder das Wasser schon früh höhere Temperaturen erreicht. „Es ist nicht nur für die Fische sehr belastend“, sagt Loew, „wenn der pH-Wert durch übermäßige organische Aktivität steigt, spüren wir das beim Baden durch eine seifige Oberfläche.“

14 Die U-Bahn fährt von selbst, öfter und gekühlt

Der Heimweg von der Alten Donau in die Stadt könnte in Zukunft angenehmer werden: das Hoffen auf einen klimatisierten U-Bahn-­Waggon wird nämlich schon bald der Vergangenheit angehören. „Heute ist die Hälfte aller U-Bahn-Fahrzeuge klimatisiert“, sagt Barbara Pertl von den Wiener Linien, „mit der neuen U5 kommen bis 2034 insgesamt 34 vollautomatische, klimatisierte Garnituren in unser Netz und ersetzen sukzessive die Alten.“ Auch die Intervalle werden sich durch die automatische Abwicklung verkürzen.

15 Siesta für Pferde, aber nicht für Menschen

Wenn die Quecksilbersäule über die 35-Grad-Marke steigt, haben Wiens Fiakerpferde hitzefrei. Während Tierschützer für das Wohl der Pferde sogar „hitzefrei ab 30 Grad“ fordern, bleibt das Befinden der arbeitenden Menschen an heißen Tagen meist ihnen selbst überlassen. Denn arbeitsrechtlich besteht für sie kein Anrecht auf hitzefreie Tage. Einzige Ausnahme: Die sogenannte Schlechtwetterregelung erlaubt es, dass der Arbeitgeber entscheiden kann, seine Bauarbeiter bei mehr als drei Stunden anhaltender Hitze von 35 Grad im Schatten von der Arbeit freizustellen. Sie haben in dem Fall Anspruch auf 60 Prozent ihres entgangenen Verdienstes.

Das Einführen von Siesta-Zeiten, wie es in südlichen Ländern üblich ist, kann sich Irene Holzbauer von der Arbeiterkammer Wien nicht vorstellen: „Das passt schon einmal nicht mit unserem Arbeitsrhythmus und Arbeitszeitregelungen zusammen und daher ist es momentan nicht vorstellbar.“

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Printausgabe 33 2018