Budgetdefizit 2024 laut Fiskalrat doch über 3 Prozent

von Budgetdefizit 2024 laut Fiskalrat doch über 3 Prozent © Bild: APA/APA/GEORG HOCHMUTH/GEORG HOCHMUTH

Fiskalrat-Präsident Christoph Badelt

Das Maastricht-Defizit Österreichs dürfte laut einem am Mittwoch veröffentlichten Budget-Ausblick des Fiskalrates deutlich über der Maastricht-Grenze von 3 Prozent liegen. Für das Jahr 2024 erwartet das Gremium ein Budgetdefizit von 3,4 Prozent des (BIP), für 2025 ein Defizit von 3,2 Prozent. Fiskalrat-Präsident Christoph Badelt sieht Österreich auf einem "falschen Pfad". Aus dem Finanzministerium hieß es, die Erwartung des Fiskalrates sei "nicht nachvollziehbar".

Mit den vom Fiskalrat am Mittwoch veröffentlichten Daten würde Österreich beim gesamtstaatlichen Defizit klar über den von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) für die Jahre 2024/2025 veranschlagten 2,7 bzw. 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegen. Auch die Maastricht-Defizitobergrenze von 3 Prozent des BIP "wird damit deutlich überschritten", hieß es in einer Aussendung des Fiskalrates. Ebenso würden die im Dezember im Jahresbericht des Gremiums vorgelegten Erwartungen von einem Defizit von jeweils nur 2,3 Prozent für heuer und das kommende Jahr stark übertroffen.

Die deutliche Verschlechterung der Budgetsalden gegenüber 2023 (-2,7% des BIP) ist dem Rat zufolge vor allem auf neue Maßnahmen der Bundesregierung zurückzuführen. Das Fiskalrat-Büro nennt etwa die Verlängerung der Strompreisbremse, die neuerliche Aussetzung der Energieabgaben, das Wohnbaupaket sowie die verzögerten, überproportionalen Ausgabensteigerungen durch die hohe Inflation der letzten Jahre als Gründe. Auch die Veränderung gegenüber dem Budget-Voranschlag des Finanzministeriums sowie auch gegenüber der Dezember-Prognose des Fiskalrates liegt u.a. in diesen neuen Maßnahmen begründet, die damals noch nicht mitberücksichtigt werden konnten. Ebenso spiele die Konjunkturverschlechterung eine Rolle.

Seitens des Finanzministeriums hieß es zur APA, man korrigiere die Defizit-Erwartung aktuell auf 2,9 Prozent für das Jahr 2024. Ende April wird das Ministerium dann eine detaillierte neue Fiskalprognose an die Europäische Kommission übermitteln. Hauptgrund für die Korrektur sei "vor allem die unsichere wirtschaftliche Situation". Dass der Fiskalrat von einem Defizit über 3 Prozent ausgeht, ist für das Finanzministerium aber "nicht nachvollziehbar". Denn damit revidiere der Fiskalrat seine eigenen Prognosen vom Dezember "um mehr als einen Prozentpunkt". "Das ist eine signifikante Revision - vor allem, weil alle andere Institutionen - IWF, WIFO, IHS, Europäische Kommission - in ihren aktuellen Prognosen weiterhin von einem Defizit von unter 3 Prozent ausgehen." Das BMF werde daher "genau analysieren", warum der Fiskalrat als einziges Institut von einem höheren Defizit ausgehe.

Als Beispiel verwies das Finanzministerium etwa auf die Daten des Instituts für Höhere Studien (IHS), das (im März 2024) von einem Defizit von 2,2 Prozent für 2024 und 2,1 Prozent für 2025 ausging. Auch wies man im Finanzministerium auf die erst am Vortag veröffentlichte Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF) hin, der von einem Defizit von 2,6 bzw. 2,3 Prozent des BIP ausgeht.

Fiskalrat-Präsident Christoph Badelt sagte dazu im APA-Interview, sämtliche Prognosen, auf die das Finanzministerium verweist, hätten einen "älteren Datenhintergrund" als jene des Rats. Für die gedämpften Erwartungen nannte er mehrer Gründe. Erstens sei bereits das Maastricht-Defizit 2023 um einige Zehntelprozentpunkte höher ausgefallen als erwartet. Zweitens bekomme man nun die Wirkungen der Inflation zu spüren, "die wir zwar vorausgesagt haben, die man uns aber nicht geglaubt hat". Denn zu Beginn von Inflationsphasen würden die Einnahmen stark steigen - die Ausgaben aber nachhinken. Jetzt - mit dem Rückgang der Inflation ab dem Jahr 2024 - habe man es mit deutlich sinkenden Einnahmen zu tun. Auch verweist der Fiskalrat u.a. darauf, dass der preisbedingte Anstieg der Staatsausgaben (u. a. bei den Pensionsausgaben) in seiner vollen Wirkung nun erst zeitlich verzögert im Jahr 2024 erfolgt - "und hält, etwas abgeschwächt, auch 2025 an".

