"Bin aus neuer Generation": Neo-UEFA-Boss
Platini will vier Schiedsrichter-Assistenten

"Zu 500 Prozent überzeugt, dass neue Ära kommt" PLUS: Interview über Sicherheit und "Sport-Europol"

Als Michel Platini am 26. Jänner die Wahl zum UEFA-Präsidenten gegen den schwedischen Amtsinhaber Lennart Johansson (77) gewann, übernahm erstmals ein ehemaliger Weltstar die Führung in der europäischen Fußball-Zentrale in Nyon am Genfer See. Der 51-jährige Franzose zog in die Schweiz und hat sich sofort daran gemacht, den Verwaltungsapparat umzustellen. Demnächst will er seinen Generalsekretär präsentieren, der Schotte David Taylor gilt als heißester Tipp. Ganz an sein neues Amt hat sich Platini aber noch nicht gewöhnt. "Wenn wer Präsident ruft, drehe ich mich um und suche den Präsidenten", scherzte er.

Platini, einst Weltstar, später Teamchef, OK-Mitlied bei der WM 1998 in Frankreich und Mitglied im Exekutiv-Komitee sowohl von FIFA als auch von UEFA, hat aber schon einige klare Vorstellungen. Diese decken sich oft auch mit den Plänen von FIFA-Präsident Joseph Blatter. Kein Wunder, war doch Platini lange Zeit Berater von Blatter. "Ich bin aus einer neuen Generation. Ich regiere nicht vom hohen Thron herunter, will ein pragmatischer Präsident sein, wie auch Blatter. Ich will führen und mitnehmen, jemand sein, der die Fußball-Familie zusammen bringt", sagte der neue UEFA-Chef.

So unterstützt Platini auch den Plan von Blatter, künftig vier statt zwei Schiedsrichter-Assistenten einzusetzen. Technischen Hilfsmitteln, wie etwa der Torkamera, erteilt er eine Absage. "Lange Zeit konnte man bei Schiedsrichter-Entscheidungen nicht das Gegenteil beweisen. Jetzt kann man. Zu Dritt geht das nicht mehr. Es gibt nur eine Lösung, man muss mehr Augen auf das Spielfeld richten, elektronische oder menschliche. Ich bin für Zweiteres", so der Franzose. "Wenn wir zulassen, dass Technologie alles beherrscht, haben wir in zehn Jahren keine Schiedsrichter mehr, sondern nur noch Chips. Man soll die humane Komponente nicht aus dem Spiel nehmen."

Dennoch: Will man gegen "Ungerechtigkeit ankämpfen", müsse man sich "die Heilige Kuh Schiedsrichterwesen" näher anschauen. "Ich bin mir zu 500 Prozent sicher, dass eine neue Ära anbricht", betonte Platini. Die zusätzlichen zwei Schiedsrichter-Assistenten könnten dabei auch über der aktuellen Altersgrenze sein, so der Franzose.

Platini bekräftigte einmal mehr sein Vorhaben, den Europacup zu reformieren. Er will allerdings nicht das aktuelle Format der Champions League (acht Gruppen zu je vier Teams) verändern, das er als "herausragend" bezeichnet, sondern die Anzahl der Teilnehmer pro Land. Vor allem die bis zu vier Klubs der großen Nationen sind ihm ein Dorn im Auge. "Es gibt ein Ungleichgewicht. Ich will, dass gute Mannschaften mitspielen können, unabhängig davon, wie reich das Land ist", erklärte er. Das würde zudem zu einer Aufwertung des UEFA-Cups durch stärkere Klubs aus den großen Ländern führen.

Änderungen könnten auch auf die EM zukommen. Bei der jüngsten Sitzung des UEFA-Exekutivkomitees wurde ein Ausschuss eingerichtet, der eine mögliche Aufstockung der EM-Endrunden-Teilnehmer von bisher 16 auf 24 diskutieren wird. Änderungen würden allerdings weder die EURO 2008 in Österreich und der Schweiz noch die EM 2012, die im April vergeben wird, betreffen.

Der Europameister von 1984 will aber auch dem "Fußball bestimmte Werte zurück geben". Der Fußball habe sich in den vergangenen 25 Jahren geändert, "weil sehr viel Geld in den Fußball gekommen ist. Der Fußball ist durch den großen Zufluss von Finanzmittel expandiert, aber es gab keine Aufsicht oder Reglementierung". Das will Platini ändern. "Während 100 Jahren waren die Verbände verantwortlich, in den letzten 15 Jahren waren es junge Geschäftsleute, für die Fußball ein Produkt wie jedes andere ist. Ich will die Werte wieder verteidigen", erklärte er.

Doping ist für den neuen UEFA-Präsidenten ein punktuelles Problem. "Ich glaube nicht, dass es organisiertes Doping im Fußball gibt." Vielmehr sieht er das individuelle Problem, dass talentierte Jugendliche alles tun, um den Sprung zur Profikarriere zu schaffen.

Im Sommer oder Spätsommer soll sich eine Strategie-Sitzung mit alle den aktuellen Problemen beschäftigen. Ob er all seine Pläne umsetzen kann, wird sich zeigen. "Vielleicht bin ich ein Romantiker", sagt Platini.

(apa/red)