Britisches Parlament beschloss Gesetz zu Asylpakt mit Ruanda

von Britisches Parlament beschloss Gesetz zu Asylpakt mit Ruanda © Bild: APA/APA/AFP/POOL/TOBY MELVILLE

Rishi Sunak drängte auf das umstrittene Gesetz

Nach wochenlangen Diskussionen hat der britische Premier Rishi Sunak seinen umstrittenen Asylpakt mit Ruanda durchs Parlament gebracht. Migrantinnen und Migranten sollen ungeachtet ihrer Herkunft ins ostafrikanische Land abgeschoben werden, wenn sie unerlaubt nach Großbritannien einreisen. Der Entwurf, dem das Oberhaus in der Nacht auf Dienstag nach langem Widerstand zustimmte, erklärt Ruanda zum sicheren Drittstaat. Europarat und UNO reagierten mit scharfer Kritik.

Sunak bezeichnete das Gesetz als "bahnbrechend". Nun gehe es darum, die Abschiebeflüge nach Ruanda einzurichten, erklärte er am Dienstag. "Ich bin mir sicher, dass uns nichts im Weg stehen wird, dies zu tun und Leben zu retten", sagte der konservative Regierungschef. Mit dem Gesetz würden gefährdete Menschen von der gefährlichen Fahrt in Schlauchbooten über den Ärmelkanal abgeschreckt und das Geschäftsmodell von Menschenschmugglern zerstört, sagte Sunak.

Experten bezweifeln, dass das Vorhaben Migranten von der Überfahrt abhalten wird. Kritisiert wird auch, dass Großbritannien Hunderte Millionen Pfund an Ruanda zahlt, aber vermutlich nur ein Bruchteil der irregulär eingereisten Menschen abgeschoben wird. Zudem ist das Unterfangen mit hohen rechtlichen Unsicherheiten behaftet. Einen ersten Anlauf für einen Asylpakt mit Ruanda hatte vor zwei Jahren der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit einer einstweiligen Verfügung gestoppt. Das jetzige Gesetz schränkt daher Einspruchsmöglichkeiten massiv ein.

Indem Ruanda zum sicheren Drittstaat erklärt wird, möchte die Regierung Einsprüche vor britischen Gerichten gegen Abschiebungen verhindern. Das Oberhaus - das House of Lords - als zweite Parlamentskammer hatte mehrmals Änderungsanträge beschlossen, die dann in einem zeitaufwendigen Verfahren vom Unterhaus rückgängig gemacht wurden. Schließlich gab das House of Lords seinen Widerstand auf. Damit kann der Gesetzentwurf von König Charles III. mit seiner Unterschrift in Kraft gesetzt werden.

Der Asylpakt mit Ruanda sieht vor, dass irregulär eingereiste Migranten in Großbritannien keine Gelegenheit mehr zum Antrag auf Asyl erhalten sollen. Sie sollen stattdessen nach Ruanda gebracht werden und dort Asyl beantragen. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen. Der Plan war erstmals im Jahr 2022 vom damaligen Premierminister Boris Johnson vorgebracht worden, scheiterte aber an höchstgerichtlichen Entscheidungen.

Premier Sunak hatte vor der Abstimmung angekündigt, einstweilige Verfügungen des EGMR gegen den Asylpakt mit Ruanda zu ignorieren. Zugleich betonte er am Montag, sein Vorgehen stehe nicht im Konflikt mit internationalem Recht. Die erste Maschine solle in zehn bis zwölf Wochen abheben, kündigte er an. Bisher hatte die Regierung den ersten Abflug für den Frühling angekündigt. Für die Abschiebungen seien kommerzielle Charterflüge gebucht worden. Zudem seien Hunderte Sachbearbeiter und Richter auserkoren, um mögliche Klagen zu bearbeiten.

Der einzige Flug, der bisher nach Ruanda abheben sollte, wurde per einstweiliger Verfügung vom EGMR in letzter Minute gestoppt. Später erklärte das oberste Gericht in Großbritannien den Asylpakt für rechtswidrig. Mit dem Ruanda-Gesetz soll dieses Urteil nun ausgehebelt werden. Für die konservative Regierung, die angesichts eines gewaltigen Rückstands in den Umfragen im Jahr der Parlamentswahl unter erheblichem Druck steht, ist die irreguläre Migration ein Ärgernis. Jährlich kommen Zehntausende über den Ärmelkanal ins Land, es gibt aber kaum Aufnahmekapazitäten.

Der Menschenrechtskommissar des Europarates, Michael O'Flaherty, übte scharfe Kritik an dem Gesetzesbeschluss. "Die Regierung des Vereinigten Königreichs sollte von der Abschiebung von Menschen im Rahmen der Ruanda-Politik absehen und die tatsächliche Verletzung der richterlichen Unabhängigkeit durch das Gesetz rückgängig machen", teilte der Ire am Dienstag in Straßburg mit. "Die Verwaltung von Asyl und Migration ist zweifellos ein komplexes Unterfangen für Staaten, aber sie muss stets in voller Übereinstimmung mit internationalen Standards erfolgen", betonte er.

Ähnlich äußerten sich Spitzen des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) und des UNO-Menschenrechtsbüros. Großbritannien schaffe mit dem Gesetz einen "gefährlichen Präzedenzfall", kritisierten UNHCR-Chef Filippo Grandi und der Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, am Dienstag in Genf. Anders als im humanitären Völkerrecht vorgeschrieben würden die persönlichen Umstände der Migranten nämlich nicht ausreichend geprüft und ihre Möglichkeiten, sich gegen Abschiebungen zu wehren, erheblich eingeschränkt. Besonders besorgniserregend sei es, dass das Gesetz es der Regierung erlaube, Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu ignorieren.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) betonte am Dienstag, Asylverfahren in Drittstaaten seien "ein wichtiges Signal" an kriminelle Schlepper. "Abkommen wie zwischen Großbritannien und Ruanda, aber auch zwischen Italien und Albanien sind dabei wichtige Schritte, damit sich die Menschen nicht mehr auf den oft todbringenden Weg über das Mittelmeer machen. Österreich hat diese Möglichkeiten derzeit nicht, deshalb kämpfen wir bei der EU-Kommission darum, dass solche Asylverfahren erlaubt werden", so der Minister in einer der APA übermittelten Stellungnahme. Karner verwies auch auf eine internationale Konferenz, die Österreich gemeinsam mit Dänemark als Gastgeberland am 6. Mai organisiere und in deren Mittelpunkt neue Wege der Kooperation mit Drittstaaten stünden.

FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer empfahl Karner unterdessen "einen Kurztrip nach London, um sich dort in punkto Bevölkerungsschutz anlernen zu lassen". Das Votum zeige nämlich, dass man bei entsprechendem politischen Willen "auch etwas erreichen und abschieben" könne.