Als dritten Punkt nannte der Präsident die Kosten für Maßnahmen, die erst nach der Budgeterstellung beschlossen wurden. "Die waren nicht alle in diesen Prognosen berücksichtigt." Und viertens verwies Badelt auf die Konjunktur: "Sie dürfen nicht vergessen, dass wir auch schon die März-Prognose des WIFO (Wirtschaftsforschungsinstituts, Anm.) drinnen haben. Die Konjunktur ist nicht die Hauptursache, aber wahrscheinlich auch für etwa zwei Zehntelprozentpunkte verantwortlich."

Dass das Finanzministerium auf nur 2,9 Prozent erhöht, finde er "witzig", so Badelt. Zu den vom Ministerium für 2024 veranschlagten 2,7 Prozent Defizit käme die schlechtere Ausgangslage "plus die Konjunkturlage" dazu. "Insofern möchte ich gerne wissen, wie sie das rechnen wollen."

Badelt betonte, dass man auch im Fiskalrat "immer wieder" gesagt habe, dass Maßnahmen wie etwa zur Stützung der Baukonjunktur aber auch die Verlängerung der Strompreisbremse "an sich sinnvolle Maßnahmen sind, wo wir durchaus auch akzeptiert hätten, dass sie zu einer Vergrößerung des Defizits führen". Das "Grundproblem" sei aber, dass die Regierung bereits zum Zeitpunkt der Budget-Erstellung "viel zu wenig ambitioniert war, das Defizit einzuhalten".

"Wenn man eine Politik betreibt, bei der man stolz ist auf die Abschaffung von steuerlichen Belastungen (wie Kalte Progression oder KESt., Anm.), andererseits auch stolz ist auf zusätzliche Ausgaben, die man zum Teil aus guten Gründen tätigt, dann braucht man sich aber nicht wundern, wenn die Ausgaben- und Einnahmendynamik nicht zusammenpasst."

Es gehe gar nicht darum, ob das Defizit 3,4 oder 3,2 Prozent des BIP ausmache - ein EU-Defizitverfahren erwartet Badelt auch in diesen Fällen nicht. "Es geht um die Perspektiven: Wir schauen mit offenen Augen zu, wie sich Einnahme und Ausgaben auseinanderentwickeln. Das ist nicht nachhaltig, das muss der Fiskalrat aufzeigen. Wir sind auf einem falschen Pfad."

Auch betonte Badelt, dass es keinen Raum für budgetäre "Wahlzuckerln" gebe. Das Fiskalrat-Büro verwies dementsprechend in seiner Aussendung auch darauf, dass es in der Vergangenheit vor Nationalratswahlen "immer wieder zu hohen budgetären Belastungen durch neu verabschiedete Maßnahmen, sogenannte 'Wahlzuckerl'" gekommen sei. "Dabei handelte es sich fast ausschließlich um Ausgabenerhöhungen und größtenteils langfristig wirksame Maßnahmen." Eine Analyse des Fiskalrat-Büros errechnete für die "Wahlzuckerl" der Wahljahre ab 2008 eine durchschnittliche budgetäre Belastung im ersten Jahr nach der Wahl im Umfang von 0,7 Mrd Euro. 2024 würden die seit 2008 verabschiedeten "Wahlzuckerl" das Budget mit 4,1 Mrd Euro belasten, so der Rat. Die anstehende Nationalratswahl im Herbst berge aufgrund solcher möglichen "Wahlzuckerl" ein "hohes budgetäres Risiko". Die hohen erwarteten Budgetdefizite würden hierfür "keinerlei budgetären Spielraum" bieten.

Laut Fiskalrat wird v.a. aufgrund der erwarteten hohen Primärdefizite, aber auch wegen des Anstiegs der Zinsausgaben auch die Schuldenquote weiter steigen: 2024 erwartet der Rat ein Plus von 0,7 und 2025 um 0,6 Prozentpunkte. Damit würde die Schuldenquote bei 78,4 Prozent des BIP (2024) bzw. 79,1 Prozent des BIP (2025) liegen. Im Budget-Voranschlag des Finanzministers war für 2024 eine Quote von 76,4 Prozent des BIP angenommen worden, für 2025 eine von 76,5 Prozent. Angesichts des weiterhin hohen nominellen BIP-Wachstums (2024: 4,6 Prozent; 2025: 4,4 Prozent), das die Schuldenquote 2024 und 2025 eigentlich um 3,4 Prozent bzw. 3,3 Prozent des BIP senkt, scheine der Anstieg der Schuldenquote "besonders bedenklich". Damit liege die Schuldenquote 2024/2025 "deutlich über dem Maastricht-Zielwert" von 60 Prozent des BIP (und auch über der Schuldenquote in der Zeit vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie (2019: 70,6 Prozent).

NEOS und SPÖ orten ein Versagen der Regierung. Die "nach wie vor doppelt so hohe Inflation wie in den anderen EU-Ländern sowie die aktuelle Prognose des Fiskalrats" findet NEOS-Budgetsprecherin Karin Doppelbauer in einer Pressemitteilung "alarmierend". Sie fordert eine Ausgaben- und Schuldenbremse sowie strukturelle Reformen bei den größten Ausgabenblöcken wie Föderalismus oder Pensionen. Scharf fielen auch die Worte von SPÖ-Klubobmann Philip Kucher aus: Die Regierung würde "am meisten Geld verbrennen, die schlechtesten Ergebnisse erzielen und sich dafür dann auch noch bejubeln", wird er in einer Aussendung zitiert.