Der gute Diktator

Christoph Lehermayrs´ Reporter-Blog

Christoph Lehermayr - Der gute Diktator

Entsprechend gleichgeschaltet fiel die Berichterstattung in den folgenden fünf Tages des Krieges aus. Der Westen war sich einig, dass Russland nur der Aggressor sein konnte, der über Nacht das kleine Georgien überfallen hatte. „Ein Leuchtturm der Freiheit“ sei das Land unter Saakaschwilis Herrschaft, hatte schon George W. Bush Jahre zuvor festgestellt und dabei blieb es dann auch. Was folgte war milliardenschwere Wirtschaftshilfe aus den USA und der EU für den in Bedrängnis geratenen „Musterdemokraten“. Peinlich nur, dass eine unabhängige Ermittlungskommission später feststellte, dass die Aggression keineswegs von Russland ausgegangen war, sondern der vorbildlich beleumundete Demokrat Saakaschwili den Befehl erteilt hatte, Südossetien mitten in der Nacht anzugreifen. Doch das interessierte zu diesem Zeitpunkt ohnedies nur noch Auserwählte.

Und nun vergangene Woche diese bösen Bilder aus Georgiens Hauptstadt Tiflis: Tränengas, Schlagstöcke, wild gewordene Polizei-Sondereinheiten, die auf Demonstranten einprügeln. Massenverhaftungen, Schwerverletzte und Oppositionspolitiker, die plötzlich verschwunden sind. Saakaschwili geht brutal gegen seine Gegner vor.

Back to the future
Die Szenen kommen mir bekannt vor. Es ist fünf Monate her, als ich in einer eiskalten Nacht in Weißrusslands Hauptstadt Minsk ähnliches erlebte. Alexander Lukaschenko hatte gerade wählen lassen und Tausende Oppositionelle wagten Zweifel am Ergebnis von über 80 Prozent. Auf die Gewalt reagierten Europa und die USA rasch. Sanktionen, Einreiseverbot und Kreditsperren für „Europas letzten Diktator“. Dergleichen braucht Georgiens Saakaschwili nicht zu fürchten. Denn im Unterschied zu Lukaschenko nützt er dem Westen, gewährt den Amerikanern Platz für Militärbasen und gilt als „sichere Bank“, wenn es gegen Russland geht. Das ist allemal genug, um über so manche Menschenrechtsverletzung hinwegzusehen und lässt in Zukunft aufhorchen, wenn wieder einmal die Rede ist von „letzten“ und „bösen“ und noch „viel böseren“ Diktatoren.

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