Arbeitszeitflexibilisierung: Verhärtete Fronten, Zeichen auf Konflikt

ÖVP-Wirtschaftsbund antwortet auf AK/ÖGB-Umfrage mit eigener bei GfK beauftragter Befragung

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Die Spitzen von AK und ÖGB sprachen heute davon, dass auf Basis ihrer Umfrage 88 Prozent der Arbeitnehmer (rund 300.000 verschickte Fragebögen) der Meinung sind, dass 12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche die Ausnahme und sämtliche Zuschläge erhalten bleiben sollen. Die vom ÖVP-Wirtschaftsbund beauftragte Untersuchung kommt hingegen zum Ergebnis, dass sich 76 Prozent der Bevölkerung (n =3.400) vorstellen könnten "mit einer flexiblen Arbeitszeit einen 'Zeitpolster' aufzubauen, mit dem man dann mehr Freizeit an einem Stück konsumieren kann".

Freilich handelt es sich nicht um die gleichen Fragestellungen, die Richtungen der Arbeitgeber- bzw. Arbeitnehmervertreter sind aber klar. Die einen pochen auf die Flexibilisierung, die anderen wehren sich dagegen und warnen vor einer Aushöhlung der über Jahrzehnte erkämpften Arbeitnehmerrechte.

Laut Wirtschaftsbund-Studie sagen auch 75 Prozent der Befragten, dass Unternehmen und Mitarbeiter wergen des internationalen Wettbewerbs flexibler sein müssen als früher. 74 Prozent meinen, dass flexible Arbeitszeiten besser zur heutigen Zeit und zu den Bedürfnissen passen würden. 68 Prozent pflichten der Aussage bei, dass flexible Arbeitszeiten ein anderes Arbeiten ermöglichen, von dem alle profitieren würden.

Laut ÖGB und AK sind 92 Prozent dafür, dass Firmen, die sich bei Löhnen und Arbeitsbedingungen nicht an die Regeln halten, "stärker kontrolliert und bestraft" werden sollten. 86 Prozent glauben, eine Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters müsse "abgewehrt" werden.

"Die Gewerkschaft ist in der neuen Arbeitswelt noch nicht angekommen und sollte sich die Frage stellen, wen sie eigentlich vertritt", moniert ÖVP-Wirtschaftsbund-Generalsekretär Rene Tritscher gegenüber der APA. "Die neue Arbeitswelt verlangt Flexibilität der Betriebe und Mitarbeiter. Sowohl Kunden als auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen mehr Freiheit in der Gestaltung ihrer Lebens-, Arbeits- und Freizeitwelt." Es entspreche nicht der Wahrheit, dass jeden Tag 12 Stunden oder jede Woche 60 Stunden gearbeitet werden würde, oder Überstunden und Zuschläge nicht ausbezahlt werden. "Es geht vielmehr darum anders zu arbeiten und auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter und des Unternehmens besser als bisher eingehen zu können", so Tritscher.

Auch die Industriellenvereinigung (IV) stellte in einer Aussendung "einmal mehr die Fehlinformationen von AK und ÖGB klar": "Die vorgeschlagene, dringend notwendige faire Modernisierung der Arbeitszeit bedeutet nicht, dass jeden Tag 12 Stunden gearbeitet werden soll. Es soll lediglich möglich sein, in Ausnahmefällen statt bisher zwei, maximal vier Überstunden an einzelnen Tagen arbeiten zu können und dies bei Erhalt aller Zuschläge", so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. Er meinte auch, dass AK und ÖGB sinnvollerweise bei ihren Mitgliedern hinterfragen hätten sollen, "was für Maßnahmen gesetzt werden müssen, um qualitativ hochwertige Arbeitsplätze in Österreich zu sichern, zu stärken und zu schaffen". Denn wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen seien die Voraussetzung für die Arbeit der Zukunft, "die kein Wünsch-Dir-Was-Konzert" sein könne.

Die Produktionsgewerkschaft PRO-GE, deren Gewerkschaftstag heute zu Ende gegangen ist, hat in ihrem neuen Programm festgehalten, dass den Arbeitnehmern die Gefahr drohe, dass sie immer länger, und ohne Zuschläge arbeiten müssen. "Das bedeutet nicht mehr Flexibilität, sondern schlicht Lohnraub." Die PRO-GE bleibt damit bei ihrem klaren "Nein" zu einem generellen 12-Stunden-Arbeitstag. Sie fordert stattdessen kürzere, besser planbare, gesündere und fairere Arbeitszeiten sowie mehr Selbstbestimmtheit der Arbeitnehmer bei der Arbeitszeit.

Zentrale Forderungen sind unter anderem eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich und vollem Personalausgleich. Mittelfristig fordert die PRO-GE eine Reduktion auf 35 Stunden, langfristig eine Reduktion auf 30 Stunden. Gefordert wird auch mehr Wahlfreiheit für die Arbeitnehmer zwischen Zeit und Geld und dem selbstbestimmten Verbrauch von Zeitguthaben. Die 6. Urlaubswoche soll schneller erreicht werden. Ein Rechtsanspruch auf Altersteilzeit, Papamonat, Bildungskarenz und Sabbaticals müsse umgesetzt werden. Die Verkürzung der geblockten Altersteilzeit bzw. das Anheben des Antrittsalters der Altersteilzeit seien rückgängig zu machen.

Der SPÖ-Politiker Josef Muchitsch, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft Bau-Holz (GBH), reagierte in einer Aussendung wiederum auf die IV-Ausführungen: "12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche sind der Industriellenvereinigung ja offenbar sehr wichtig, sonst würde sie nicht Tausende Euro in eine Kampagne stecken, die den Menschen vorgaukelt, dass das, was die Industriellenvereinigung wünscht, auch gut für die Beschäftigten ist. Die Worte 'keinen generellen...' in dieser Kampagne sind jedoch durchaus entlarvend."

Der Unterschied liege hier im Detail, so Muchitsch: "Es ist schon klar, dass offiziell nie von einer 'generellen' Lösung gesprochen wird. Vielmehr geht es der schwarz-blauen Bundesregierung und der IV darum, künftig ohne Mitsprache der Gewerkschaften und Betriebsräte ihre Beschäftigten 12 Stunden am Tag und 60 Stunden in der Woche zur Arbeit zu verpflichten."

Bereits jetzt gibt es in den Kollektivverträgen geregelt die Möglichkeit, flexibel und bei Bedarf 12 Stunden zu arbeiten, erinnerte der Oppositionspolitiker und Gewerkschafter. "Der Unterschied ist: Wenn jetzt 12 Stunden gearbeitet wird, ist ein Mehrarbeitszuschlag fällig und eine Vereinbarung abzuschließen. Beides würden sich die Industriellen offenbar gerne ersparen. Bis dato ist in Österreich noch keine einzige Baustelle oder ein Auftrag aufgrund von 'Unflexibilität bei Arbeitszeiten durch die Beschäftigten' nicht zeitgerecht fertiggestellt worden."

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