Äthiopien bestimmt Entwicklungspolitik selbst

Land will unabhängig von Hilfsgeldern werden

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Durch die Bemühungen der Regierung mit Unterstützung internationaler Geberorganisationen sank die extreme Armut seit dem Jahr 2000 um fast die Hälfte. Grundlage für die Zusammenarbeit ist laut Astrid Wein von der Austria Development Agency (ADA) der staatliche Wachstums- und Transformationsplan (GTP II).

In dessen aktueller Fassung sieht die Zentralregierung für die Jahre 2016 bis 2020 unter anderem einen strukturellen Wandel der Wirtschaft in Richtung Industrialisierung, Infrastrukturentwicklung und eine Professionalisierung von Dienstleistungen vor. Besonders Frauen und Jugendliche sollen in dem bevölkerungsreichen Land am Horn von Afrika von den staatlichen Investitionen profitieren. Gegen den Entwicklungsplan gab es jedoch auch Proteste: Bauprojekte, die Rechte der Anwohner nicht respektierten, führten zu Unruhen.

Laut dem Finanzministerium fließen 65 Prozent des Staatsbudgets in die ärmsten Regionen des Landes. Dieses bestehe zu rund 85 Prozent aus heimischen Ressourcen, sagte James Wakiaga, Nationalökonom des Entwicklungsprogrammes der Vereinten Nationen (UNDP), in Addis Abeba. Die restlichen 15 Prozent seien internationale Hilfsgelder von Gebern wie der Weltbank.

"Wir hoffen, dass sich diese Investitionen auszahlen, so dass das Land sich eines Tages selbst tragen und auch die humanitäre Hilfe bei Katastrophen bereitstellen kann", so der Länderexperte gegenüber der APA. Erreicht Äthiopien dieses Ziel, verliert Österreich eines seiner langjährigen Schwerpunktländer der Entwicklungszusammenarbeit.

Dies werde aber nach Ansicht von Astrid Wein von der Austria Development Agency, der Agentur der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, noch sehr lange dauern: "Einen Staat mit mehr als 100 Millionen Menschen aus der Armut zu führen, ist eine große Herausforderung", so die Expertin.

Die Kooperation zwischen Äthiopien und Österreich werde ebenfalls durch den staatlichen Entwicklungsplan bestimmt, erklärte Wein, die das Koordinationsbüro der ADA in Addis Abeba leitet. "In Äthiopien wird von der Regierung alles, was die Entwicklungszusammenarbeit betrifft, vorgegeben." Damit unterscheide sich die Interaktion mit Äthiopien von jener mit anderen Ländern, in denen die Vorschläge zur Umsetzung auch von österreichischer Seite kämen und Österreich daher innerhalb der eigenen Schwerpunktsektoren flexibler arbeiten könne. "Es haben viele Länder einen Entwicklungsplan, aber Äthiopien setzt seinen strikt durch." Die äthiopische Regierung entscheide, in welcher Form die Hilfe umgesetzt werden sollen. "Das geht hinunter bis auf die Dorfebene", so die Expertin.

"Von Regierungsseite werden sogenannte lokale 'Development Agents' (Entwicklungsbeauftragte) in die Dörfer geschickt, um sich zum Beispiel von der Bevölkerung angewandten landwirtschaftlichen Techniken anzusehen und Verbesserungsvorschläge zu machen, die dann meistens von Bauern umgesetzt werden sollen", erklärte Wein. "Die Unterstützung der Bevölkerung vonseiten internationaler und lokaler NGOs bei der Umsetzung von diesen lokalen Verbesserungs- und Entwicklungsplänen steigert oft die Qualität der Intervention." So helfen die Organisationen der Regierung, ihre Ziele zu erreichen, da diese selbst nicht die Kapazitäten dafür habe, sagte die Expertin. Der Einzugsbereich eines "Development Agents" sei nämlich meist sehr groß.

Österreich leistet Hilfe in den Bereichen Grundversorgung, Nutzung natürlicher Ressourcen, Förderung von Frauen und Jugendlichen und der Stärkung demokratischer Mitspracherechte. Die Bundesregierung habe Äthiopien 2017 mit 7,07 Millionen Euro unterstützt, so Wein. 2016 seien es noch 5,29 Millionen gewesen.

Der Anstieg des Volumens der Hilfsgelder sei durch die zusätzliche humanitäre Hilfe verursacht worden, die durch die Dürre und die oft damit zusammenhängenden ethnischen Konflikte erforderlich geworden sei. Der Klimawandel ist laut der ADA-Expertin ein existenzielles Problem. Äthiopien und das Horn von Afrika seien immer schon von Dürreperioden betroffen gewesen, die Abstände werden jedoch immer kürzer. Dies sei der internationalen Gemeinschaften zufolge eindeutig auf den Klimawandel zurückzuführen.

Österreich unterstütze daher in Kooperation mit der Regierung und gleichgesinnten Spenderländern wie Deutschland und der Schweiz, vor allem aber mit der EU Projekte, die die Widerstandsfähigkeit der ländlichen Bevölkerung stärken. Dazu gehöre unter anderem, den Bauern klimaresistentes Saatgut zur Verfügung zu stellen, meteorologische Frühwarnsysteme auf lokaler Ebene aufzubauen und neben der Versorgung mit Trinkwasser auch den Zugang zu Wasser für Bewässerung und das Vieh zu verbessern, so Wein.

Umgesetzt werden die Maßnahmen unter anderen von internationalen und österreichischen NGOs in Kooperation mit den Regierungsbehörden. Auch Aktivitäten der Vereinten Nationen werden finanziert. Die direkte Budgethilfe an Äthiopien sei wegen des zweimal ausgerufenen Ausnahmezustands ausgesetzt worden. Demnächst werde es dazu wieder eine Neubeurteilung (Risk Assessment) geben, berichtete Wein.

In der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) sieht Wein einen Beitrag zur Migrationsprävention: "Die Entwicklungszusammenarbeit ist ein Beitrag dazu, dass die Leute nicht migrieren müssen. Niemand will freiwillig gerne seinen Heimatort verlassen und ist gerne in seinem familiären und Gemeindeverband." Mit den Ausbildungen in verschiedenen Berufen sollen die Erwerbsmöglichkeiten junger Menschen am Land verbessert werden, sagte sie.

Trotzdem werde es Migration in die Städte geben, weil die Einkommen höher seien und dort raschere wirtschaftliche Entwicklung stattfinde, ist die Expertin überzeugt. Aufgrund des Bevölkerungswachstums wäre die Schaffung von einer Million neuer Jobs jährlich notwendig. Dies sei auf dem Land nicht möglich.

(S E R V I C E - www.entwicklung.at)

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