Seine große Angst

Der Exkanzler über Gefahren für das Land und Gerüchte über Wolfgang Schüssel

von Alfred Gusenbauer - Seine große Angst © Bild: NEWS/Zach-Kiesling

NEWS: Jetzt kommen Skandale aus schwarz-blau-orangen Regierungsperioden ans Licht. Während dieser Zeit waren Sie SPÖ-Chef, der nun als Abgeordneter zurückgetretene damalige Kanzler Wolfgang Schüssel Ihr größter Konkurrent. Warum ist es Ihnen trotz aller Gerüchte über Skandale nie gelungen, etwas zu belegen?
Alfred Gusenbauer: Es scheint so, als würde jetzt einiges aufkommen, weil jemand, der offenbar Teil des Systems war, plaudert. Es gab früher immer nur Vermutungen, aber uns haben Fakten gefehlt.

NEWS: Sind Sie später als Kanzler diesen Gerüchten nachgegangen?
Gusenbauer: Die heute betroffenen Ressorts waren in meiner Zeit nicht von der SPÖ besetzt. Dort, wo wir Verantwortung trugen, etwa im Verteidigungsministerium, hat Norbert Darabos die Eurofighter untersucht. Das führte zu einem Untersuchungsausschuss im Parlament.

NEWS: Können Sie sich vorstellen, dass man als Kanzler nichts mitbekommt, wie Schüssel nun behauptet?
Gusenbauer: Das kann und will ich nicht beurteilen. Aber das Koalitionsklima war damals friedlicher als zu meiner Zeit. Die ÖVP wollte unbedingt mit der FPÖ regieren. Der Informationsfluss und der Kenntnisreichtum über den Koalitionspartner war größer.

NEWS: Darf man Ihre Aussage so interpretieren, dass ein Kanzler, der unbedingt in einer Regierung bleiben will, über manches hinwegsieht?
Gusenbauer: Das will ich Wolfgang Schüssel nicht unterstellen. Wir werden sehen, was die Untersuchungen ergeben: ob ein aktives oder passives Weghören vorliegt.

NEWS: Apropos vorwerfen. Welche Gefahren drohen uns in der aktuellen Krise aus Verschulden diverser Regierungspolitiker?
Gusenbauer: Europas Politiker hätten uns viele Probleme durch ein offensives Vorgehen ersparen können. Die Politik reagiert aber so zögerlich auf die Krise, dass sie sich der selbst geschaffenen Logik der Finanzmärkte ausliefert. Die große Gefahr ist, dass nur durch Einsparungen ohne ein paralleles europäisches Wachstumsprogramm eine sogenannte japanische Situation entstehen wird. Also ein Jahrzehnt mit nur flachem Wirtschaftswachstum.

NEWS: Wie soll ein europäisches Wachstumsprogramm ohne europäische Wirtschaftsregierung in Gang kommen?
Gusenbauer: Wir brauchen eine gemeinsame Wirtschaftsregierung. Aber den bisher vorgeschlagenen Ausformungen fehlt jedes Recht, Entscheidungen zu treffen. Mit welcher Legitimation greift man denn in die nationale Souveränität ein?

NEWS: Sagen Sie es uns.
Gusenbauer: Entweder die Bürger wählen einen europäischen Präsidenten, oder die Mehrheit im EU-Parlament entscheidet, damit die Menschen sich aussuchen können, ob sie eine konservative, liberale oder sozialdemokratische Wirtschaftspolitik haben wollen.

NEWS: Eine Idee für die Gestaltung einer gemeinsamen Wirtschaftsregierung, die auch Bundeskanzler Werner Faymann vertritt, ist ein regelmäßiges Treffen der Staats- und Regierungschefs. Die sind gewählt und somit legitimiert.
Gusenbauer: Die sitzen ohnehin oft zusammen, ein paar Mal mehr macht keinen Unterschied. Außerdem sind sie nur national demokratisch legitimiert, aber nicht europäisch.

NEWS: Sollte eine europäische Wirtschaftsregierung auch in die Lohn- und Gehaltsentwicklung eingreifen?
Gusenbauer: Nur wenn sie den österreichischen Weg wählt: je besser die Produktivität, desto höher die Gehaltsabschlüsse. Die Lohnpolitik muss bei den Sozialpartnern bleiben.

NEWS: Ist der Euro durch eine Staffelung in der Eurozone zu halten?
Gusenbauer: Das wäre der Anfang vom Ende. Der Euro muss und kann verteidigt werden, aber nicht so.

NEWS: Was tun gegen die übermäßige Gier mancher, die uns aktuell Probleme bereiten, weil sie bei ihren Finanzspekulationen keine Rücksicht kennen?
Gusenbauer: Wo sich Möglichkeiten auftun, Geld zu vermehren, werden sie genutzt. Es ist Illusion, an eine Selbstbeschränkung zu glauben. Diesen Menschen und Mechanismen muss man mit gesetzlichen Beschränkungen begegnen.

NEWS: Auch während Ihrer Amtszeit wurden die Finanzmärkte nicht reguliert. Kann die Politik überhaupt wieder Grenzen zu setzen?
Gusenbauer: Am Ende musste die Politik das System wieder retten, weil die Deregulierung zu weit gegangen ist. Und immer noch ist nichts passiert, um stärker zu regulieren. Dabei brauchen wir dringend einen europäischen Währungsfonds, eine europäische Ratingagentur, eine Finanztransaktionssteuer. Regierungen dürfen sich nicht den Finanzmärkten ausliefern, sonst übernehmen die das Kommando. Eine schwache Politik führt zu einem Tollhaus der Finanzmärkte.

