Der Reiz der Rechten

Christoph Lehermayrs´ Reporter-Blog

Christoph Lehermayr - Der Reiz der Rechten

Stammtisch statt Salon
Macht ja nichts. Was die Führerin der französischen Rechten dafür im Interview an Positionen bereit hält, lässt an Klarheit wenig vermissen: eine gescheiterte EU, ein toter Euro, eine aus dem Ruder gelaufene Immigrationspolitik und ein Land, das angesichts all der Einwanderung allmählich um seine Identität fürchtet. Bekannte Positionen, europaweit zu hören und verantwortlich für den Vormarsch der Rechten von Finnland bis Frankreich. Doch bei Le Pen kommt noch mehr dazu. Wenn die jüngste Tochter des langjährigen Führers der französischen Rechten über Politik spricht, klingt es sehr oft nach Stammtisch und selten nach Salon. „Unglaublich“, „unerhört“, „unverfroren“ – das sind Worte, die sie immer wieder verwendet, wenn sie mit ihrer rauchigen Stimme ausholt gegen das, was falsch läuft in der „République francaise“.

Die Macht der Kaste
Und dann fällt noch ein Wort: „la caste“ – die Kaste. Also all die Absolventen der Eliteschulen, die sich untereinander seit Kindestagen kennen und die Spitzenpositionen in Politik, Wirtschaft und Medien besetzen. Ein abgehobener Zirkel der Macht, der seit Jahrzehnten die Geschicke Frankreichs bestimmt. Was für Außenstehende nach einer Verschwörung klingen mag, lässt Kenner des französischen Systems nervös werden. Denn sie wissen, dass Madame Le Pen den Finger auf einen wunden Punkt legt und Recht hat: in kaum einem Land Europas ist die Kluft zwischen den Regierenden und dem Volk derart groß wie in Frankreich. Le Pen steht für das Aufbrechen dieses elitären Systems, das in Verruf geraten ist und in Zeiten der Krise versagt hat.
Und so kommt es, dass das lange Unvorstellbare zur Option wurde: für 30 Prozent der Franzosen scheint der „Front National“ prinzipiell wählbar – ein Wert, von dem der polternde Papa nur träumen konnte. Und das obwohl Madame Le Pen nicht gerade mit spektakulären Plänen und Konzepten hausieren geht. Wer ihr länger zuhört und all die populistischen Parolen einmal zur Seite schiebt, realisiert, dass sie wenig zu bieten hat. Doch selbst das reicht, um Stimmenzuwächse einzufahren, da die Ratlosigkeit der Regierenden noch weitaus weiter reicht.

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