NEWS: Beschlüsse der G7, Aussagen der deutschen Kanzlerin, des französischen Präsidenten, des US-Präsidenten, des EU-Kommissionschefs sind doch jetzt schon ohne Wirkung auf die Vorgänge der Märkte. Haben die mächtigsten Politiker keine Macht mehr?
Gusenbauer: Manchmal ist es besser, nichts zu sagen und mehr Zeit für Maßnahmen zu verwenden. Jeden Tag werden neue Vorstellungen präsentiert, am Ende kennt sich niemand aus. Politiker hätten zudem mehr Einfluss auf die Märkte, wenn sie nicht vor rechten Parteien Scheu hätten, wie hierzulande vor der FPÖ. Regierungen geben dem Druck der Rechten zu oft nach und verfolgen deshalb keinen konsequenten europäischen Weg.

NEWS: Und die Sozialdemokratie findet in dieser Umbruchszeit keinen Platz?
Gusenbauer: Die Sozialdemokratie ist dort erfolgreich, wo sie Beschäftigung, Leistung und soziale Gerechtigkeit verbindet.

NEWS: Aber wie geht man mit dem Problem um, dass Menschen unzufrieden sind, weil sie sich heute viel leichter mit anderen vergleichen können, nicht zuletzt mittels neuer Medien? Sie sehen dauernd andere Menschen, denen es besser geht.
Gusenbauer: Es ist schwer, weil wir einen Lebensstandard erreicht haben, der nie zuvor so hoch war. Die Menschen haben Angst, diesen Standard nicht halten zu können. Bei unserem hohen Niveau ist die Gefahr groß, dass es in Zukunft weniger Wohlstand gibt. Europa und die USA werden im Vergleich zu anderen Regionen definitiv verlieren. Wenn wir auch absolut verlieren, ist das höchst dramatisch.

NEWS: Kann man den Menschen vermitteln, dass Wohlstand nicht alles ist?
Gusenbauer: Es gibt in der Tat auch andere Werte.

NEWS: Welche Werte zählen für Sie heute?
Gusenbauer: Ich bin weniger getrieben und entscheide selbst, was ich mache. Ich bin gerne aktiv und arbeite viel. Aber ich trage nicht mehr das enge Korsett der Spitzenpolitik. Das Reich der Freiheit wird für mich größer zulasten des Reichs der Notwendigkeit – das ist schön. Viele glauben, sie müssen täglich Haltungsnoten für Politiker verteilen, das fällt für mich jetzt weg.

NEWS: Ganz ehrlich: War jeder Termin, jede Veranstaltung in Ihrer Amtszeit notwendig?
Gusenbauer: Es gibt halt Erwartungshaltungen. Als Kanzler ist man nur imstande, einen kleinen Teil von dem zu erledigen, was man will, selbst wenn man rund um die Uhr arbeitet. Und dann gibt es immer noch Beschwerden, dass jemand zu kurz gekommen ist.

NEWS: Sind Sie mit Ihren beruflichen Tätigkeiten mittlerweile reich geworden? Schon ein Fall für die Reichensteuer?
Gusenbauer: Ich bin weit entfernt von Reichtum. Aber die Idee, dass Reiche mehr zahlen sollen, ist richtig.

NEWS: Wären Sie bei einem Einkommen von 500.000 Euro ein Fall für diese neue Steuer?
Gusenbauer: Jahresumsätze sind etwas anderes als persönliche Einkommen.

NEWS: Sie haben vor einigen Gefahren gewarnt. Haben Sie persönlich vor etwas Angst?
Gusenbauer: (lacht) Ich halte mich an Asterix und Obelix. Deren oberster Gallier, Majestix, hatte immer nur Angst, dass ihm der Himmel auf den Kopf fallen könnte.

Weitere Enthüllungen zu den Machenschaften in der Ära Schüssel lesen Sie im NEWS 37/11

Kommentare

Mir geht es wie vielen anderen auch: Ich hielt Gusenbauer für einen intelligenten hochgebildeten Weltmenschen und setzte große Erwartungen in ihn. Umso enttäuschter war ich ob seines Versagens als Kanzler. Wo er sich jetzt wichtig macht interessiert mich nicht mehr.

Laleidama

..und im übrigen... hat er sich vom Mascherl Wolfi mehrmals über den Tisch ziehen lassen...betreffend Gruppenbesteuerung,Stiftungssteuer.....mich würde nun brennend interessieren, ob der Wolfi gar mit dem Flöttl jun. die gesamte BAWAG Crew über den Tisch gezogen hat.....??? wäre ja auch interessant oder..???

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Also genau den Deppen brauchen wir jetzt garnicht Als nächstes Fragen die noch den Sinowatz!

Ehrlich, Gusenbauer, Versager, berate Deine linken Diktatoren und lasse bitte Österreich in Ruhe, hier hast Du schon total versagt!

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Re: Also genau den Deppen brauchen wir jetzt garnicht gusenbauer und molterer waren die größten versager,vor der wahl haben diese zwei esel die hacklerregelung noch verlängert,in anspruch genommen wird sie hauptsächlich von den beamten ,obwohl unsers pensionen gar nicht gesichert sind ! molterer hat seine partei noch total verschultet, dieser bauerknecht hat keine ahnung vom geld,dafür hat er einen hohen bankposten in der EU bekommenbekommem ! die welt steht nicht mehr lange !

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Re: Also genau den Deppen brauchen wir jetzt garnicht ..genau den Sinowatz fragen, da würd ich gerne dabeisein, dieser historisch äusserst profunde und menschlich integere
Mann ist mittlerweile verstorben und hat viel gelitten darunter dass die Menschen ihn oft nur nach seinem Aussehen beurteilten....

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